Reformationsgottesdienste 

Einspruch gegen die Angstmacher

Fand aufmerksame Zuhörer: Kirchenpräsident Christian Schad bei der Predigt in der Zwölf-Apostel-Kirche. Foto: lk/Jahn.

 „Eine Kultur der wechselseitigen Achtung und Anerkennung“ forderte Kirchenpräsident Christian Schad in seiner Predigt im zentralen Reformationsgottesdienst in der protestantischen Zwölf-Apostel-Kirche in Frankenthal. Unterschiedliche Überzeugungen könnten nicht mit Gewalt oder Unterdrückung, sondern nur in einer Atmosphäre der Toleranz und des Respekts ausgetragen werden. Diese gelte für den Dialog der christlichen Konfessionen untereinander ebenso wie den Umgang der Religionen miteinander, erklärte Schad.

Der Kirchenpräsident erinnerte an die kämpferischen Auseinandersetzungen in der Reformationszeit, die zwischen Papst und Reformationsbewegung ausgetragen wurden, aber auch die kriegerischen Konflikte, die zwischen dem christlichen Europa und dem islamisch-osmanischen Reich stattfanden. Religiöse Militanz und der „Brandgeruch des Fundamentalismus“ lägen über dieser Zeit. Von der christlichen Botschaft und der Liebe zum Evangelium sei bis in manche reformatorischen Texte hinein wenig spürbar gewesen.

Heute sei es die Aufgabe der Protestanten wie aller Christen, Glaubens- und Gewissensfreiheit einzufordern und dafür zu sorgen, „dass kein Keil zwischen Menschen mit verschiedenen Lebensentwürfen oder aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen getrieben wird“, erklärte Kirchenpräsident Schad. Es brauche den Einspruch, gegen die Angstmacher: „gegen die, die von ‚Überfremdung‘ reden, von der ‚Größe des deutschen Volkes‘ und die das Gespenst des Antisemitismus wieder hoffähig machen wollen.“

So zeige der Anschlag auf die Synagoge in Halle, dass die Kirche gefordert sei, „sich unverrückbar an die Seite unserer jüdischen Geschwister zu stellen und allen rassistischen Äußerungen entschieden entgegenzutreten“. Der Antisemitismus widerspreche allem, wofür das Christentum stehe. „Christlicher Glaube und Judenfeindschaft schließen sich wechselseitig aus. Antisemitismus ist Gotteslästerung“, sagte der Kirchenpräsident.

Als Ebenbilder Gottes empfingen alle Menschen ihre unantastbare Würde. „Gerade das Evangelium lehrt uns, dass jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft, auch unabhängig von den Voraussetzungen seines persönlichen Bekenntnisses, im Wirkungshorizont der göttlichen Liebe steht“, erklärte Schad. Daher könne man am Reformationstag in die Bitte des Lutherliedes: „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort!“ einstimmen.

Für Oberkirchenrätin Dorothee Wüst ist das Reformationsfest ein Mutmachfest, das mehr sei als Erinnerung an eine glorreiche Geschichte. „Das, was ich glaube, hat nicht ausgedient, es ist heute so aktuell wie es gestern war und wie es morgen sein wird“, sagte Wüst im zentralen Gottesdienst des Kirchenbezirks an Alsenz und Lauter in der Otterberger Abteikirche. Der Glaube gebe Orientierung in der Welt mit ihren immer neuen Herausforderungen. Er verlange Position für bestimmte Werte und Haltungen zu beziehen. „Deshalb gehen auch wir auf die Straße für Klimaschutz. Nicht als Anbiederung an den Zeitgeist, sondern weil Gott uns aufgetragen hat, seine Schöpfung zu bewahren. Deswegen sind wir offen parteilich für Flüchtlinge. Weil Jesus Christus selber einer war“, sagte die Oberkirchenrätin.

In der Nachfolge Jesu Christi und im Erbe Martin Luthers komme für die Kirche ein Rückzug in die eigenen vier Wände nicht in Frage, wenn sie ihrem Auftrag und der Gesellschaft gerecht werden wolle. Deswegen mische sie sich offensiv in der Welt der Bildung ein, „weil uns Gott die Augen öffnet für den ganzen Menschen und nicht nur für das, was er leistet“, sagte die Bildungsdezernentin der Landeskirche. Ihrem Auftrag komme die Kirche auch dort nach, wo sie für einen achtsamen Umgang mit öffentlicher Sprache werbe: „Weil Gott uns die Liebe lehrt, die keine Worte kennt, die anderen die Würde nehmen.“