ZDF-Chefredakteur: Bürger entwickeln sich vom Konsumenten zum Gestalter von Inhalten 

Medien und Kirchen haben ihr Deutungsmonopol verloren

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, ZDF-Chefredakteur Peter Frey und Kirchenpräsident Christian Schad (von links). Foto: lk

Ebernburg (lk). Das Internet hat nach Auffassung von ZDF-Chefredakteur Peter Frey die klassischen Medien vom Thron gestoßen und dessen Nutzer zur „fünften Gewalt“ werden lassen. Der Einzelne sei mit Hilfe digitaler Medien heute in viel stärkerem Maße in der Lage, seine Meinung in die öffentlichen Debatten einzubringen, sagte Frey bei der „Ebernburger Tischrede“, zu der die drei evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz zusammen mit der Landesregierung eingeladen hatten.

Die klassischen Medien hätten wie die Kirchen ihr Deutungsmonopol verloren, betonte Frey in seiner Rede zum Thema „Medien – allmächtig – allwissend – allüberall“. Demgegenüber werde die Öffentlichkeit immer selbstbewusster und der einzelne Bürger entwickle sich vom passiven Konsumenten zum aktiven Gestalter von Medieninhalten. Aufgabe der Journalisten sei es, Nachrichten zu vermitteln, zu analysieren, einzuordnen und zu erklären. „Medienmarken und Journalisten müssen sich wandeln und sich auf den Nutzer einstellen ohne ihren eigenen Auftrag aufzugeben“, erklärte der ZDF-Chefredakteur.

Frey machte darauf aufmerksam, dass „Google und Co.“ keine neutralen Plattformen seien, sondern Einfluss auf den öffentlichen Diskurs nähmen. Mit Blick auf die Datenkontrolle sprach der Chefredakteur von einem „Allmachtstreben der Konzerne“. Mit jedem neuen Zugriff des Nutzers wachse auch der Zugriff auf den Nutzer, dessen Umwelt und Privatsphäre.

Weitere Gefahren im Netz sieht Frey in unreglementierten Gewaltdarstellungen, Gewaltverherrlichungen und Volksverhetzungen sowie in den Monopolstellungen von Google, Facebook und Co. Der Fernsehchefredakteur forderte klare Regeln in der Netzkommunikation, eine „Straßenverkehrsordnung für die digitale Welt“. Den öffentlich-rechtlichen Auftrag sieht Frey unter anderem in der Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Miteinanders.

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, erinnerte zu Beginn der Tischrede an den Epochenwandel, der mit der Erfindung des Buchdrucks und der Reformation einsetzte. So habe Martin Luther die technische Neuerung seiner Zeit bewusst genutzt, damit „jeder Mensch ungehinderten Zugang zu Gott hat“. Deshalb habe Luther Gottesdienste in deutscher Sprache gefeiert und die Bibel ins Deutsche übersetzt. Der aktuelle Umbruch stelle erneut die Frage nach dem Zugang zu wesentlichen Informationen und nach den Kompetenzen. „Verstehen wir überhaupt, was da geschieht?“, fragte Rekowski.

Die Ebernburger Tischrede ist Teil der Vorbereitungen der evangelischen Kirchen und des Landes Rheinland-Pfalz auf das Reformationsjubiläum 2017. Auf der Ebernburg bei Bad Kreuznach bot Franz von Sickingen den Anhängern Luthers Zuflucht und wurde daher „Herberge der Gerechtigkeit“ genannt. Bereits 1522 wurde in der Burgkappelle erstmals im deutschen Südwesten das Abendmahl mit Brot und Wein gefeiert.