Synodalsenior i.R. Joel Ruml von der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in Tschechien ist internationaler Gast der pfälzischen Landeskirche 

"Wir gehören zur reformatorischen Familie"

Joel Ruml vor dem Landeskirchenrat in Speyer. Foto: lk

Speyer (lk). An den Beginn der „Samtenen Revolution“ in der damaligen Tschechoslowakei erinnert sich Joel Ruml ganz genau. Damals, 1989, war der heute 62-Jährige Pfarrer in einer Gemeinde der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) in Velke Mezirici und erlebte hautnah den Umbruch von einem kommunistischen Regime, das auch über die Kirchen die totale Kontrolle ausübte, zu einem demokratischen Staatsgefüge. „Wir spürten endlich Freiheit“, schildert Ruml, der zurzeit als „internationaler Gast“ der pfälzischen Landeskirche Kirchengemeinden und Diensten für Vorträge, Gespräche und Gottesdienste zur Verfügung steht.

Vieles auf den Weg gebracht

2003 wählte die Synode der 1918 durch die Vereinigung der reformierten und lutherischen Gemeinden in Böhmen und Mähren gegründeten und heute rund 100.000 Mitglieder zählenden EKBB Joel Ruml zum Synodalsenior (entsprechend dem Amt eines Kirchenpräsidenten). Zwei Amtsperioden, zwölf Jahre, war Ruml als oberster Repräsentant der Böhmischen Brüder viel im Land unterwegs. Er hat die Gemeinden seiner Kirche bereist, Gottesdienste und Bibelstunden gehalten und vieles auf den Weg gebracht, was der EKBB inzwischen zu ökonomischer und ideologischer Selbstständigkeit verholfen hat. Ein drittes Mal habe er nicht zur Wahl antreten wollen, sagt Ruml. Nun habe er Zeit, als Pfarrer und unabhängig von Amt und Würden weiterhin für seine Kirche zu werben.

Die protestantisch-reformatorische Überzeugung in der Tradition der Hussiten und der Böhmischen Brüder liegt gewissermaßen in der Familie: Vater, Bruder, Sohn, Schwager und Schwägerin – alle Pfarrer. „Ich bin sozusagen unter der väterlichen Kanzel aufgewachsen“, sagt Ruml, der in der „Böhmisch-Mährische Höhe“ genannten Region südöstlich von Prag geboren wurde. Der Theologe, der unter dem kommunistischen Regime drei Jahre „auf dem Bau“ arbeiten musste, hat alle Facetten des Berufs kennengelernt. Er war Pfarrer in Dorf-, Klein- und Großstadtgemeinden, kennt den Seelsorgedienst in Gefängnissen und Krankenhäusern und gehört zu den Gründungsvätern der unabhängigen Zeitschrift „Protestant“, deren erste Redaktionssitzungen 1989 stattfanden und bei der er die Wirtschafts- und Sozial-Rubrik betreute.

Protestantische Bescheidenheit

Die Trennung von Kirche und Staat gehört zu Joel Rumls Überzeugungen: „Ablösung der Kirche vom Staat“, auf diesen Horizont habe Ruml während seiner Amtszeit ausdauernd verwiesen, steht in einem Beitrag zum 60. Geburtstag des Synodalseniors auf der Homepage der EKBB. „Den voneinander getrennten Staaten und Kirchen geht es auf ihre Weise besser als in Regionen, die von wirtschaftlicher oder gar politischer Abhängigkeit der Kirche vom Staat gekennzeichnet sind. Staatliche und kirchliche Institutionen mischen sich hier nicht in Kompetenzen, die ihnen nicht gebühren“, heißt es auf der deutschen Seite der EKBB-Homepage. Auch protestantische Bescheidenheit gehört zu den Merkmalen des Kirchenpräsidenten i.R.: „Unser Lebensstil muss im Einklang mit der Lehre Jesu stehen“, sagt Ruml, der mit seiner Frau Lydia in Prag lebt. Das Ehepaar hat zwei Kinder und vier Enkel.

Die EKBB gehört der Weltgemeinschaft reformierter Kirchen, dem Lutherischen Weltbund, der Konferenz Europäischer Kirchen, und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (Leuenberger Kirchengemeinschaft) an. Die Vorbereitungen auf das Reformationsjubiläum in Deutschland würden die Protestanten in Tschechien mit großer Aufmerksamkeit verfolgen, sagt Ruml. „2017 ist bei uns ein großes Thema. Wir gehören schließlich zur reformatorischen Familie.“

Unterwegs in pfälzischen Kirchengemeinden

Darüber werde er u.a. berichten, wenn er in den nächsten Wochen und Monaten von pfälzischen Kirchengemeinden zu Gottesdiensten und Gemeindeveranstaltungen eingeladen wird. Wie beispielsweise am 20. März in Neustadt-Hambach (Pauluskirche), am 10. April in Kaiserslautern (Pauluskirche) oder am 26. Juni in Gries und in Miesau (protestantische Kirchen), wo Ruml jeweils im Sonntagsgottesdienst predigen und anschließend zu Gesprächen zur Verfügung stehen wird. Auf Einladung des Gustav-Adolf-Werkes referiert Ruml im Rahmen der Gesprächsreihe „Christen im Dialog“ am 14. März um 19 Uhr im protestantischen Gemeindehaus in der Horststraße, Landau, über „Tschechische Kirchen und der Sozialismus“. Im Rahmen der „Nachteulen“-Andachten in der Pirmasenser Lutherkirche spricht Joel Ruml am 15. April um 19 Uhr zum Thema „auf den Spuren von Jan Hus. Kirche in Tschechien“. Ruml freut sich darauf – ebenso wie auf Ehefrau Lydia. Sie habe versprochen, ihn während seines Gastaufenthaltes in der Evangelischen Kirche der Pfalz regelmäßig zu besuchen.