Weihnachten in Ungarn 

Weihnachten ist Heimat

Viele Eigeninitiative und Nähe: die aktive deutsche Gemeinde. Foto: Deutsche evangelische Gemeinde Heviz/Balaton.

Adventsmarkt. Foto: Deutsche evangelische Gemeinde Heviz/Balaton.

Holzarbeiten beim Adventsmarkt. Foto: Deutsche evangelische Gemeinde Heviz/Balaton.

Hévíz/Balaton (lk). Boldog Karácsonyi ünnepeket! So wünscht man sich in Ungarn heutzutage glückliche Weihnachtsfeiertage. Die Weihnachtskultur mit Weihnachtsmärkten, Adventskalender oder Stollen ist in Ungarn wenig oder gar nicht verbreitet. Dafür rücken die Menschen in der Auslandsgemeinde stärker zusammen und Weihnachten nimmt die Gestalt an, die ich mir vorstelle.

Auf der Suche nach den Weihnachtsmärktchen

In der Großstadt Budapest gibt es bislang einige Weihnachtsmärkte. In kleineren Städten oder Dörfern gibt es vereinzelte davon, die nur einen Tag dauern und viel kleiner sind als beispielsweise der bekannte Weihnachtsmarkt in Deidesheim. Auch gibt es keine Hinweisschilder, die auf die Veranstaltungen aufmerksam machen. Nur in den Zeitungen werden sie manchmal angekündigt, das scheint als Information zu reichen. Unerfüllt ist auch die Sehnsucht nach einem Adventskalender, die in Deutschland zuhauf verkauft werden oder deren Türchen im Radio, an der Haustür (lebendiger Adventskalender), in der Zeitung geöffnet werden. In den Geschäften in der Region westlich des Balatons, wo die Auslandsgemeinde Héviz liegt, habe ich sie in den Geschäften vergeblich gesucht. Inzwischen verkaufen die großen Discounter aber Adventskalender aus Deutschland. Der Brauch, die Häuser mit Lichterketten zu schmücken, hat ebenfalls erst in den letzten Jahren Einzug gehalten.

Mehr Gemeinschaft und Nächstenliebe

In Deutschland ist das Weihnachtsfest in den Gemeinden immer etwas Besonderes, die Kirchen sind voll. Was Menschen zu diesem Zeitpunkt in die Kirchen treibt, ist sehr unterschiedlich. Auf jeden Fall ist es eine Suche nach Geborgenheit, Heilsein oder was auch immer. Für mache gehört der Besuch des Gottesdienstes einfach nur dazu. In den Auslandsgemeinden bedeutet Weihnachten mehr Gemeinschaft. Man ist stärker aufeinander angewiesen als in den Gemeinden im Heimatland. So nimmt Weihnachten die ursprüngliche Gestalt an.

Das zeigt sich anhand einiger Erlebnisse: Als ich mit Kollegen zu einem Hausbesuch unterwegs war, winkte uns ein Ungar zu und hielt unser Auto an. Er wollte uns etwas übergeben. Seine deutschen Nachbarn, die gerade in Deutschland waren, hatten ihn beauftragt, uns abzupassen. Er überreichte zwei schwere und prall gefüllte Tüten mit Nahrungsmitteln und Süßigkeiten. Wir sollten sie Menschen aus der Gemeinde zukommen lassen, die eine Zuwendung brauchen könnten. Als wir die Tüten in den Händen hielten, fielen uns sofort die Namen der Menschen ein, die sich sehr freuen würden.

Ein anderes Beispiel sind Deutsche, die die Adventszeit oder Weihnachten in Ungarn verbringen. Sie finden sich auf Basis von privaten Initiativen zusammen, um Feiern zu organisieren. Die Gemeinde richtete an jedem der vier Sonntage ein Adventscafé aus und organisierte einen großen Weihnachtsmarkt nach heimatlichem Vorbild. Viele Residenten und auch Ungarn nahmen daran teil. Die (vor)weihnachtliche Stimmung erreichte jedes Herz.

Licht aus Bethlehem beim Gottesdienst an Heiligabend

Am 24. Dezember feiert man in Ungarn im engsten Familienkreis. Es ist nicht üblich, mit Freunden und Bekannten Weihnachten zu feiern. Statt Kartoffelsalat mit Würstchen gibt es am Abend Fischsuppe oder Fisch aller Art (allerdings kein Meeresfisch) mit oder ausschließlich Kohlroulade. Als Nachspeise werden Bejgli (Walnussrolle, Diós bejgli) oder Mohnrolle (Mákos bejgli)) gegessen. Bejgli kommen aus der schlesischen Küche und werden in Ungarn traditionell zur Weihnachtszeit gegessen.

Bei den Reformierten und Lutheranern in Ungarn ist der Gottesdienst an Heiligabend unüblich oder nicht selbstverständlich. In unserer Gemeinde am Balaton und in Héviz ist dieser aber immer gut besucht. Pfadfinder-Vertreter bringen jedes Jahr das Weihnachtslicht aus Jerusalem, das die weltweite Verbundenheit sichtbar und auch spürbar macht. Das Licht wird an alle Gemeindemitglieder weitergeben. Zudem bezaubern die deutschen Weihnachtlieder die Gottesdienstbesucher durch den Klang der Heimat.

Weihnachtlicher Höhepunkt am 25. Dezember

Traditionell findet der eigentliche Weihnachtsgottesdienst in Ungarn am 1. Weihnachtstag morgens statt. Am 25. und 26. Dezember reisen die ungarischen Familien durch das Land und besuchen ihre Verwandtschaft. Die traditionelle ungarische Weihnachtsdekoration besteht aus Walnüssen, Haselnüssen, Strohsterne und Strohfiguren, getrockneten Orangenscheiben oder Orangenringen, Äpfeln und „Salonzucker“, einzeln verpackte Süßigkeiten, die es überall zu kaufen gibt.

Es werden auch Tannenzapfen an den Baum gehängt. Früher waren Wunderkerzen und echte kleine Kerzen am Baum gebräuchlich – das erinnert an das Weihnachten der 50-er Jahre in Deutschland. Als Wünsche sagen sich die Ungarn traditionell „Áldott Karácsonyt“ (gesegnete Weihnachten) oder „Áldott, békés Karácsonyt“ (gesegnete friedliche Weihnachten) oder heutzutage „Kellemes ünnepeket” (angenehme Feiertage) und „Boldog Karácsonyi ünnepeket” (Glückliche Weihnachtsfeiertage).

Hintergrund: Heiderose Gärtner-Schultz hat 2016 von der EKD die Aufgabe bekommen, durch Tourismusarbeit den Gemeindeaufbau bei der deutschen evangelischen Gemeinde am und rund um den Balaton voranzubringen. Das geschieht durch regelmäßige Gottesdienstangebote, Strandgottesdienste im Sommer sowie Taizé-Andachten. Viele Touristen besuchen seit Jahrzehnten den ganzjährig geöffneten Thermalsee.