Jugend und Landessynode 

„Junge Menschen warten nicht, bis sie mitreden dürfen“

Wünschen sich mehr gleichberechtigte Mitbestimmung junger Menschen in kirchenleitenden Gremien: Anna-Lea Friedewald, Louisa Neu, Dominic Blauth (v.l.n.r.). Fotos: lk/privat.

Speyer (lk). Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat im Mai für Überraschung gesorgt: Die 25-jährige Anna-Nicole Heinrich wurde zur neuen Präses gewählt. Mehr als 20 Synodale sind unter 27 Jahren. Katja Edelmann hat drei junge Engagierte in pfälzischen Kirchengremien gefragt, ob die Verjüngung auch in unserer Landessynode möglich sei – und unter welchen Bedingungen. Dominic Blauth, Anna-Lea Friedewald und Louisa Neu haben Erfahrungen und Antworten dazu.

Mindestens 20 EKD-Synodale müssen mit dem Beschluss von 2019 zu Beginn der Amtszeit 18 bis 26 Jahre alt sein und haben volles Antrags- und Stimmrecht. Das wird gekrönt durch eine 25-jährige Frau im Präsidium … Wie haben Sie die Verjüngung auf EKD-Ebene aufgenommen?

Dominic Blauth: Es ist faszinierend, wie extrem sich die EKD-Synode verjüngt hat. Die Erwartungen und Beschlüsse der vorigen Legislaturperiode wurden sogar noch übertroffen.

Dagegen haben wir in der frisch gewählten Landessynode der Pfalz ein recht unverändertes Durchschnittsalter von 54 Jahren. Ist die Verjüngung in der pfälzischen Landessynode und im Synodenpräsidium überhaupt möglich?

Anna-Lea Friedewald: Das ist nicht nur möglich, sondern absolut erreichbar. Es braucht aber Anpassungen an die Lebensrealität junger Menschen und eine klare Entscheidung für junge Menschen. Also nicht nur als Dekoration wie auf den Bildern: Da sollen sie gerne vorn in der Mitte stehen, um die Kirche modern aussehen zu lassen – sondern als Entscheiderinnen und Entscheider, als Teilhaberinnen und Teilhaber. Das beginnt in den Presbyterien. In den Kirchengemeinden muss das Fundament für die Partizipation von jungen Menschen gelegt werden – dann gibt es Partizipation bis zur Synode.

Blauth: Mit Blick auf das Präsidium glaube ich aus Erfahrung, dass die Verjüngung möglich ist: Junge Menschen kommen mit vielen Ämtern und Erfahrungen in Gremien. Sie haben eine große Bereitschaft für neue Ämter. Allerdings ist es wichtig, dass sie dabei unterstützt werden.

Was muss passieren, damit sich mehr junge Menschen in kirchenleitenden Gremien – vom Presbyterium über die Bezirkssynode und Landessynode bis ins Präsidium – beteiligen?

Louisa Neu: Gerade in den Presbyterien und in der Bezirkssynode ist es schwer, Anerkennung zu finden. Wenn sich junge Leute nicht ernst genommen fühlen, steigen sie aus. Und sie steigen nicht in zehn Jahren wieder in die Bezirkssynode ein. Wenn ich uns drei so anschaue: Wir sind alle drei Kämpfertypen, lassen uns nicht so leicht unterkriegen, trauen uns, uns durchzusetzen. Wir als junge Generation wollen gefragt werden, was wir denken, was passieren müsste. Dann hätten auch mehr von uns Interesse mitzumachen.

Blauth: Auf der EKD-Synode mit Anna-Nicole Heinrich im neuen Präsidium habe ich Konzepte wahrgenommen, zum Beispiel Tandems, in denen sich erfahrene Menschen mit jungen oder beginnenden austauschen können. Weiterhin braucht es von den Hauptamtlichen der Kirche ein Ja zur Jugend. Für die jungen Menschen im „austrittswilligen“ Alter fehlen Anknüpfungspunkte. Doch das einzige, was junge Menschen von ihrer Kirche in dem Alter wahrnehmen, ist der Kirchensteuerbetrag auf ihrer Gehaltsabrechnung. Da muss man aufpassen, dass man den Anschluss nicht verliert.

Das heißt, die Kirche muss sich seinen jungen Kirchenmitgliedern zuwenden.

Blauth: Die Debatte um den Gottesdienst am Sonntag ist nicht orientiert an den Bedürfnissen von jungen Menschen. Wenn Menschen wegen Beruf, Studium, Weiterbildung nicht mehr in Zweibrücken oder Speyer wohnen, müssen wir es schaffen, dass sie dennoch Teil unserer Kirche sein können. Wir müssen Konzepte finden, zum Beispiel digital. Da war Corona eine gute Chance.

Neu: Ich hab‘ in der Kirche und Jugend die tollsten Menschen kennengelernt. Ich wünsche mir, dass das viele Jugendliche erfahren und Lust auf Kirche haben. Aber dafür muss oben (in der Kirchenleitung) was passieren: Die Welt ist im Wandel, so muss auch Kirche sich wandeln. Man müsste junge Leute stärker fragen, was sie denken, was sie verbessern würden oder brauchen. Man muss ehrlich miteinander reden, mutig sein und ganz unten anfangen. So funktioniert Kirche.

Das erinnert an das „Mutig voran“, das die Landeskirche sich auf die Fahnen geschrieben hat. Was müsste sich ändern, damit mehr Jugendliche mutig zu Wort kommen?

Friedewald: Wir (die Evangelische Landesjugendvertretung) haben in unserem Papier „Beteiligung junger Menschen in kirchenleitenden Gremien“ Handlungsempfehlungen dargelegt, wie man mit der jungen Generation in Dialog treten und Beteiligung fördern kann. Wir haben festgestellt: Junge Menschen wollen mitbestimmen und verändern, wollen mit ihrem Engagement Sinnhaftigkeit erreichen. Doch es ist meiner Meinung nach illusorisch, dass Jugendliche (mit der Beteiligung an der Synode) vorab sechs Jahre ihres Lebens abstecken können. Das passt nicht zur Arbeits-, Lebens- und Familienwelt. Und auch sozialräumlich: Junge Vertreterinnen und Vertreter in Presbyterien brauchen andere Strukturen, zum Beispiel wechselnde Mandate oder Team-Mandate oder aber ein Jugendforum, in dem junge Menschen sich mit interessierten (älteren) Presbyterinnen und Presbytern austauschen könnten.

Da sind wir beim Generationenkonflikt. Was sagen Sie einem Gremium, das mit dem Das-haben-wir-immer-so-gemacht-Argument kommt?

Blauth: Manchmal sage ich flapsig: „Schauen Sie, wohin uns das geführt hat“. Ansonsten begründe ich sinnvoll, warum eine Veränderung ratsam ist und den Aufwand lohnt. Man muss da manchmal die Zähne zusammenbeißen und den Kopf auf stur schalten.

Friedewald: Ich kann die menschliche Haltung von Gewohnheit und Selbstverständlichkeit nachvollziehen. Aber wie soll ein kirchenleitendes Gremium alle Menschen, die dieser Kirche angehören, repräsentieren, wenn in dem Gremium ein homogenes Bild abläuft? Es kann nur funktionieren, wenn alle Meinungen, Ideen und Lösungen, die auch in der Gesellschaft vorkommen, gehört werden. Ob ich zu jung, zu weiblich oder sonst was bin, bringt in dem gesellschaftlichen Diskurs überhaupt nichts. Jede Stimmt zählt.

Sie setzen auf Gleichstellung und rationale Argumentation.

Neu: Ja, natürlich muss man versuchen, sachlich und glaubwürdig zu bleiben. Irgendwann müssen die, die mit „Das war schon immer so“ argumentieren, einsehen, dass es ohne uns nicht geht, dass Kirche ohne uns in Zukunft nicht so aussehen wird, wie sie es wünschen. Wir sind jetzt auf dem Weg, dass sich die Bezirkssynode öffnet und unser Rederecht zu einem Stimmrecht werden könnte. Es hat uns geholfen, uns an Hauptamtliche zu wenden, die zu uns stehen. In meinem Heimatdorf hat es geholfen, mit dem Presbyterium zu reden. Es gibt viele Menschen, die unterstützen.

Ist es schwierig, diese Menschen zu finden? Muss man sie ansprechen oder helfen sie von sich aus?

Friedewald: Ich merke, dass es eine personenabhängige Struktur gibt. Für mich bräuchte es da noch eine viel stärkere jugendorientierte Struktur, in der man auch von sich heraus sagen kann, dass man sich Aufgaben und Ämter direkt zutraut. Denn so eine „Weiterreichungsstruktur“ ist keine feste etablierte Struktur, die junge Menschen mitdenkt.

Blauth: In ersten Synodaltagungen hat viel Netzwerkarbeit stattgefunden: Man durfte kein Essen verpassen! Denn dort lernt man Menschen kennen und sucht sich ganz viele „Allies“ (Verbündete). Ich bin immer noch positiv erschüttert über die überwältigende Mehrheit der Synodalen, die für die Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe entschieden hat. Die Unterstützung funktioniert, aber es braucht nach wie vor zu viel Eigeninitiative von Jugendlichen. Ich kann euch beiden nur mitgeben: Traut euch, auf die Erfahrenen zuzugehen.

Zum Abschluss: Mit welchen Zielen gehen Sie in die neue Synode, Frau Friedewald und Frau Neu?

Friedewald: Mein Motto ist „Mutig voran“. Mit Blick auf die Synode geht es mir um Inhalte, aber auch um Repräsentation. Wenn andere junge Menschen uns sehen, macht es ihnen oft Mut, das auch zu tun. Ich habe erstmal vor, die Synodenarbeit kennenzulernen. Sechs Jahre sind ja genug Zeit.

Neu: Mir geht es ähnlich wie Anna-Lea. Ich möchte die Synodenarbeit kennenlernen und Präsenz zeigen. Ich habe durch meine Gremienarbeit schon etwas Erfahrung, aber freue mich über Unterstützung über eine Art Tandem.

 

Zu den Personen

Dominic Blauth, 32, war von 2015 bis 2020 Jugendsynodaler der Evangelischen Jugend in der Landessynode. Mit Mitte 20 sammelte Blauth im Dekanat Ludwigshafen erste Gremienerfahrungen als Mitglied der Bezirkssynode. Er vertritt die Landessynode in der aktuellen Amtsperiode auf der EKD-Synode. Er arbeitet in Frankfurt.

Anna-Lea Friedewald, 26, engagiert sich seit der Konfirmation in der Evangelischen Jugend. Sie startete als Ehrenamtliche im Dekanat Bad Dürkheim. Später wurde sie Mitglied des Landessprecher*innenkreises. Seit 2015 ist sie Vorsitzende der Evangelischen Jugend Pfalz. Sie bewirbt sich als Mitglied der Landessynode bis 2026 und studiert Europastudien.

Louisa Neu, 21, hat sich nach der Konfirmation im Dekanat Bad Dürkheim als Teamer ausbilden lassen. Darüber hinaus engagiert sie sich im Landessprecher*innenkreis und in der Evangelischen Landesjungendvertretung. In der Bezirkssynode hat sie ein Rederecht, das sie gerne ausweiten würde. In der neuen Landessynode will sie sich als stellvertretende Landesjugendsynodale beteiligen. Sie studiert Digital Media.