Der Reformationsbeauftragte des Landes, Gerhard Robbers, und Kirchenpräsident Christian Schad über Grundeinsichten der Reformationen 

Freiheit und Würde sind theologische Begriffe

Kirchenpräsident Christian Schad und der Reformationsbeauftragte des Landes, Gerhard Robbers. Foto: lk

Speyer/Zweibrücken (lk). Die Reformation prägt auch noch heute den demokratischen Verfassungsstaat. Dies hat der Reformationsbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Gerhard Robbers, bei einer Tagung des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte und der Evangelischen Akademie in Zweibrücken erklärt. Auch wenn die Feiern zum 500. Jubiläum zum ersten Male in strikter Trennung von Staat und Kirche geschähen, so habe die reformatorische Erkenntnis der unmittelbaren Beziehung des einzelnen Menschen zu Gott den säkularen Staat auf den Weg zu individuellen Menschenrechten, Parlamentarismus und Bildung geführt. 

Die wesentlichen Begriffe des Staatsrechts wie Freiheit, Würde und Gewissen sind nach Auffassung des ehemaligen Justizministers und Rechtsprofessors säkularisierte theologische Begriffe. Diese Werte lägen den Gleichheitssätzen der Verfassungen zugrunde. Die vom Grundgesetz und der Landesverfassung aufgetragene Neutralität und die Verneinung einer Staatskirche stünden nicht im Gegensatz zum staatlichen Interesse an Religion. „Keine Religion wäre schon Parteinahme gegen die Religion“, sagte Robbers. 

Zur Ausübung der Freiheit im Verfassungsstaat gehöre auch die Religionsfreiheit, niemand dürfe gezwungen werden, etwas zu glauben oder nicht zu glauben. Über religiöse Wahrheiten oder Unwahrheiten dürfe der Staat aber nicht urteilen. Der Staat müsse Raum geben, damit Religion sich möglichst ungehindert entfalten könne. „Die Religion darf nicht schlechter gestellt werden als Sport und Spiel“, so der Jurist. 

Den Kern der Reformation sieht Gerhard Robbers in der Verfassung enthalten. Wenn das Grundgesetz in seinem ersten Artikel die Würde des Menschen als unantastbar ansehe, dann sei dies nicht zuletzt in der Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen begründet. Diese in der Verfassung verankerte Unantastbarkeit besitze ihre Rückbindung in der Theologie der Rechtfertigungslehre, nach der jede Person eine Menschenwürde besitzt, die ihm niemand nehmen kann.

Schad: Gewaltlosigkeit ist in Gott selbst grundgelegt

Indem sie die Grundeinsichten der Reformation im Blick auf das Gottes- und Menschenbild ins Zentrum der Diskussionen rücken, können die evangelischen Kirchen im Jubiläumsjahr der Reformation Entscheidendes zur Menschlichkeit und zur Friedfertigkeit der Gesellschaft beitragen, erklärte Kirchenpräsident Christian Schad bei der Tagung in Zweibrücken.

Die Hoffnung, dass sich nicht Gewalt und Macht, sondern letztlich Gewaltlosigkeit durchsetzen werde, sei nach christlichem Verständnis zutiefst „in Gott selbst grundgelegt“. Aufgabe der Christen müsse es sein, dies offen und öffentlich zu bezeugen, vor allem dort, wo Religion pauschal als gewaltkonform diskreditiert werde. „Der gekreuzigte Gott steht in seiner Ohnmacht der Gewalt diametral entgegen“, sagte Schad. Martin Luther habe den Tod Jesu am Kreuz und seine Auferstehung als Kampf zwischen Tod und Leben beschrieben, in dem das Leben den Sieg davongetragen habe.

Neben der Unvereinbarkeit von Religion und Gewalt gelte es auch „das Menschenbild stark zu machen, das die Reformatoren im Rückgriff auf die biblischen Quellen neu zur Sprache gebracht haben“, sagte der Kirchenpräsident. Dies stünde oft quer zur allgemeinen Meinung, nach der das Werk, das ein Mensch tue, ihn zur Person mache. Die von Luther ins Zentrum gerückte Botschaft von der Rechtfertigung allein kraft der geschenkten Gnade und des Glaubens betone dagegen, dass der Mensch mehr und anderes sei, als die Summe seiner Leistungen und Fehlleistungen. „Menschen haben darum keinen auf- oder abwertbaren Wert, sondern eine unantastbare Würde“, sagte Schad.

Wie heilsam diese theologische Sicht die gängigen gesellschaftlichen Urteile unterbreche, zeige etwa der würdige Umgang mit Kindern oder mit alten Menschen, also mit denen, die für ihr Dasein noch nichts – oder nichts mehr tun könnten. „Zeige mir, wie du mit Kindern und alten Menschen umgehst, und ich sage dir, was für eine Gesellschaft du bist“, bekräftigte Christian Schad.

„Gerechtfertigt sein“ heiße weiterhin, eine unwiderruflich anerkannte und angesehene Person zu sein, unterstrich der Kirchenpräsident. Ein solches Verständnis verbiete es zudem, „die beste Tat, aber auch die schlimmste Untat mit dem Ich zu identifizieren, das sie tat“. Wenn es darum gehe, was den Menschen menschlich mache, urteile allein Gott, der Schöpfer der Person, kompetent.