Ökumenisches Pfarrkolleg in Rumänien – Viel für Weiterentwicklung der eigenen Kirche gelernt 

Hoffnung angesichts enormer Umbrüche

Orgelführung in der Schwarzen Kirche. Fotos: Borchers/Stubenrauch

Speyer/Sibiu (lk). Seit über 40 Jahren veranstalten das Bistum Speyer und die Evangelische Kirche der Pfalz ein ökumenisches Pfarrkolleg. Alle zwei Jahre sind Pfarrer und Theologen beider Kirchen eingeladen, sich gemeinsam an einem ökumenisch bedeutsamen Ort fortzubilden. Reiseziel in diesem Jahr war Siebenbürgen, eine Region im Herzen Rumäniens.  Der Programmleiter der Evangelischen Akademie in Sibiu/Hermannstadt, Roger Pârvu, der die Studiengruppe begleitete, brachte den 25 Teilnehmern das kirchliche und gesellschaftliche Leben in Siebenbürgen nahe.

Pfarrer Thomas Borchers, der auf protestantischer Seite das Pfarrkolleg organisiert hatte, zeigt sich beeindruckt von der proeuropäischen Einstellung Rumäniens: „Für mich ist durch dieses Pfarrkolleg Europa ein Stück weit größer geworden.“ Für den Verantwortlichen auf katholischer Seite, Ökumenereferent Thomas Stubenrauch, gleicht das Pfarrkolleg den Kundschafterreisen des Volkes Israel: „Wir haben viel von den Kirchen in einem anderen Land gelernt, nehmen diese Erfahrungen als Früchte mit und tragen so zur Weiterentwicklung unserer Kirchen bei.“ Im Folgenden berichtet Borchers von dem Aufenthalt in Siebenbürgen.

„Kleiner werden ist keine Katastrophe“

Mit diesem Motto, so der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Rumänien, Reinhart Guip, reagiere man auf die drastisch sinkende Zahl der Kirchenmitglieder. Guip informierte, dass sich im 16. Jahrhundert fast alle Siebenbürger Sachsen der Reformation angeschlossen haben. 1989 zählte die Evangelische Kirche noch rund 180.000 Gläubige, nach einer Auswanderungswelle nach Deutschland in den Jahren nach der Wende sank ihre Zahl auf heute noch etwa 12.000. Doch, so Guip weiter: „Christen werden nicht gezählt, sondern gewogen“.

Nach einer Phase des Umbruchs und Zusammenbruchs seien heute neue Aufbrüche spürbar: in der Wertschätzung des Religionsunterrichts, im diakonischen Engagement, im Erhalt des kunsthistorischen Erbes. Weil seine Kirche sich für „das Wohl der ganzen Gesellschaft einsetzt“, sei sie ungeachtet ihrer geringen Mitgliederzahl „eine Stimme, die im Land gehört wird“.

Ein konkretes Bild vom Wirken der Evangelischen Kirche Rumäniens konnten sich die Teilnehmer des Pfarrkollegs bei mehreren Besuchen in Gemeinden machen. Pfarrer Christian Plajer, Hausherr der berühmten „Schwarzen Kirche“ in Kronstadt, berichtete von der oft mühsamen Aufgabe, alte Kirchen, aber auch die Immobilien, die den Kirchen nach der Enteignung durch die kommunistischen Machthaber zurückgegeben wurden, zu erhalten.

Daneben lernten die Pfarrkollegsteilnehmer beeindruckende diakonische Projekte kennen. Getragen vom Engagement Ehrenamtlicher und finanziert vor allem durch Spenden unterhalten Gemeinden Altenheime und ambulante Pflegedienste, organisieren Essensausgaben und betreuen behinderte Kinder. Dabei komme es aber, so ein Pfarrer, entscheidend darauf an, dass das christliche Profil erkennbar bleibe: „Nur Sozialarbeit, das ist uns zu wenig.“

Engagement für Not Leidende als einendes Band

Über die Situation seiner Kirche und das ökumenische Miteinander informierte der Bischof des katholischen Erzbistums Alba Julia, György Jakubinyi. Für ihn besteht eine der großen Herausforderungen darin, die ungarischen, rumänischen und deutschen Gemeindemitglieder in den Pfarreien zusammenzuführen.

Wie das konkret gelingen kann, erfuhren die Pfarrkollegsteilnehmer im Sonntagsgottesdienst der katholischen Pfarrei in Hermannstadt und einer anschließenden Begegnung mit Stadtpfarrer Oscar Raicea. Dieser berichtete, dass an hohen kirchlichen Feiertagen die Gottesdienste in drei Sprachen gefeiert würden. Neben der Feier der Liturgie sei das Engagement für Alte, Kranke und Bedürftige in der Stadt ein „einendes Band“ der Gemeinde. Dem gegenüber spielten Strukturfragen, etwa nach der Zusammensetzung kirchlicher Gremien, eine eher geringe Rolle.

Die Teilnehmer des Pfarrkollegs zeigten sich fasziniert von der Schönheit orthodoxer Liturgien und Gotteshäuser. Manche theologischen Aussagen sorgten hingegen für Unverständnis, etwa die These der orthodoxen Theologin Iuliana Govoreanu, Frauen seien in der orthodoxen Kirche ebenso viel wert wie Männer: „als Religionslehrerin, als Sozialarbeiterin und als Ehefrau und Mutter, die in der Familie für die Weitergabe des Glaubens verantwortlich ist“. In der Ökumene, so die Bibliotheksleiterin der orthodoxen Fakultät weiter, könne es nur dann echte Fortschritte geben, wenn wir uns „mit der Grundhaltung der Liebe begegnen, Machtfragen und politisches Kalkül beiseitelassen und gemeinsam zu unserem Ursprung zurückkehren“.

Ökumenische Fortschritte und bleibende Spannungen

„Wir wissen, dass es in der Ökumene nicht nur aufwärts geht“, führte Stefan Tobler, Leiter des Instituts für Ökumenische Forschung Hermannstadt, in die ökumenische Situation in Siebenbürgen ein. Insgesamt könne man von einem „friedlichen Miteinander“ sprechen, das seinen sichtbaren Ausdruck in der Feier gemeinsamer Gottesdienste zur Gebetswoche für die Einheit der Christen und zum Weltgebetstag der Frauen findet.

„Knackpunkte der Ökumene“ seien nicht so sehr theologische Fragen, etwa nach dem kirchlichen Amt, sondern eher ethische Fragen, vor allem nach der Stellung der Frau oder der Beurteilung homosexueller Partnerschaften. In Rumänien sei zudem die griechisch-katholische Kirche, die in Liturgie und Kirchenrecht der Orthodoxie nahesteht, jedoch den Papst als Oberhaupt anerkennt, eine „bleibende Quelle der Spannungen zwischen den Kirchen“.

Abschließend gab Tobler einen kurzen Einblick in den ökumenischen Dialog der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und des Päpstlichen Einheitsrats zum Thema „Kirche und kirchliche Einheit“. An diesen Gesprächen, die in einer „guten Atmosphäre“ geführt werden, sind unter anderem auch Bischof Karl-Heinz Wiesemann und Kirchenpräsident Christian Schad beteiligt.

Tief bewegt vom Glaubenszeugnis der Menschen, denen sie in diesen Tagen begegnete, sagte eine Teilnehmerin bei der letzten Morgenandacht: „Ich möchte die Menschen in diesem Land fragen, welche Hoffnung sie angesichts der enormen Umbrüche motiviert und trägt.“ Text: Thomas Borchers/Thomas Stubenrauch