Luther, Reformation und mehr 

Poesie und Lyrik unter alten Obstbäumen

Dichten und denken unter alten Obstbäumen.

...und am Schreibtisch im Künstlerhaus. Fotos: lk

Von der Umgebung des Künstlerhauses in Edenkoben ließ sich der Lyriker und Essayist zu zahlreichen Gedichten inspirieren. Foto: Oberländer

Edenkoben/Speyer (lk). Nein, als „Lutherpoeten“ sieht er sich nicht. „Das wäre übertrieben“, sagt Harry Oberländer in aller Bescheidenheit. Wir einigen uns auf den Begriff „Lutherstipendiat“. Oberländer ist: Lyriker, Essayist, Poet, Chronist, Journalist, Feingeist und kreativer Kopf. Im Jubiläumsjahr der Reformation war er zudem Stipendiat der Evangelischen Kirche der Pfalz, das Künstlerhaus Edenkoben war für ihn Heimat auf Zeit. Fünfeinhalb Monate stand dort sein Schreibtisch, an den warmen Tagen auch im wildromantischen Garten unter alten Obstbäumen. Dort ließ er seinen Blick schweifen über die Reben zum Wald, vom Hambacher Schloss zur Villa Ludwigshöhe und zur Anna-Kapelle, nach Süden zum Schwarzwald, nach Osten über die Rheinebene nach Speyer, dessen zahlreiche Kirchtürme man von hier aus erkennen kann.

Diese Gegend und die Begegnungen mit ihren Menschen hätten ihn inspiriert, sagt Oberländer. „Ich werde diesen schönen Ort vermissen. Ich fühlte mich hier gut aufgehoben.“ Für den im nordhessischen Weserbergland aufgewachsenen „Landschafts- und Naturliebhaber“ gehörten dazu auch der Wechsel der Jahreszeiten, die Naturerlebnisse und „dramatischen Eindrücke zwischen Himmel und Erde“. Die Tage seien ausgefüllt gewesen mit „Lesen, Schreiben, Fotografieren und Laufen“.

Der 67-jährige studierte Soziologe ist ein profunder Kenner der Reformationsgeschichte. Auf Luthers und dessen Zeitgenossen Spuren hat er nahezu alle Orte der Reformation erkundet, hat recherchiert und viel Material gesammelt. Kürzlich hat er sich die Luther-Ausstellung auf der Wartburg angesehen und war „sehr beeindruckt“. In Luthers Qualen, die dieser als Mönch im Kloster durchlitten habe, könne er sich gut hineinfühlen, sagt der überzeugte Protestant. Bei einer vielbeachteten Pfingstsoiree in der Neustadter Martin-Luther-Kirche hat Oberländer einige der Gedichte und Psalmen vorgetragen, zu denen ihn die Beschäftigung mit dieser Epoche der Religionsgeschichte inspiriert hat. „Zwischen zehn und zwanzig Gedichte“ seien während seines Pfalzaufenthaltes entstanden, manche seien noch unvollständig. Nun will er aus dem Reformationsthema einen zusammenhängenden Essay schreiben. Keine leichte Aufgabe, denn das Thema Luther und Reformation sei „stark besetzt und allgegenwärtig“.

Die Koffer sind gepackt, am nächsten Tag geht es nach Hause zu Ehefrau Irmgard-Maria Ostermann und zurück zu dem „autobiografisch grundierten“ Text, an dem er zurzeit arbeitet. Auf dem Gartentisch liegt ein Buch über Martin Luther: Ein Comicstrip, illustriert und getextet von zwei Italienern, Andrea Grosso Ciponte und Dacia Palmerino. Für die Redaktion zeichnete u.a. Oberländer verantwortlich. Das Buch ist im Rahmen der Reformationsdekade erschienen. Für ihn sei die Arbeit damit eine Art Initialzündung gewesen, sich dem Thema Reformation und Luther auch mal auf ungewöhnliche Weise zu nähern. Die hier und da laut gewordene Kritik, das Reformationsjubiläum werde zu sehr vermarktet, kann Oberländer nicht teilen: Natürlich sei das Jubiläum 500 Jahre Reformation ein großer PR-Event. „Aber das ist legitim“, findet Oberländer und erinnert an Luthers Satz: „Das ist der Teufel in uns, dass niemand genug hat.“

Im Künstlerhaus Edenkoben gibt es eine kleine Gästewohnung. Oberländer kann sich gut vorstellen, als ehemaliger Stipendiat wiederzukommen zu einer der zahlreichen kulturellen Veranstaltungen, die der Träger, die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, anbietet. Hauskater Nero wird ihn dann nicht mehr begrüßen. Oberländer trauert um den ehemaligen „Mitbewohner“. Nero ist während Oberländers Aufenthalt im Künstlerhaus verstorben. Vielleicht widmet ihm der Poet ein Gedicht: „In Memoriam schwarzer Kater Nero.“

Harry Oberländer, geboren 1950 in Bad Karlshafen, hat zahlreiche Gedichtbände und Gedichte sowie Radiofeatures veröffentlicht. Zu seinen bekanntesten Publikationen zählen „Ein paar Dinge, von denen ich weiß“, „Garten Eden“, „Luzifers Lightshow“ und „chronos krumlov“. Oberländer war Mitbegründer des Hessischen Literaturbüros und Leiter des Hessischen Literaturforums in Frankfurt am Main. Seit 2016 ist er Redakteur der Internetplattform faustkultur.de. Oberländer hat mehrere Auszeichnungen erhalten, u.a. den Leonce-und-Lena-Preis für Lyrik.