Andacht 

In diesen Zeiten ist unser Glaube gefragt

Kaiserslautern/Speyer (lk). Gespräch am Nachbartisch am vergangenen Sonntag. Thema – überraschend – die Corona-Krise. Man ist sich schnell einig, dass die Chinesen an allem schuld sind, und dass das arme Europa das nun ausbaden muss. Und dann geht es um eine geplante Urlaubsreise, die vor der Tür steht, und die man keinesfalls absagen will: „Ich lasse mir doch von einem Virus nicht vorschreiben, wie ich mein Leben zu leben habe.“

Doch, genau das tun wir gerade: Wir lassen uns von einem Virus vorschreiben, wie wir unser Leben zu leben haben. Und das ist auch gut so. Damit wir überhaupt ein Leben zu leben haben. Oder doch wenigstens viele von uns. Corona muss nicht tödlich sein, aber es kann. Wenn Menschen eh schon geschwächt sind und keine hinreichende medizinische Versorgung bekommen können.

Von Tag zu Tag und von Infektionsrate zu Infektionsrate und von Verordnung zu Verordnung mehr wird nun hoffentlich auch dem Letzten klar, dass es nicht um staatliche Schikane geht, sondern um Überlebensstrategien, die von uns allen Solidarität erwarten. Deswegen lasse ich mir derzeit von einem Virus vorschreiben, wie ich zu leben habe. Aber ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich zu glauben und zu hoffen habe.

In diesen Zeiten ist unser Glaube gefragt. Auch ohne persönlichen Kontakt. Wir teilen Gemeinschaft im Gebet. Wir suchen nach Wegen, wie wir einander nah sein können, ohne einander nah zu sein. Wie wir einander berühren können, ohne einander zu berühren. Und das geht. Weil Gott uns nicht den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit gegeben hat. Drei Tugenden, die in diesen Zeiten so überlebensnotwendig sind wie das Einhalten staatlicher Bestimmungen.

Wir brauchen Kraft, die uns durchhalten lässt, was für uns alle so überraschend und überwältigend ist. Wir brauchen Liebe, die nicht auf das Eigene sieht, sondern das Wohlergehen des Anderen im Blick hat. Und wir brauchen Besonnenheit, die abwägen hilft und kluge Entscheidungen treffen lässt. Und vor allen Dingen brauchen wir Vertrauen auf den Gott, der schon so lange Zeit Menschen in Bedrohung beisteht und mit seinem Segen begleitet.

In jeder Krise steckt auch immer etwas Gutes. In dieser Krise möchte ich entdecken, dass Solidarität etwas gilt. Dass noch dem Letzten klar wird, dass „Corona-Parties“ nicht cool, sondern dämlich sind. Dass Verkaufspersonal in Supermärkten Freundlichkeit und Verständnis erlebt. Dass kreative Wege möglich sind, damit gerade die Ärmsten und Schwachen unserer Gesellschaft immer noch ihr Auskommen haben. Dass Wirtschaft und Politik Phantasie entwickeln, um all denen, deren Existenz jetzt nicht nur gesundheitlich, sondern finanziell auf dem Spiel steht, Perspektive zu geben. Dass wir alle eine Gesellschaft erleben, die nicht auseinanderfällt, sondern zusammensteht.

All das kann mir, kann uns ein Virus nicht vorschreiben. Das kann uns in gewisser Weise nur unser Herz vorschreiben. Und das lebt auch vom Gebet. Deswegen zum Schluss ein Gebet im Lied, das mich in diesen Tagen immer wieder begleitet:

Herr, ich komme zu dir, und ich steh vor dir, so wie ich bin.

Alles, was mich bewegt, lege ich vor dich hin.

Herr, ich komme zu dir, und ich schütte mein Herz bei dir aus.

Was mich hindert, ganz bei dir zu sein, räume aus.

Meine Sorgen sind dir nicht verborgen, du wirst sorgen für mich.

Voll Vertrauen will ich auf dich schauen.

Herr, ich baue auf dich! Gib mir ein neues ungeteiltes Herz.

 

Lege ein neues Lied in meinen Mund.

Fülle mich neu mit deinem Geist,

denn du bewirkst dein Lob in mir. Amen.

(Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder, Nr. 51)