Friedensdienst 

Sofortiger Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan gefordert

Pfarrer Detlev Besier von der Arbeitsstelle Frieden und Umwelt. Foto: lk/privat.

Speyer/Duisburg (lk). „Wir unterstützen den Aufruf der AGDF zum sofortigen Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan. Zudem fordern wir die politisch Verantwortlichen auf, den Afghanistan-Einsatz zeitnah aufzuarbeiten und Konsequenzen für zivile Konfliktlösungsangebote zu ziehen“, kommentiert der pfälzische Friedenspfarrer Detlev Besier den Appell der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF).

Gemeinsam mit anderen Organisationen hat die AGDF die Bundesregierung aufgefordert, die Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen. „Aufgrund des langjährigen militärischen Mitwirkens am Krieg in Afghanistan trägt Deutschland eine besondere Verantwortung für das Land“, so der AGDF-Geschäftsführer Jan Gildemeister. „Viele Menschen flüchteten vor Krieg, Menschenrechtsverletzungen, Armut und Perspektivlosigkeit“, betonte er. Doch trotz dieser katastrophalen Situation in Afghanistan würden weiterhin Geflüchtete abgeschoben und damit einer Lebensgefahr ausgesetzt.

„Die Bilanz des langjährigen Einsatzes von Militär westlicher Staaten ist ernüchternd“, sagt Gildemeister: Die Taliban hätten nach Beginn der militärischen Intervention vor 20 Jahren schnell als besiegt gegolten, seien aber nach Abzug der meisten US-Truppen aus ihrem pakistanischen Rückzugsgebiet wieder zurückgekehrt. Sie würden mittlerweile immer mehr Gebiete in Afghanistan kontrollieren. Der AGDF-Geschäftsführer: „Bis heute gibt es in dem Krieg sehr viele Opfer, aber keine Sieger. Die soziale Lage ist miserabel, Armutsniveau und Arbeitslosigkeit sind heute sehr wahrscheinlich schlechter als 2001, also zu Beginn des aktuellen Krieges.“

Mittlerweile vergehe kaum ein Tag ohne Anschlag in Afghanistan. Seit dem Abzug der NATO-Truppen seien die Taliban auf dem Vormarsch: etwa die Hälfte der Bezirke in Afghanistan stehe schon unter ihrer Kontrolle oder sei umkämpft, betonen die Organisationen, die sich an dem Aufruf zum Stopp der Abschiebungen beteiligen. Die dritte Welle der Covid-19-Pandemie verschärfe die humanitäre Situation im Land zusätzlich. „Die Lage am Hindukusch ist dramatisch und wird sich aller Voraussicht nach weiter verschlechtern“, heißt es in dem Aufruf.

Ein Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan sei vor diesem Hintergrund dringend geboten. Die afghanische Regierung habe bereits im Juli die europäischen Staaten aufgefordert, vorläufig keine Abschiebungen mehr durchzuführen. Norwegen, Finnland und Schweden seien dieser Aufforderung nachgekommen. Auch die Grenzschutzagentur Frontex habe Anfang August bekanntgegeben, keine Abschiebungen nach Afghanistan mehr unterstützen zu wollen. Zudem habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Eilentscheidung am 2. August eine Abschiebung aus Österreich nach Kabul, die ursprünglich gemeinsam mit Deutschland stattfinden sollte, mit Verweis auf die dortige Sicherheitslage gestoppt.

„Auch Deutschland darf die Augen vor der sich immer weiter verschlechternden Lage in Afghanistan nicht verschließen und muss alle Abschiebungen einstellen“, betonen daher die Organisationen. Rechtsstaat heiße, dass grundlegende menschenrechtliche Prinzipien eingehalten und nicht in einem Wahlkampf zur Verhandlung gestellt werden. Das völkerrechtliche Non-Refoulement-Gebot, das Abschiebungen bei zu erwartenden schwersten Menschenrechtsverletzungen verbiete, gehöre hierzu. Dieses Abschiebungsverbot gelte für alle Menschen, unabhängig von ihrem individuellen Verhalten.

An dem Aufruf zum Stopp von Abschiebungen nach Afghanistan sind die folgenden Organisationen beteiligt: AG Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein, Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter (ACAT), Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF), Amnesty International, AWO Bundesverband, Brot für die Welt, Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAFF), Bundesweites Bündnis gegen Abschiebungen nach Afghanistan, Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland, Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland, KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Landesflüchtlingsräte, medica mondiale, medico international, Misereor, Neue Richtervereinigung, Nürnberger Menschenrechtszentrum, Oxfam Deutschland, Pro Asyl, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), Seebrücke, terre des hommes Deutschland, Women´s International League for Peace and Freedom (WILPF), YAAR.