Was bleibt vom ÖRK? 

Sieben Fragen, sieben Eindrücke

Kirchenpräsident Welman Boba mit Oberkirchenrätin Marianne Wagner (Foto: lk)

Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst mit Pfarrer Florian Gärtner (Foto: lk/landry)

Die Versammlung der Weltkirchen ist zu Ende gegangen. Die Ökumene-Bewegung geht weiter. Nur wohin? Antworten von Menschen, die diese Frage besonders bewegt. 

Speyer (lk). "Ökumene weltweit ist dran", meint Barbara Kohlstruck, „weil wir vorleben können, wie friedliches Zusammenleben geht, bei aller Verschiedenheit. Schon bei unserem gesungenen `laudate omnes gentes´ am Bahnhof sprang ein Funke über." Die ehemalige Dekanin war mit einem ökumenischen Team in Ludwigshafen Gastgeberin für einige Delegierte des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK). 

Die Vollversammlung des ÖRK hat bis zum vergangenen Donnerstag in Karlsruhe getagt. Das Pfälzer Gastprogramm am 3. und 4. September mit sechs Exkursionen in der Region und einem ökumenischen Festgottesdienst in Speyer hat nicht nur Pfarrerin Kohlstruck als bereichernd empfunden. Weltweit gemeinsam unterwegs zu sein, verbunden in Christus. Das war das Grundgefühl der Gastgeber und Gäste – und zugleich Motto der Vollversammlung: „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“. 

Ökumene-Bewegte

Was bewegt Menschen, die der Pfälzer Landeskirche und der Ökumene nahestehen, nach dem Ereignis in Karlsruhe? Sieben Fragen an vier kirchenleitende Personen: Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst. Oberkirchenrätin Marianne Wagner, zuvor für die Weltmission beim Missionarisch Ökumenischen Dienst (MÖD) Landau tätig. Ihr Nachfolger und Leiter des MÖD, Pfarrer Florian Gärtner. Der langjährige MÖD-Mitarbeiter, Welman Boba. Inzwischen Kirchenpräsident seiner Heimatkirche, der Christlich-Evangelischen Kirche von Sangihe Talaud - einer Inselgruppe in Indonesien. 

1. Was war eindrücklich?

Wüst: Eindrücklich war für mich der Blick über den Tellerrand. Es ist schon etwas ganz Besonderes, `once in a lifetime´ dabei zu sein, wenn die christliche Welt bei uns zu Gast ist. Und gleichzeitig zu erleben, wie vielfältig, bunt und lebendig christlicher Glaube ist – eben nicht nur bei uns.

Wagner: Am Ende des Empfangs von Mission 21 sprach Rt. Reverend James Makuei, Moderator der Presbyterian Church of South Sudan, ein bewegendes Schlussgebet. Es war getragen vom Mitgefühl für die Leidenden dieser Welt.

Gärtner: Der Kirchenpräsident von Papua, Andrikus Mofu, beschreibt in einem Workshop, dass er nicht weiß, ob sie als Papuas in 20 Jahren noch existieren werden. Während er noch vor 20 Jahren mit großer Hoffnung davon gesprochen hat.

Boba:  Ich habe mich sehr gefreut, dass indonesisch inzwischen eine der fünf Sprachen der Konferenz ist. Mich bewegt auch die Buntheit. Hier sieht man deutlich, dass Christus viele Gesichter hat. 

2. Was hat mir gefehlt?

Wagner: Mehr Live-Streams und digitale Beteiligung, etwa bei Bibelarbeiten oder Gottesdiensten. Wer nicht nach Karlsruhe fahren konnte, hatte wenig Chancen, etwas mitzukriegen.

Boba: Was mir gefehlt hat, war das traditionelle „Kostüm“ von jeder Nation. Besonders beeindruckt mich das verschiedene Amtsgewand von verschiedenen Konfessionen.   

3. Wird das Treffen konkret etwas bewirken?

Wüst: Ich bin mir nicht sicher, wieviel Resonanz dieses Ereignis in unsere Kirche und in unsere Gesellschaft hinein hat. Ich hätte mir mehr mediale Aufmerksamkeit erhofft, weil es ja schließlich auch um Themen ging, die nicht unerheblich sind, wie Klimakrise oder Friedensfragen.

Wagner: Ja, wenn die Kirchenvertreter ihre Erfahrungen zuhause einbringen. Und wenn an der Basis mehr zwischenkirchliche Kontakte gelebt werden. Wir können viel voneinander lernen. Zum Beispiel von der Spiritualität unserer Glaubensgeschwister im Alltag.

Gärtner: Ich hoffe, dass wir die Globalität des christlichen Glaubens neu entdecken und zusammen Hoffnung in die Welt bringen. Dazu müssen die christlichen Kirchen auch wieder näher in Kontakt zu den europäischen Gesellschaften kommen.

Boba: Ich finde schon. Die Konferenz ist nicht `the assembly of articulation´ sondern `of action´. Schon die täglichen Themen der Bibelarbeit haben die Teilnehmenden tief bewegt. Das bewirkt etwas. 

4. Was fordert die Weltkirchen am meisten heraus?

Wagner: Für mich liegt die Herausforderung darin, in den Krisen dieser Welt den Menschen Hoffnung zu machen. In allem Krisenhaften, in allem Dunkel sollte auch die Freude aufscheinen, dass wir zu Christus gehören.

Boba: Ganz konkret: Die ökologische Krise zu überwinden, Frieden zu stiften in vielen Nationen. Und da die Welt von unterschiedlichen Religionen beeinflusst ist, brauchen wir dringend den Dialog, um gemeinsam zu handeln. 

5. Müssen die Kirchen in Krisenzeiten politischer werden?

Wüst: Nahostpolitik, Ukrainekrieg, Klimakrise. Um diese Themen und die richtigen Wege muss gerungen werden, aktiv und auch politisch. Aber bei allen unterschiedlichen Positionen gehört zu unserem Glauben, Versöhnung und Einheit zu suchen. Das war deutlich zu spüren.

Wagner: Die Kirche ist in die Welt geschickt, um für das Leben einzustehen, in Ehrfurcht vor allem Lebendigen. Dabei soll aber die Antriebskraft durch den heiligen Geist spürbar werden, sonst werden wir zu NGOs. (*non-governmental organizations, „Nichtregierungsorganisationen“)

Gärtner: Es gibt schon sehr gute theologisch politische Aktivitäten, aber es gilt, die Menschen für unsere Fragen und Antworten zu begeistern. Ich glaube, wir müssen menschenorientierter werden.

Boba: Bei einem positiven Verständnis von Politik, ja, da sollten die Kirchen angesichts der globalen Krisen aktiver sein.  

6. Konnte der erhoffte Friedensimpuls für die Ukraine nur scheitern?

Wagner: Nein, in einer solch extremen Konfliktlage ist es schon ein Erfolg, wenn verfeindete Parteien in einem Raum bleiben, reden, Kerzen anzünden und beten.

Gärtner: Es kann ja nur mit Dialog und Gebet gehen. Die christliche Hoffnung ist eine friedliche Hoffnung. Bei allem Krieg, Brutalität und Unverständnis das Gespräch nie in Frage zu stellen, ist Teil der christlichen Friedensethik.

7. Leben sich die Kirchen in aller Welt noch weiter auseinander?

Wagner: Wir haben von Christus den Auftrag, zusammen zu wachsen, `damit die Welt glaube´.  Ich hoffe, dass die Menschen der verschiedenen kirchlichen Traditionen sich besser kennenlernen. Und dass wir aushalten, dass es immer unterschiedliche Meinungen und theologische Positionen geben wird.  

Gärtner: Tja, ich glaube, wir werden noch eine Phase der Ausdifferenzierung und damit auch Entfremdung erleben. Aber ich sehe auch viel Bewegung und Dynamik aufeinander zu. Dazu muss uns Gottes Geist helfen und wir sollten ihm zumindest nicht im Wege steh´n.

Boba: Da die Kirche nicht von Menschen geleitet wird, sondern von Gott selbst, bin ich Optimist und zuversichtlich, dass die Kirche trotz aller Probleme weiter zusammenwachsen wird. 

„Für alle, die diese Tage in Karlsruhe und beim Gastprogramm miterlebt haben, werden sie unvergessen bleiben“, fasst Dorothee Wüst ihre Eindrücke zusammen, „allein schon wegen der mitreißenden Gottesdienste, in denen der gute Geist dieser Versammlung mit Händen zu greifen und mit der Seele spürbar war.“ 

Die Vollversammlung des ÖRK tagte erstmalig in Deutschland, vom 31. August bis zum 8. September in Karlsruhe. Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der bayrische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm wurde zum neuen Vorsitzenden des ÖRK-Zentralausschusses gewählt. Er ist der erste Deutsche in dieser Position.