Schulseelsorge 

„Meistens reicht es, den Jugendlichen zuzuhören“

Sind in der Schulseelsorge für Kinder, Jugendliche, Lehrkräfte und Eltern da: Anke Lind (evangelisch) und Thomas Stephan (katholisch). Foto: lk/Schulseelsorge.

Speyer/Ludwigshafen (lk). Es sind die Ausnahmesituationen, auf die Anke Lind vorbereitet ist: Die Mutter einer Schülerin ist verstorben. Ein Mann hat sich auf der S-Bahn-Strecke zur Schule das Leben genommen. Lehrkräfte sind mit dem gesellschaftlichen Druck überfordert. In all diesen Fällen sind Personen wie Anke Lind gefragt. Sie ist evangelische Schulseelsorgerin in Ludwigshafen und kümmert sich mit dem katholischen Kollegen Thomas Stephan vom Bistum Speyer in Situationen und Krisen, die rund um das Schulleben in der Pfalz und Saarpfalz stattfinden, um Schülerinnen und Schüler sowie um Lehrkräfte und Eltern.

Lind ist mit Leib und Seele für Kinder und Jugendliche sowie ihre erwachsenen „Begleitpersonen“ da. Sie schätzt es, über viele Jahre Beziehungen mit den Schülerinnen und Schülern aufzubauen, sie zu begleiten und sie zum Schulabschluss „ins Leben“ zu verabschieden. „Ich bekomme so viel zurück. Manchmal höre ich sogar von den jungen Leuten, wenn sie schon einige Jahre aus der Schule raus sind“, sagt Lind. Seit vielen Jahren ist Lind Pfarrerin im Schuldienst an einer Integrierten Gesamtschule. Seit diesem Schuljahr koordiniert sie die Schulseelsorge der Landeskirche auf einer halben Projektstelle und baut eine kirchliche Begleitstruktur für Schulen und für Schulseelsorgerinnen und Schulseelsorger auf – am besten ökumenisch.

„Meinem Kollegen Thomas Stephan und mir ist klar, dass wir Notfallseelsorge in der Schule ökumenisch aufbauen müssen. Wir werden als ‚die von der Kirche‘ wahrgenommen, da ist die Konfession nicht wichtig“, so die evangelische Pfarrerin. Das zeigt sich beispielsweise an den einheitlichen Jacken, die beide tragen und damit gut erkennbar sind. „Wir sind Gesprächspartner für die Schulen und helfen, zum Beispiel wenn es darum geht, Schülerinnen und Schülern eine Todesnachricht zu überbringen.“

„Die Kompetenzen, die man beispielsweise für Trauerbegleitung einer Schulklasse haben sollte, gehen über die ‚übliche‘ Seelsorge hinaus“, sagt Lind. Manchmal werde in diesen Ausnahmesituationen das ganze System Schule erschüttert. Lind und Stephan wollen dafür ein größeres Team von Notfallseelsorgerinnen und -seelsorgern speziell in der Schule aufbauen. Außerdem ist das kirchliche Schulseelsorgerteam dabei, sich zum Beispiel mit dem Schulpsychologischen Dienst und der Schulsozialarbeit zu vernetzen.

Tod und Trauer als besondere Themen

„Vor allem wenn es um das Thema Tod und Trauer geht, sind wir als Kirchenleute stärker gefragt“, so Lind. Die Beziehungen zu den Kindern und Jugendlichen bauen kirchliche Schulseelsorgerinnen und -seelsorger auch in den Pausen oder im Religionsunterricht auf. Und oft ergeben sich Tür- und Angelgespräche. „Da geht es darum, die Signale der Schülerinnen und Schüler zu deuten, wenn sie etwas mitteilen wollen. Ich frage dann, ob sie ein weiteres Gespräch oder Hilfe brauchen. Doch oft reicht es den jungen Menschen, dass man sie wahrnimmt, sieht und hört“, weiß die Pfarrerin.

Bei schwerwiegenden Themen wie der Isolation der Schülerinnen und Schüler während der Corona-Pandemie oder bei Erfahrungen mit dem Tod baut Lind auf die Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen auf. „Beispielsweise hatten viele im Lockdown Angst, Risikopatienten oder die Großeltern wegen ihrer Schulkontakte anzustecken. Und erkrankte Schülerinnen und Schüler haben nochmal deutlicher Stigmatisierung oder Schuldgefühle erlebt“, so Lind. „Alles Negative hat im Jugendalter eine besondere Stellung. Darauf sollte man mit Vertrauen und Sensibilität reagieren. Schulseelsorge funktioniert v. a. durch Beziehungen zu den Jugendlichen“. Andernfalls komme die Anonymität im Online-Chat den jungen Leuten entgegen: Mittelfristig soll auch eine Chat-Seelsorge eingerichtet werden. Bislang ist dies nur telefonisch möglich.

Lind und ihr katholischer Kollege Stephan sehen ihre Aufgabe zudem darin, auch das Schulpersonal – von der Leitung über staatliche Religionslehrerinnen oder Schulseelsorger bis zum Hausmeister – zu unterstützen. Sie bilden sie auch beim Thema Trauer und Tod weiter und vermitteln beispielsweise, wie man den Kindern und Jugendlichen Nachrichten von Tod und Suizid innerhalb der Schulgemeinschaft überbringt oder es auf der Webseite kommuniziert. Wichtig sei zudem, die eigenen Grenzen zu kennen. „Wir sind keine Therapeuten, sondern nur Begleiter und Seelsorger“, sagt Lind. Sie verweist auf Qualifizierungsmodule im Bereich Schulseelsorge für Lehrkräfte sowie Pfarrerinnen und Pfarrer am Erziehungswissenschaftlichen Fort- und Weiterbildungsinstitut der Evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz (EFWI) in Landau.