Historisches Museum der Pfalz zeigt Ausstellung "Leben nach Luther" 

Einblicke in das evangelische Pfarrhaus

Speyer (hmp/lk). Dem „Mythos“ vom Pfarrhaus als Projektionsfläche gesellschaftlicher und familiärer Ideale geht die Ausstellung „Leben nach Luther. Eine Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses“ nach, die das Historische Museum der Pfalz in Speyer bis zum 10. Januar 2016 zeigt. Bei der Ausstellungseröffnung sagte der Direktor des Deutschen Historischen Museums, Alexander Koch, das evangelische Pfarrhaus sei „eine der kulturprägendsten Bildungsinstitutionen in Deutschland, von dem eine ungeahnte Wirkung ausging.“ 

Wer diesem Mikrokosmos aus Bildung und Wissenschaft, Disziplin und Strenge, Glaube und missionarischem Eifer, Seelsorge, sozialem und politischem Engagement entstammte, sei als „Vorbild und Bannerträger“ angesehen worden, erklärte Koch. Die Ausstellung präsentiere das evangelische Pfarrhaus als ein offenes Buch, das tiefe Ein- und Seitenblicke sowie Blicke hinter die Kulissen gewähre.

Auch, wenn sich das Berufsbild und das Familienverständnis der Pfarrerschaft heute grundlegend verändert habe, so bleibe die Bedeutung des Pfarrhauses als Mitte der Gemeinde, als offenes Haus und als Anlaufstelle für soziale und seelsorgerliche Fragen bestehen, sagte Kirchenpräsident Christian Schad. Das idealisierte eine Pfarrhaus habe es nie gegeben, es sei „so vielfältig, wie seine Architektur und dessen Bewohner“. Schad erinnerte daran, dass das Pfarrhaus vielerlei Funktionen hatte und immer noch habe, „als einzige ‚Telefonzelle‘ im Ort, als Bibliothek, als Wohn- und Versammlungsraum, als Spielplatz oder Suppenküche, Andachtsraum oder Diskutierclub, freilich auch mancherorts als Hort der Spießbürgerlichkeit, als Heim für Asylsuchende oder politische Plattform. Eingedenk der aktuellen Diskussionen um veränderte Lebenszusammenhänge und Spardiskussionen, drohe mit dem Pfarrhaus als identitätsstiftendes Zentrum des Protestantismus mehr zu verschwinden, als nur eine Immobilie, sagte Schad.

Alexander Schubert, Direktor des Museums in Speyer, verwies in seiner Ansprache besonders auf die komprimierte Zusammenfassung der Pfarrhausarchitektur aus den vergangen 300 Jahren. Sie gebe einen Einblick in den Wandel des äußeren Erscheinungsbildes des pfälzischen Pfarrhauses. Schubert kündigte an, dass die 2001 eingerichtete Sammlungsausstellung zur Geschichte des Protestantismus in der Pfalz bis zum Jubiläum „500 Jahre Reformation“ 2017 neu eingerichtet werde.

31 Bild- und Texttafeln sowie Hör-, Film- und Mitmach-Stationen beleuchten in der Ausstellung „Leben nach Luther“ die Geschichte des evangelischen Pfarrhauses aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Dabei spielen die Ursprünge von Pfarrfamilie und Pfarrhaus im Zusammenhang mit der Reformation eine ebenso große Rolle wie deren Verdienste im Bereich der Geistes- und Naturwissenschaften. Nicht zuletzt beleuchtet die Ausstellung das Verhältnis von Pfarrhaus und Politik im 21. Jahrhundert. Schließlich amtieren derzeit eine Bundeskanzlerin, die in einem evangelischen Pfarrhaus aufgewachsen ist, und ein Bundespräsident, der lange Jahre als evangelischer Pastor gewirkt hat.

Gleichzeitig stellen Exponate aus dem Nachlass des bedeutenden Pfarrers und spätromantischen Schriftstellers Friedrich Blaul (1809–1863) sowie Wandschmuck aus evangelischen Pfarrhäusern der Pfalz und fotografische Ansichten von pfälzischen Pfarrhäusern einen Bezug zum regionalen Umfeld her. Die Wanderausstellung, die aus dem Deutschen Historischen Museum in Berlin übernommen wurde, ist in Kooperation des Historischen Museums der Pfalz mit dem Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz Speyer um regionale Aspekte erweitert worden.

Die Mitmach-Stationen laden insbesondere Konfirmanden zu einer „Ausstellungsrallye“ zum Thema Pfarrhaus ein. Kindern ab sieben Jahren erklärt „Walpurga die Pfarrmaus“ in einem Begleitheft zur Ausstellung die Welt des evangelischen Pfarrhauses. Für Gemeindegruppen ab zehn Personen gilt ein reduzierter Eintrittspreis von 3 Euro pro Person.