Seit vierzig Jahren ganz nah an den Menschen
Kaiserslautern (lk/is). „Das Unerhörte hören“: Auf diesen kurzen Nenner bringt Pfarrer Peter Annweiler, evangelischer Leiter der Telefonseelsorge Pfalz, den Auftrag der vor vierzig Jahren in Kaiserslautern ökumenisch gegründeten Einrichtung. Unter den Rufnummern 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222 oder per Chat unter www.telefonseelsorge-pfalz.de sorgen heute 90 ehrenamtliche Mitarbeiter für ein kostenfreies Beratungsangebot, das anonym und rund um die Uhr erreichbar ist. Mit einer Lesung der Kölner Autorin und Journalistin Sabine Bode zum Thema Kriegstraumatisierung eröffnet die Telefonseelsorge Pfalz am 25. März im Gemeindezentrum Alte Eintracht in Kaiserslautern das Jubiläum ihres 40-jährigen Bestehens. Bode liest aus ihrem Buch „Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen“. Im Anschluss an die Lesung, die um 19 Uhr beginnt, besteht Gelegenheit zum Gespräch.
Die Telefonseelsorge Pfalz mit Sitz in Kaiserslautern wurde 1979 gegründet und wird von der Evangelischen Kirche der Pfalz und der Diözese Speyer gemeinsam getragen. Die Einrichtung führe pro Jahr etwa 10.000 Seelsorge- und Beratungsgespräche, sagt Annweiler, der mit der Pädagogin Astrid Martin und der Psychologin und Theologin Ursula Adam von der Diözese Speyer die ökumenische Telefonseelsorge Pfalz leitet. Gegründet worden sei die Telefonseelsorge vor allem, um Suizid als gesellschaftlich verdrängtes Problem aufzugreifen.
Die Kommunikation sei beidseitig anonym. Das soll die Hemmschwelle senken und ein Gefühl der Sicherheit geben. „Dennoch gibt es da eine unglaubliche Nähe und Direktheit“, sagt Annweiler, „am Telefon ebenso wie beim Chatten.“ Aber man müsse sich auch als Seelsorger von den Problemen abgrenzen können. „Wir sind keine Therapeuten.“ Gesprächskompetenz sei ebenso wichtig wie die Fähigkeit, die Unterhaltung zu steuern und zu klären, was der Anrufer möchte, ihn wertzuschätzen und Empathie zu zeigen.
Die vier Grundsäulen der Telefonseelsorge sind „Dasein, Standhalten, Trösten und Stärken“. Gerade im Chat, wo die Anonymität noch größer sei als im Gespräch am Telefon, stünden Selbsttötungsgedanken im Vordergrund, sagt der Pfarrer. Durch die mobilen Möglichkeiten der Kommunikation würden Anrufer und Chatter ihre Hilferufe nicht mehr nur von zuhause aus an die Telefonseelsorge richten. „Wer sich bei uns per Chat meldet, kommt schnell zur Sache“, sagt Annweiler. Das stelle ganz neue Herausforderungen an die ehrenamtlichen Mitarbeiter. Anrufe oder Chats traumatisierter Flüchtlinge würden selten bei der Telefonseelsorge eingehen, schildert Annweiler. Dazu seien „die Sprachbarrieren zu groß“. Eher kenne man Entlastungsgespräche für engagierte Ehrenamtliche aus der Flüchtlingshilfe. In speziellen Fällen würden die Anrufer auch an die Islamische Seelsorge in Berlin verwiesen.
Um ehrenamtlicher Telefonseelsorger zu werden, muss eine eineinhalbjährige Ausbildung mit 200 Unterrichtsstunden absolviert werden. Bestandteile darin sind Selbsterfahrung, Gesprächsführung und Fragen, die häufig bei der Telefonseelsorge zur Sprache kommen. Nach der Hospitation erfolgt schließlich die Zulassung als Telefonseelsorger. „Wünschenswert ist es, wenn unsere Bewerber Lebenserfahrung und Offenheit mitbringen“, sagt Annweiler. Im Auswahlgespräch werde auch Wert darauf gelegt, wie gut sich die Bewerberin oder der Bewerber in andere Menschen einfühlen kann. Der Ausbildungskurs wird alle zwei Jahre durchgeführt, der nächste beginnt Anfang 2020. Interessenten können sich darüber am 29. Oktober 2019 von 19 bis 21 Uhr in der Volkshochschule Kaiserslautern (Kanalstraße 3) informieren.
Unter dem Namen „Ärztliche Lebensmüdenberatung“ startete 1956 in Berlin ein Beratungsangebot, das sich bundesweit zu einem ökumenischen Netzwerk mit über 100 Telefonseelsorge-Stellen entwickelt hat. Mit sorgfältig ausgewählten und ausgebildeten ehrenamtlichen Mitarbeitern bietet die Telefonseelsorge als einzige Organisation ihre Dienste 24 Stunden als sofort erreichbares und niedrigschwelliges Angebot an. Seit über 20 Jahren sind auch über Mail und Chat Beratungen zu erhalten. Derzeit werde eine bundesweite Seelsorge-App entwickelt, an der sich auch der Freundes- und Förderkreis der Telefonseelsorge Pfalz beteiligen wolle, so Annweiler.
Hinweis: Ein Festakt „40 Jahre Telefonseelsorge Pfalz“ mit Kirchenpräsident Christian Schad und Bischof Karl-Heinz Wiesemann findet am 18. Oktober um 17 Uhr in der Kirche St. Martin in Kaiserslautern statt. Im Anschluss ist ein Empfang in der Alten Eintracht geplant.
Die Telefonseelsorge ist bundesweit unter den Rufnummern 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222 erreichbar sowie online zur Chat- und E-Mail-Beratung unter www.telefonseelsorge-pfalz.de.