Kirchenpräsidentinnenwahl 

Sieben Fragen an … Kandidatin Dorothee Wüst

Kandidiert für das Amt der pfälzischen Kirchenpräsidentin: Dorothee Wüst. Foto: Landry/lk.

Speyer (lk). Zur Wahl für die Nachfolge von Kirchenpräsident Christian Schad ab März 2021 stehen (in alphabetischer Reihenfolge): Albrecht Bähr, Marianne Wagner und Dorothee Wüst. Die Wahl findet bei der Landessynode am 19. September 2020 in Speyer statt und wird live im Internet übertragen.

Dorothee Wüst ist seit 2019 Oberkirchenrätin der pfälzischen Landeskirche. Sie ist zuständig für Schul- und Bildungsfragen und als Gebietsdezernentin verantwortlich für die Kirchenbezirke Homburg, Kaiserslautern, Kusel, Pirmasens und Zweibrücken. Wüst ist 55 Jahre alt und wohnt in Kaiserslautern.

Frau Wüst, in welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Lebendig fühle ich mich immer, wenn sich etwas bewegt: Menschen begegnen sich, vernetzen sich, haben gute Ideen, entwickeln Projekte, wollen etwas zum Guten verändern, lassen sich ermutigen, machen sich gemeinsam auf den Weg, sehen das Glas halb voll, streiten konstruktiv, stellen eigene Belange hintenan, schreiten mutig voran auf dem Weg wohlgeprüfter Wahrheit, fühlen sich getragen von Gottes Geist und haben Vertrauen, dass keiner von uns alleine Kirche ist. Das sind großartige Momente, in denen ich Leben pur spüre. Und in vielen kostbaren Momenten fühle ich mich in der Welt der Musik lebendig, die mein Herz ganz anders erreicht als alle Worte und meiner Seele das Gefühl gibt, den Himmel zu berühren.

Wie stellen Sie sich Gott vor?

Ich stelle mir Gott gar nicht vor. Jedenfalls nicht so, wie es der Kinderglaube tut. Ich halte mich an Bilder, mit denen mir die Bibel hilft. Hier ließen sich viele aufzählen. Eines der schönsten ist das, von dem im 1. Buch der Könige erzählt wird: Der Prophet Elia verbirgt sich in einer Höhle und wartet auf eine Gottesbegegnung. Er erlebt Sturm, Erdbeben und Feuer. Aber in all diesen mächtigen Phänomenen kann er Gott nicht finden. Erst in einem stillen Sausen spürt Elia, dass er es mit Gott zu tun hat. Und das verändert sein Leben. Aus dieser Geschichte lerne ich zweierlei für mein Verständnis von Gott: Er begegnet mir unter Umständen genau dann und dort, wo ich es gar nicht vermute, und vielleicht ganz anders, als ich es vermute. Aber wenn das geschieht, hat es Wirkung, verändert es mich.

Was schätzen Sie an unserer Kirche?

Zunächst einmal schätze ich etwas, das biografisch gewachsen ist: Über all die Jahre an verschiedenen Stationen meines Berufswegs sind mir viele Menschen zu Weggefährtinnen und Weggefährten geworden. Unsere Landeskirche ist für mich ein großes Netzwerk von Menschen, wo über die Zeit Beziehungen wachsen und tragen und etwas austragen, weil man einander kennt und achtet. Wir haben verschiedene Ansichten und Meinungen, leben unterschiedlich unseren Glauben, aber im Geist der Union von 1818 wissen wir, dass nicht Dogmatismus unsere Entscheidungen leiten soll, sondern Menschenfreundlichkeit und Gottvertrauen.

Was fehlt Ihnen in unserer Kirche?

Wir diskutieren viel über Strukturen, die uns zukunftsfähig machen, über Geld, das uns fehlt, und über Menschen, die nichts mehr von uns wissen wollen. Aber wir reden bei weitem nicht so intensiv über das, was uns trägt und hält. Wir sind nicht irgendein Verein, der aus ökonomischen Gründen um Mitglieder buhlen muss, sondern die Kirche Jesu Christi, die eine Botschaft auszurichten hat. Moderner gesagt: Wir haben den Auftrag, das Evangelium zu kommunizieren in Wort und Tat, und die Menschen müssen spüren, dass das unser Hauptanliegen ist. Nicht um der Kirchensteuer willen, sondern um der Menschen willen. Und dazu braucht es Selbstbewusstsein und Gottesbewusstsein – und beides ist eng miteinander verwandt.

Wie viel Leitung braucht die Landeskirche?

Unsere Landeskirche braucht klare Rollenverteilungen und Funktionen, eine davon ist Leitung. Die hat die Aufgabe, Überblickswissen zu haben, Entscheidungsprozesse zu moderieren und gute Entscheidungen auszuhandeln. Von Leitung darf man erwarten, dass sie einerseits zuhören kann und kompromissfähig ist und andererseits eine eindeutige Linie erkennen lässt, die sie auch gut begründen kann. Gerade in einem presbyterial-synodalen System, das möglichst viele Perspektiven repräsentieren will, braucht es Leitung, die aus verschiedenen Tönen Musik werden lässt. Im Bild: Chöre brauchen Dirigenten, und das gerade dann, wenn das vielstimmige Lied eben nicht von Anfang an feststeht, sondern sich im Fluss entwickelt und trotzdem schön klingen soll.

Können wir die Welt noch retten?

Wir müssen die Welt gar nicht retten, weil unser Glaube uns sagt, dass Gott das tut. Unsere Aufgabe ist es, ihn dabei zu unterstützen und ihm nicht auch noch ins Handwerk zu pfuschen. Leider tun wir das an vielen Stellen, treten das, was er so großzügig schenkt, kurzsichtig und kleingläubig mit Füßen, lassen uns von Furcht leiten statt von Kraft, Liebe und Besonnenheit. Eine Bewegung wie „Fridays for future“ hat uns gelehrt, dass es anders gehen kann, dass Position und Zivilcourage etwas austragen können. Und unsere christliche Geschichte ist voll von Beispielen, wo Menschen für Werte, die ihnen wichtig sind, so mitreißend eingetreten sind, dass es etwas ausgetragen hat. Davon lasse ich mich gerne inspirieren.

Was steht auf Ihrer Bucket List? Was möchten Sie in Ihrem Leben noch tun?

Ich bin schon sehr zufrieden mit dem, was ich habe: eine Familie, die mich liebt und unterstützt, einen Beruf, der mich erfüllt und ausfüllt, und mein Klavier, das immer auf mich wartet, wenn ich Entspannung suche. Aber neben meinem Klavier steht eine Trompete, die ich noch gar nicht gut spielen kann. Das will ich noch lernen und träume davon, beim Landesposaunentag oder beim Kirchentag mit vielen anderen Musik zu machen, die keine Mauern einstürzen lässt, aber zu Herzen geht und zum Himmel steigt. Eine andere Geschichte sind Hunderte von Rundfunkandachten, aus denen ich gerne das ein oder andere Büchlein gestalten würde. Kommt Zeit, kommt Traum.