Gemeinsame Erklärung der Leitenden Geistlichen der Landeskirchen zur aktuellen Situation der Flüchtlinge 

Schad: Willkommenskultur braucht auch eine Willkommensstruktur

Kirchenpräsident Christian Schad. Foto: Landeskirche/Landry

Speyer/Hannover (lk). Als ein deutliches Signal für einen respektvollen und Wert schätzenden Umgang mit Menschen auf der Flucht hat Kirchenpräsident Christian Schad die gemeinsame Erklärung der Bischöfe und Kirchenpräsidenten der evangelischen Landeskirchen in Deutschland zur aktuellen Situation der Flüchtlinge gewertet. Darin treten die zwanzig Kirchenvertreter dafür ein, „dass Europa jetzt gemeinsam handelt und seinen humanitären Verpflichtungen gemeinschaftlich nachkommt“. 

In der sechs Punkte umfassenden Erklärung danken die Leitenden Geistlichen den ehrenamtlich und beruflich Engagierten aus Kirche, Zivilgesellschaft, Staat und Politik, die mit einem beispiellosen Einsatz für die schnelle und menschenwürdige Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen sorgten. Aufgabe der Kirche sei es, neben einer Willkommenskultur „auch die damit verbundene Integration zu einer zentralen Aufgabe unserer Gemeinden und Einrichtungen zu machen“.

Schad zeigte sich erfreut, dass es in der Pfalz und Saarpfalz inzwischen kirchliche Engagements gebe, die Räume offen hielten für Flüchtlinge und gleichzeitig die Begegnung von Mensch zu Mensch ermöglichten. „Hier wird nicht abstrakt über das Flüchtlingsproblem diskutiert, sondern konkret Menschen geholfen“, so der Kirchenpräsident, der Sprachkurse zur besseren Integration ebenso als Beispiel nannte wie die Begleitung bei Behördengängen. „In der ehrlichen Begegnung erkennt man den Anderen als Menschen mit gleicher Würde“, sagte Schad.

Der Kirchenpräsident betonte jedoch, dass zu einer Willkommenskultur auch eine Willkommensstruktur mit gleichen Standards für ganz Europa nötig sei. Zu diesen Strukturen gehörten nicht nur die gerechte Verteilung der Flüchtlinge, sondern auch der Zugang zum Arbeitsmarkt sowie zum Bildungs- und Gesundheitssystem. „Integration muss zu einem Thema der Migration werden – und darf nicht nur ein überfälliges Einwanderungsgesetz betreffen“, sagte der Kirchenpräsident.

Schad verwies zudem auf die Aktivitäten der Landeskirche und ihrer Diakonie, die mit Flüchtlingsberatungsstellen, Migrationsfachdiensten und Fachberatungsstellen für die Zuflucht suchenden Menschen da seien. Er dankte den Ehrenamtlichen aus den Kirchengemeinden, freien Initiativen und Vereinen, für die es humanes Gebot und religiöse Verpflichtung sei, dem fremden Nächsten zu helfen.

Mit der Erklärung „Zur aktuellen Situation der Flüchtlinge“ haben sich erstmals seit Bestehen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Leitenden Geistlichen in einem gemeinsamen Statement zu Wort gemeldet.

 

Die Erklärung im Wortlaut:

Zur aktuellen Situation der Flüchtlinge. Eine Erklärung der Leitenden Geistlichen der evangelischen Landeskirchen Deutschlands

„Wie köstlich ist deine Güte,
Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!“
(Psalm 36, 8)

1.   Gott liebt alle seine Geschöpfe und will ihnen Nahrung, Auskommen und Wohnung auf dieser Erde geben. Wir sehen mit Sorge, dass diese guten Gaben Gottes Millionen von Menschen verwehrt sind. Hunger, Verfolgung und Gewalt bedrücken sie. Viele von ihnen befinden sich auf der Flucht. So stehen sie auch vor den Toren Europas und Deutschlands. Sie willkommen zu heißen, aufzunehmen und ihnen das zukommen zu lassen, was Gott allen Menschen zugedacht hat, ist ein Gebot der Humanität und für uns ein Gebot christlicher Verantwortung.

2.   Der Mensch steht im Mittelpunkt aller Bemühungen. Viele Menschen sind weltweit auf der Flucht. Die große Herausforderung besteht darin, jedem Einzelnen gerecht zu werden.
In ihrer Not begeben sich Menschen auf der Flucht in Lebensgefahr. Es ist humanitäre Pflicht, alles zu tun, um Menschen aus Seenot und vor anderen Gefahren zu retten. Gegen menschenverachtende Schlepperbanden und mafiöse Strukturen innerhalb und außerhalb Europas muss mit polizeilichen Mitteln vorgegangen werden.
Die wirksamsten Maßnahmen gegen die Gefahren auf der Flucht bestehen in legalen Zugangswegen nach Europa. Wir fordern deshalb legale Wege für Schutzsuchende und begrüßen Diskussionen über ein Einwanderungsgesetz, das neue Zuwanderungs-möglichkeiten für Menschen auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben eröffnet.

3.   Unsere Gesellschaft steht vor einer großen Herausforderung, aber auch unsere Kräfte sind groß. Wir sind dankbar für die vielfältige Hilfsbereitschaft! Allen, die ehrenamtlich oder beruflich, aus Kirche, Zivilgesellschaft, Staat und Politik helfen, eine Willkommenskultur zu leben und mit einem beispiellosen Einsatz für die schnelle und menschenwürdige Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen zu sorgen, danken wir von ganzem Herzen!
Mit Entschiedenheit wenden wir uns gegen alle Formen von Fremdenfeindlichkeit, Hass oder Rassismus und gegen alles, was eine menschenfeindliche Haltung unterstützt oder salonfähig macht. Sorgen und Angst vor Überforderung müssen ernst genommen werden, dürfen aber nicht für menschenfeindliche Stimmungen missbraucht werden.

4.   Als Kirche prägen wir das Zusammenleben in dieser Gesellschaft mit. Daher treten wir dafür ein, gelebte Willkommenskultur und die damit verbundene Integration zu einer zentralen Aufgabe unserer Gemeinden und Einrichtungen zu machen.

5.   Mit Sorge sehen wir die Hintergründe und Ursachen der Flüchtlingsbewegungen:
Klimaveränderungen, Kriege, Verfolgung, Zusammenbruch staatlicher Gewalt, extreme Armut. In diese Fluchtursachen ist auch unsere Gesellschaft vielfältig durch globale Handelsbeziehungen, Waffenlieferungen und nicht zuletzt durch einen Lebensstil, der die Ressourcen der Erde verbraucht, zutiefst verwickelt. Eine Umkehr von diesen ungerechten Verhältnissen ist an der Zeit.

6.   Uns in Deutschland ist aufgrund unserer Geschichte in besonderer Weise bewusst, welches Geschenk es ist, Hilfe in der Not und offene Türen zu finden. Ohne die Hilfe, die uns selber zu Teil geworden ist, wären wir heute nicht in der Lage, mit unseren Kräften anderen zu helfen.
Wir als Leitende Geistliche wollen uns dafür einsetzen, dass Europa jetzt gemeinsam handelt und seinen humanitären Verpflichtungen gemeinschaftlich nachkommt.
In der Gewissheit, dass Menschen unter Gottes Flügeln Zuflucht haben, bringen wir die Not aller Menschen in unseren Gebeten vor Gott und bitten ihn um Kraft für die vor uns liegenden Aufgaben.

Unterzeichner:

Landessuperintendent Dietmar Arends, Lippische Landeskirche

Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD

Pastor Renke Brahms, Bremische Ev. Kirche

Landesbischof Professor Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh, Ev. Landeskirche in Baden

Bischof Dr. Markus Dröge, Ev. Kirche Berlin-Brandenburg Schlesische Oberlausitz (EKBO)

Kirchenpräsident Dr. Martin Heimbucher, Ev.-ref. Kirche

Bischof Professor Dr. Martin Hein, Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck

Bischof Jan Janssen, Ev.-Luth. Oberkirchenrat

Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July, Ev. Landeskirche in Württemberg

Kirchenpräsident Dr. Volker Jung, Ev. Kirche in Hessen und Nassau

Landesbischöfin Ilse Junkermann, Ev. Kirche in Mitteldeutschland

Präses Annette Kurschus, Ev. Kirche von Westfalen

Kirchenpräsident Joachim Liebig, Ev. Landeskirche Anhalts

Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke, Ev.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe

Landesbischof Ralf Meister, Ev.-Luth. Landeskirche Hannover

Landesbischof Dr. Christoph Meyns, Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig

Präses Manfred Rekowski, Ev. Kirche im Rheinland

Landesbischof Carsten Rentzing, Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens

Kirchenpräsident Christian Schad, Ev. Kirche der Pfalz

Landesbischof Gerhard Ulrich, Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland

 

Hannover, 10. September 201