Gustav-Adolf-Werk der Pfalz 

Pluralität in Belgien als kirchliches Profil

Theologiestudenten aus Deutschland beim Empfang der Kirchenleitung und Präsident Steven Fuite (hintere Reihe 6.v.r.) der VPKB in Brüssel. Foto: GAW.

Fassade der besichtigten Kirche in Charleroi-Marcinelle. Foto: GAW.

Besichtigung des baufälligen Kirchengebäudes in Charleroi-Marcinelle mit dem Ortspfarrer Emmanuel Coulon. Foto: GAW.

Rumbach/Brüssel (GAW). Wie kann es aussehen, trotz unterschiedlicher Meinungen und Positionen in Achtung und Anerkennung gemeinsam Kirche zu sein? Wie lässt sich Einheit in der Vielfalt und Vielfalt als Einheit erfahren? Solche Fragen beschäftigen nicht nur die protestantischen Kirchen in Deutschland. Sie beschäftigen auch die protestantischen Geschwister in Belgien - und zwar ganz existentiell.

Denn die Vereinige Protestantische Kirche in Belgien (VPKB) ist ein Zusammenschluss verschiedener reformatorischer Kirchen und umfasst Gemeinden unterschiedlichster Frömmigkeitsstile und (theologie)geschichtlicher Prägungen. Der VPKB gehört gerade einmal ein Prozent der belgischen Bevölkerung an. Darum ist es nicht nur für ihren Zusammenhalt nach innen, sondern auch für ihre Wahrnehmung nach außen wesentlich, ob und inwiefern es ihr gelingt, sich nicht in dieser Vielfalt zu verlieren, sondern sie als Stärke und als Chance zu begreifen und gerade ihre Vielfalt als Einheit zu erfahren.

Bei einer Studienreise nach Brüssel, organisiert vom Gustav-Adolf-Werk (GAW), verschaffte sich eine Gruppe deutscher Theologiestudenten, darunter neun aus der pfälzischen Landeskirche, Ende Februar bis Anfang März - noch vor der Corona-Pandemie - einen Eindruck. Bei Begegnungen mit der Kirchenleitung der VPKB und der Fakultät für Protestantische Theologie in Brüssel wurde deutlich, dass neben der inneren Vielfalt auch die Mehrsprachigkeit Belgiens (Französisch, Niederländisch und eine Minderheit Deutsch) eine besondere Herausforderung für die Kirche und die Theologische Fakultät darstellt.

So gibt es an der Fakultät eine französisch- und eine niederländischsprachige Abteilung mit je eigenen Lehrkräften, was einen enormen Aufwand für eine ohnehin kleine Fakultät darstellt. Die Schwierigkeit, (junge) Menschen für das Theologiestudium zu gewinnen, zeigt sich auch in Belgien und wird durch die geringe Größe der VPKB noch verschärft. Daher sucht die Fakultät neue Wege des Lehrens und Lernens. Sie setzt dabei besonders auf E-Learning-Formate, das heißt, die Studierenden können ihre Kursmaterialien zum Beispiel in Form von Videos, im Internet abrufen und bearbeiten diese selbstständig zu Hause oder wo immer sie gerade Zeit dafür finden.

Die deutsche Delegation besuchte eine Gemeinde in Charleroi, etwa 50 südlich von Brüssel entfernt, die das GAW bei Sanierungsarbeiten an ihren Gebäuden unterstützt. Zudem war auch der Besuch des Brüsseler Büros der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) Teil des Programms. Dort erlebten die Studenten, was es auf einer europäischen und ökumenischen Ebene heißt, die Vielfalt christlicher Kirchen zusammenzubringen, ihre Stimme gegenüber den Behörden der Europäischen Union zu vertreten und in die politischen Prozesse einzubringen.

Die Begegnungen in Belgien machten deutlich, wie wichtig Vielfalt für den Protestantismus und das Christentum insgesamt ist. Die Studentendelegation erhielt einen Eindruck davon, Vielfalt als Stärke und Chance zu begreifen. Die Arbeit der VPKB zeigt dabei, dass Pluralität als Profil zu verstehen und zu vertreten ist. Dieser Weg erfordert andauernde Anstrengungen, respektvolles Zuhören, geduldigen Dialog, einen demütigen, aber auch entschlossenen Umgang mit der eigenen Position.

Hintergrund: Seit einigen bietet das GAW jährlich eine Studienfahrt für Theologiestudierende zu einer Partnerkirche in der Diaspora an, um Einblicke zu ermöglichen in das Leben und Wirken evangelischer Minderheiten. Die Ziele sind Städte, an denen auch eine Theologische Fakultät angesiedelt ist, sodass auch die Ausbildungssituation im jeweiligen Land in den Blick kommt.