Kirchliche Gerichte 

Freiheit und Würde nicht nur vom Einzelnen her denken

Juraprofessor Germann (l.) und ehemaliger Ratsvorsitzender Huber (Mitte) mit Kirchenpräsident Schad in Landau. Foto: lk/Rummel.

Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Foto: lk/Rummel.

Michael German, Professor für Staatskirchenrecht von der Universität Halle-Wittenberg. Foto: lk/Rummel.

Landau (lk). Mit der Frage, ob und welche Grundrechte in der Kirche gelten und inwieweit kirchliche Gerichte daran gebunden sind, hat sich die diesjährige Tagung für Mitglieder der kirchlichen Gerichte in der Evangelischen Kirche der Pfalz in Landau beschäftigt. Für den ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, unterscheiden sich Grundrechte in der Kirche in ihrer Begründung und Funktion von den in der staatlichen Verfassung verankerten Grundrechten.

So sei die Freiheit, die in kirchlichen Grundrechten ihre Entsprechung finde, nicht die bürgerliche Freiheit, sondern die Freiheit aus Glauben, erklärte Wolfgang Huber. „Sie ist eine von Gott gegebene, verdankte Freiheit, die sich auch auf das Leben des anderen bezieht“, so der ehemalige Ratsvorsitzende. Die Unterscheidung der beiden Freiheitsbegriffe wird nach Auffassung Hubers deutlich an dem jüngst ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) über die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung. Der Freiheitsbegriff des BVG habe sich ausschließlich an der Autonomie des Einzelnen orientiert, sei also selbstbezogen. Das christliche Verständnis der Freiheit hingegen beziehe auch die Verantwortung für den Lebensschutz derer mit ein, die von diesem Urteil mit betroffen seien.

Das Recht auf Würde und Unverletzlichkeit der Person, das ebenso zu den staatlichen wie kirchlichen Grundrechten gehöre, ist für Wolfgang Huber ein weiteres Beispiel für die unterschiedlichen Blickweisen. Die unantastbare Würde des Menschen, wie sie das Grundgesetz formuliere, resultiere aus dem Recht des Einzelnen gegenüber dem Anderen und dem Staat. Nach christlicher Auffassung komme das Recht auf Würde dem Menschen zu, weil er Ebenbild Gottes sei. Daraus ergäbe sich für den kirchlich-diakonischen Auftrag, sich für alle einzusetzen, die hilfsbedürftig seien.

Für Michael Germann, Professor für Öffentliches Recht, Staatskirchenrecht und Kirchenrecht an der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, ergibt sich aus der Trennung von Staat und Kirche keine unmittelbare, jedoch eine mittelbare Bindung an die Grundrechte. Germann unterstrich, dass das Kirchenrecht nicht auf das Einzelinteresse bezogen sei, sondern der gemeinschaftlichen Verantwortung kirchlichen Handelns diene. So stehe zum Beispiel ein „Freiheitsegoismus“, wie er für den liberalen Rechtstaat bestimmend sei, „im Gegensatz zur Ausrichtung des Kirchenrechts auf den gemeinschaftlichen Dienst am Auftrag der Kirche.“ Dies bedeute jedoch nicht, dass das Kirchenrecht blind sei für die Interessen des Einzelnen. Es nehme sie auf, „wo immer das kirchliche Handeln sie sich zum Gegenstand und Anliegen macht.“

Kirchenpräsident Christian Schad erinnerte zu Beginn der Tagung daran, dass nach dem Ende des Staatskirchentums und der Wittelsbacher Monarchie im bayerischen Rheinkreis eine neue rechtliche Grundlegung des Kirchenwesens erforderlich geworden sei. Die genau vor 100 Jahren erarbeitete Kirchenverfassung der Evangelischen Kirche der Pfalz habe die Traditionen der Unionskirche von 1818 mit den Anforderungen im neu entstandenen demokratischen Rechtsstaat verbunden. Dazu zähle auch die kirchliche Gerichtsbarkeit, die der kirchlichen Ordnung diene. Gebunden an Schrift und Bekenntnis erfülle sie ihre Aufgaben in richterlicher Unabhängigkeit.

Im Bereich der Landeskirche sorgen kirchliche Gerichte wie das Verfassungs- und Verwaltungsgericht oder die Disziplinarkammer für die Rechtsprechung. Hinzu kommen Schlichtungsstellen der Landeskirche und des Diakonischen Werkes. Die Gerichte, Kammern und Schlichtungsstellen handeln nach kirchlichen Gesetzen, mit denen die Landeskirche ihre verfassungsmäßig garantierte Selbstverwaltung regelt. Kirchliche Gerichte konkurrieren nicht mit staatlichen.