Kriegsende 

Friedensstifter werden

Kirchenpräsident Schad und Bischof Wiesemann. Foto: Landry

Kirchenpräsident Schad, Bischof Wiesemann, Capella Spirensis, Christiane Brodersen und Katrin Vollmer-Kaas (vlnr). Foto: Landry

Speyer (is/lk). Mit einem ökumenischen Gottesdienst im Dom zu Speyer haben die Evangelische Kirche der Pfalz und das Bistum Speyer an das Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai vor 75 Jahren erinnert. Im Mittelpunkt stand das Gedenken an und das Gebet für die Opfer von Krieg und Gewalt sowie das gemeinsame Friedensgebet unter dem Leitwort „Suche Frieden und jage ihm nach“.

Ein besonderes Element des Gottesdienstes war ein Video-Zeitzeugenbericht von Winfried Sommer aus Römerberg, der als kleiner Junge das Kriegsende in Speyer miterlebt und die letzten Kriegstage mit Mutter und Bruder in der Krypta des Domes verbracht hatte. In dem Beitrag schildert er die Auswirkungen des Krieges in der Domstadt und das Schicksal der jüdischen Bürger.

Bischof Karl-Heinz Wiesemann und Kirchenpräsident Christian Schad erinnerten in ihrer Dialogpredigt an das unfassbare Leid und Grauen, das Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus durch Völkermord und Weltkrieg erlitten haben. Es gelte, die Erinnerung dieser Menschen als Mahnung für die kommenden Generationen zu bewahren. Die Kraft zum Frieden erwachse aus der Erinnerung an die Schrecken des Krieges. „Wenn wir ihre Erinnerung miteinander teilen und so die Verwundungen ihrer Vergangenheit heilen, dann können wahrer Frieden und echte Versöhnung wachsen“, betonte Kirchenpräsident Schad. „Friede fällt nicht vom Himmel; er will und muss jeden Tag neu errungen werden“, erklärte Bischof Wiesemann und verwies auf Persönlichkeiten wie Robert Schuman, Konrad Adenauer und Alcide de Gasperi, die „aus den Trümmern des Krieges die Vision eines friedlichen, gerechten und geeinten Europas entstehen ließen.“ Das Geschenk der Aussöhnung nehme besonders auch „uns Deutsche“ in die Pflicht, gerade in der Zeit der Corona-Pandemie, „damit nicht wieder die alten Grenzen Europa durchschneiden, sondern wir füreinander einstehen, wie es zum Beispiel mit der Aufnahme schwer erkrankter französischer und italienischer Patienten in unseren Kliniken geschehen ist.“

Neben der Dankbarkeit für das Geschenk von Versöhnung und Frieden gehöre aber auch das Bekenntnis der Schuld der Kirche dazu, so Kirchenpräsident Schad. Es habe damals an Widerstand gegen nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen gegenüber Juden und Oppositionellen sowie einem mutigen Bekenntnis „zu dem Gott der Gerechtigkeit gefehlt“. Auch Bischof Wiesemann erklärte, dass die katholische Kirche sich „mitschuldig am Krieg“ gemacht habe, so wie es die deutschen Bischöfe in einem gemeinsamen Wort zum 75. Jahrestag des Kriegsendes bekannt hätten. Kirchenpräsident und Bischof plädierten dafür, aus dem Versagen der Kirchen zu lernen, einen Beitrag für eine friedlichere und gerechtere Welt zu leisten und zum „Friedensstifter“ zu werden.

Die Opfer des Krieges mahnten, „für den unbedingten Schutz des menschlichen Lebens und die unverlierbare Würde eines jeden Menschen einzutreten“, betonte Bischof Wiesemann. Friedensstifter zu sein hieße in der Corona-Krise auch, sich der Bedeutung der menschlichen Nähe in der Pflege älterer Angehöriger oder eines menschenwürdigen Sterbens an der Hand einer geliebten Person bewusst zu sein. Kirchenpräsident Schad erinnerte an den antisemitischen Terroranschlag von Halle und sagte, „Friedensstifter sein, das bedeutet heute konkret: uns mit aller Kraft zur Wehr zu setzen gegen jede Form von Judenhass, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit.“

An dem Gottesdienst, der live über die Homepages und Social-Media-Präsenzen von Bistum, Dom und Landeskirche übertragen wurde, nahmen die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, der ehemalige Ministerpräsident Bernhard Vogel, Vertreter der katholischen und protestantischen Kirche sowie der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz teil.

Bereits am Vortag erinnerten die drei evangelischen Kirchen in Baden, Elsass-Lothringen und der Pfalz daran, dass die Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland nach dem 8. Mai 1945 viele Gesichter bekommen und eine erfreuliche Selbstverständlichkeit erlangt hätten. Die Leitenden Geistlichen Christian Albecker (Straßburg), Jochen Cornelius-Bundschuh (Karlsruhe) und Christian Schad (Speyer) bekräftigten, dass Grenzen „Orte der Begegnung und der Zusammenarbeit sind, die Geschwisterlichkeit und Solidarität ermöglichen“ und keine „Orte, an denen Unterschiede zu Gleichgültigkeit, Beleidigung, Verachtung oder Hass führen.“ Derzeit sei leider erlebbar, wie Menschen in der Region anschließen an „alte nationalistische Haltungen und Klischees, die wir auf dem langen Weg der deutsch-französischen Versöhnung gehofft hatten, überwunden zu haben.“

Ein christlich-jüdisches Gedenkvideo an den Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus vor 75 Jahren hat der Saarländische Rundfunk produziert. Drehorte waren unter anderem die Saarbrücker Synagoge und die evangelische Ludwigskirche. Beteiligt an dem Video, das auf der Website des Saarländischen Rundfunks (SR) zu sehen ist, sind u.a. der Kantor der Synagogengemeinde Saar, Benjamin Chait, und Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann. Letzterer liefert zwei Impulse rund um den 8. Mai – unter anderem zum Bombenabwurf auf Saarbrücken im Oktober 1944, bei dem die Ludwigskirche fast vollständig zerstört wurde. Zudem spricht er mit Kantor Chait ein christlich-jüdisches Gebet.