Kirche im Dorf – Nah bei dir
Barbelroth/Speyer (lk). Für Holger Müller, Pfarrer in Barbelroth, geht es um viel: Nicht nur um die Zukunft kirchlich-gemeindlichen Lebens in der ländlich geprägten Südpfalz. Ihm geht es auch um die Zukunft der Kirche insgesamt. „Wie können Strukturen geschaffen werden, in denen sich die Menschen gerne und freiwillig einbringen, um Kirche und Gemeinde zu gestalten, und die nicht ausschließlich auf den Pfarrer und das Presbyterium fokussiert sind?“
Müller, 33, hat die zum Kirchenbezirk Bad Bergzabern gehörende Pfarrstelle mit den Gemeinden Barbelroth-Oberhausen, Kapellen-Drusweiler, Dierbach und Niederhorbach 2017 übernommen und schnell festgestellt: Hier muss noch zusammenwachsen, was in dem 2014 fusionierten Pfarramtsbezirk zusammengehört. Wie das am besten geht, soll in einem LabORAtorium mit dem Titel „Kirche im Dorf – Nah bei dir“ erprobt werden.
„Nur gemeinsam sind wir stark“, ist der Pfarrer überzeugt und hat deshalb auf Initiative einiger Presbyterinnen schon 2019 mit einem Team engagierter Haupt- und Ehrenamtlicher einen Perspektivprozess eingeleitet. 2020 folgte die Anmeldung zum Erprobungsraum der Evangelischen Kirche der Pfalz. Seitdem wird an Konzepten mit dem Fokus auf Zusammenarbeit und kooperatives Zusammenleben – wo immer möglich – gefeilt. Dabei sollen Formen entwickelt werden, die auf mittlere Sicht auch ein strukturelles Zusammenwachsen möglich erscheinen lassen, so Müller.
„Kirche im Dorf – Nah bei dir“ ist Teil der „LabORAtorien“ der Evangelischen Kirche der Pfalz. Die Landeskirche möchte damit kreative Erprobungsräume fördern und neue Formen gemeindlichen Lebens eröffnen. „Dabei geht es um die Ermutigung zu Initiativen missionarischen Gemeindeaufbaus und die Förderung von Zusammenarbeit über bisherige Grenzen hinaus“, erklärt Oberkirchenrätin Marianne Wagner, die für Gemeindeentwicklung und Strukturplanung zuständig ist. „Erprobungsräume setzen auf frische Ideen, Kirche zu leben und zu erleben.“
Ausgangslage in Barbelroth sei ein „relatives Eigenleben“ der Kirchengemeinden gewesen, kaum gezielte Zusammenarbeit, eigene Interessen, die im Mittelpunkt des Handelns stünden und ein „schwerfälliges Gesamtgremium“, heißt es im Konzept für das LabORAtorium. Die Folgen seien „Effizienzverlust, zusätzlicher Aufwand, verlorene Energien, mögliche finanzielle Mehrbelastung, frustrierende Erfahrungen und schleppende Entscheidungen“. Das LabORAtorium gebe nun den zeitlichen Rahmen vor für Dinge, „die wir ohnehin vorhatten“, sagt Müller.
Landesjugendpfarramt und die Evangelische Jugendzentrale Bad Bergzabern als Partner am LabORAtorium beteiligt. Verbesserungswürdig seien der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Presbyterien und Gremien und die projektgebundene Einbindung ehrenamtlich Engagierter. Gerade diese Punkte hätten deutlich mehr Effektivität und Arbeitsentlastung für den Einzelnen zur Folge, erklärt Müller. Kommunikation nach innen und außen, eine eigene Homepage und ein aussagekräftiges Logo gehören, so Müller, ebenfalls zum Konzept.
„Wir haben ein klares Leitbild entwickelt mit den Werten, für die wir stehen.“ Wie können junge Menschen anhand ihrer Gaben und Interessen besser in die Gemeindeleitung einbezogen werden? Wie lassen sich Gemeindemitglieder für die Mitarbeit an Projekten gewinnen? Wie ist das Engagement in kirchenleitenden Gremien mit der Situation der Menschen in einer modernen Lebens-, Arbeits-, Freizeit und Familienwelt vereinbar? Wie kann Verantwortung besser geteilt werden, so dass sich jeder nach seinen Gaben, Fähigkeiten und Professionen angesprochen fühlt? „Letztlich geht es um die Kirchengemeinde als lebendige Gemeinschaft“. Müller, gebürtiger Südpfälzer und seit seinem 13. Lebensjahr als Organist in den pfälzisch-protestantischen Kirchen unterwegs, kennt die Region aus dem Effeff. Er sieht die Kirchengemeinde als „Ermöglichungsraum für Menschen, die Menschen dienen“.
Gerade auch junge Menschen sollen in der Gemeinde einen Platz finden, an dem sie sich ausprobieren und Verantwortung übernehmen können, sagt der Pfarrer. Zugleich seien ihm die Wahrung christlicher Traditionen mit all ihrer Spiritualität und die klassische Gemeindearbeit wichtig. „Dort, wo Veränderungen angestrebt werden, treffen verschiedene Bedürfnisse und Emotionen aufeinander. Zwischen Tradition und Innovation wird es daher immer wichtig sein, die Menschen mit ihren unterschiedlichen Wünschen, Bedürfnissen und Ängsten wahr und ernst zu nehmen.“
Die pandemische Gegenwart habe auch die Südpfälzer „Laboranten“ eingeholt und vieles ausgebremst, sagt Müller. Mit den neu gewählten Presbyterien hätte bereits Anfang des Jahres eine gemeinsame Klausurtagung stattfinden sollen, die aber wegen des Corona-bedingten Lockdowns abgesagt werden musste. „Nun hoffen wir, dass die im Mai neu terminierte Klausurtagung im Martin-Butzer-Haus in Präsenz stattfinden kann. Andernfalls müssen wir erstmal weiter auf Distanz am Zusammenwachsen arbeiten“, sagt Pfarrer Müller und fügt an: „Wir müssen auf Sicht fahren.“