Nachkriegsgeschichte im Fokus
Speyer/Landau (lk). „Die Kirche und die Täter. Schuld und Vergebung nach 1945?“ ist Titel einer Tagung der Evangelischen Akademie der Pfalz in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Europäische Geschichte, Mainz, am 28. und 29. Oktober im Mutterhaus der Diakonissen Speyer, Hilgardstraße 26. Im Fokus der Tagung stehen Personen wie etwa Hans Stempel, der von 1946 bis 1964 pfälzischer Kirchenpräsident war. Stempel war aber auch Mitglied eines kirchlichen und gesellschaftlichen Netzwerkes, dessen Akteure sich nach 1945 „aktiv um die juristische und gesellschaftliche Rehabilitierung von NS-Tätern kümmerten“, erklärt Akademiedirektor Christoph Picker.
Auch Straßennamen könnten zum Aufreger werden, meint Picker mit Blick auf mehrere nach Stempel benannte Straßen in Landau, Speyer und Steinwenden. Die Straßenbenennungen stünden in der Kritik, weil sich Hans Stempel als Ratsbeauftragter der EKD zur Seelsorge der Kriegsverurteilten für NS-Täter engagiert habe und zeitweise Mitglied des Präsidiums der Stillen Hilfe gewesen sei, einer Hilfsorganisation, die später offen neonazistische Ziele verfolgt habe.
Im Rahmen eines historischen Forschungsprojekts in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Europäische Geschichte beleuchtet die Evangelische Akademie Pfalz das Wirken Hans Stempels und stellt es in einen größeren Zusammenhang: „Wie ging die bundesrepublikanische Gesellschaft nach 1945 mit NS-Tätern um? Welche Rolle spielten dabei die Kirchen?“. Die Tagung thematisiere u.a. die rechtliche und gesellschaftliche (Nicht-)Aufarbeitung der Taten und rücke die kirchliche Nachkriegsgeschichte anhand ausgewählter Beispiele in den Fokus. Unter anderem referieren dazu am Montag, 28. Oktober, um 14.15 Uhr Erich Schunk vom Otto-Hahn-Gymnasium Landau zum Thema „Die Pfälzische Pfarrbruderschaft und der Nationalsozialismus“ sowie Gabriele Stüber und Christine Lauer vom Zentralarchiv der pfälzischen Landeskirche am Dienstag, 29. Oktober, um 9 Uhr zum Thema: „Schuld, Vergebung, Versöhnung – Hans Stempel und sein Einsatz für NS-Täter“.
Hintergrund: Mit dem Projekt „Protestanten ohne Protest“ arbeitet die Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) ihre Rolle in der NS-Zeit auf. Dazu erschien 2016 eine zweibändige Publikation mit gleichem Titel. Eine vom Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz zusammengestellte Wanderausstellung informiert über die Landeskirche und ihre Gemeinden im Nationalsozialismus. Einen Schlussstrich könne es nicht geben, dazu wögen die Verbrechen, die Leiden der Opfer und das Versagen der Kirche zu schwer. Jede Generation stehe neu vor der Aufgabe, sich die Geschichte anzueignen, heißt es dazu auf der Homepage der Wanderausstellung www.protestanten-ohne-protest.de. Sie ist zurzeit in Speyer, Glaspavillon des Rathausrückgebäudes, Maximilianstraße 12, zu sehen (bis 28. Oktober). Öffnungszeiten sind Montag bis Donnerstag, 9 bis 18 Uhr, Freitag 9 bis 13 Uhr, an Feiertagen geschlossen.
Hinweis: Anmeldungen zur Tagung werden bis 17. Oktober bei der Evangelischen Akademie der Pfalz in Landau, E-Mail: info@eapfalz.de, erbeten.