Theatermonolog 

"Er war eine coole Socke"

Stephan Wriecz als Friedrich der Weise.

Regisseurin Eva Adorjan und Schauspieler Stephan Wriecz im Gespräch mit Besuchern.

Stephan Wriecz, Eva Adorjan, Bernd Klesmann, Direktor des Stadtmuseums, sowie der Beauftragte für das Unionsjubiläum der Landeskirche, Wolfgang Schumacher. Fotos: view

Kaiserslautern. Es beginnt mit einem Knall. Und unversehens landet, strandet ein zunächst unscheinbarer Kerl mitten in der Zeit. Seiner Zeit, die Jahre rund um 1517, unserer Zeit im ersten Drittel des 21. Jahrhunderts und in der aufgewühlten Zeit um 1818. Die Elbflut hat ihn weggeschwemmt, aber auch die Lutherwoge. Letztere hat einen ganzen Kontinent fortgerissen. Sie war eine Urgewalt. Und wenn einer das bezeugen kann, dann dieser Mann: Friedrich III. oder Friedrich der Weise, von 1486 bis zu seinem Tod 1525 Kurfürst von Sachsen. 

Dieser Friedrich hat sich in die Zukunft verirrt. Mit Hilfe von Michael Bauer, dem Autor und Wortakrobaten und mit Unterstützung von Stephan Wriecz, dem Schauspieler, der seiner Figur in stiller und beharrlicher Art Leben einflößt. In einem Monolog, der zum Dialog gerät. Vom Selbstgespräch der historischen Figur zur (selbst-)kritischen Betrachtung im Abstand der Jahrhunderte. Eva Adorjan rückt als Regisseurin die Figur ganz nah ans Publikum. Kein Bühnenpodest, keine ausladende Ausstattung. Nur ein Schlauchboot, ein Tisch mit einer Obstschale und ein Stuhl, Diarahmen, die als Monstranz die Reliquien fassen. Ein Kurfürst im Regenponcho. Auf das Wort kommt es an, das nicht geschwätzig wird. Ein ehrliches, direktes, undiplomatisches Wort. „Edle Simplizität“ nach Vorbild der pfälzisch-unierten Ästhetik.

Der historische Kurfürst hätte in die Geschichte eingehen können, als Sammler, Besitzer von 19.000 Reliquien. Kluge Menschen haben ausgerechnet, dass diese Überreste von besonders gläubigen Menschen einen Gegenwert von zwei Millionen Jahren Ablass bedeutete. Aber es hat sich nicht gerechnet für ihn, den dickleibigen, backenbärtigen Kurfürsten. Jetzt liegt er etwas hilflos in seinem Boot und sucht seinen Lieblingsdaumen. Nicht den seiner linken oder rechten Hand, sondern den Daumen der Heiligen Anna. Diesen heiligen Daumenknochen, den zarten, in einer ganz güldenen kleinen Monstranz eingefassten. Er ist davon geschwommen. Mit der Flut der Elbe, vor allem aber der Lutherwoge. 

Das alles erzählt dieser Bühnen-Friedrich am Ufer der Lauter, in der Veranstaltungsscheune des Stadtmuseums Kaiserslautern, das gerade die Geschichte der Reformation und der Union in der Pfalz zeigt. Er erzählt es einem Publikum Anno Domini 2018, 493 Jahre nach seinem Ableben. Als „schlafwandelnder Leichnam, uralter Toter“, der dabei lebhaft träumt. Und es schäumt förmlich aus ihm heraus. Im Meer der Geschichte schaut er nicht nach der Monsterwelle, sondern nach den Wellentälern. Und dort entdeckt er ‑ „und sei es nur für Sekunden“ – Friede und Versöhnungsgespräche.

Ein wenig davon sieht er 1818 in der Pfalz. Bei der Bauersfrau Ursel, bei der er den Satz hört: „Ob Christ, ob Jud, ob Hottentott: Wir glauben an den einen Gott!“ Ob die Ursel recht hatte, das konnte dieser weise Friedrich nicht mehr überprüfen. Er fragt das Publikum, ob „diese ganzen Muselmanen, Hindus, Katholiken und Juden endlich unter einem Dach gelandet sind?“

Die Fragen regen auf, regen an. Und werden im Jahr des 200. Jubiläums der Pfälzer Kirchenunion noch öfter gestellt. Die Produktion des Nano-Theaters Ludwigshafen geht auf Tournee. Durch zunächst zehn Lokalunionsgemeinden. Für das Uraufführungspublikum waren sie Anlass zum Gespräch. „In Luthers Jubeljahr war ich euch zu langweilig“, formuliert Friedrich vorwurfsvoll. Das hat das Publikum 2018 anders gesehen. „Er war eine coole Socke“, dem Satz des Bühnen-Weisen stimmte es uneingeschränkt zu. Wolfgang Schumacher

Die nächsten Aufführungen:

Worms: 06.04.2018

Gries: 08.04.2018

Landau: 31.08.2018

Neuhofen: 01.09.2018

Altenkirchen: 02.09.2018

Bad Dürkheim: 12.10.2018

Weingarten: 13.10.2018

Kaiserslautern: 14.10.2018