Gedenkstättenarbeit 

Dunkle Kapitel aufhellen – Erinnerung als Verpflichtung

Der ehemalige Ministerpräsident Kurt Beck mit Eberhard Dittus bei seinem Besuch in der NS-Gedenkstätte Neustadt. Foto: lk/Dittus

Die NS-Gedenkstätte in Neustadt an der Weinstraße. Foto: lk/Dittus

Straßenschild als Mahnmahl der Deportation pfälzischer Juden vor 80 Jahren. Foto: lk/Dittus

Neustadt/Speyer (lk.) Wie soll die Kirche mit den Relikten des Nationalsozialismus umgehen? In pfälzischen und saarpfälzischen Kirchen werden Objekte mit dunkler Vergangenheit gefunden, wie etwa die Glocken in Beeden, Essingen, Mehlingen, Herxheim am Berg, Winzeln oder Wolfersheim. Gebäude wie das frühe Konzentrationslager in Neustadt an der Weinstraße bleiben bestehen und sollen als Erinnerungsstätten genutzt werden.

Ein Gesetz dazu ist derzeit in Arbeit, weil der Umgang mit Zeugnissen des Antisemitismus, Rassismus und Nationalsozialismus große Sensibilität für die Opfer und Verständnis für die nachfolgenden Generationen bei Berücksichtigung denkmalpflegerischer Interessen verlangt. „Es gibt keine pauschale Antwort, wie die sich an Einzelobjekten entzündenden Diskussionen zu lösen sind, sondern nur das Bemühen um Konsens im Einzelfall“, so die Begründung der Gesetzesvorlage.

Eberhard Dittus betreibt in der Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt Aufarbeitung. „Dieser Ort kann wach wecken, was im Verlauf der Geschichte zu vergessen droht“, so der Beauftragte für Gedenkstättenarbeit der Evangelischen Kirche der Pfalz. „Nahezu 500 Männer aus mehr als 80 Gemeinden in der Pfalz wurden in diesem Lager als politische Gegner der NS-Diktatur gefangen gehalten“, weiß Dittus. Unter ihnen der evangelische Pfarrer Oswald Damian aus Pirmasens. Aufrütteln könnten neben Gedenkstätten auch Jahrestage wie die Reichspogromnacht am 9. November 1938 oder der 22. Oktober 1940, an dem pfälzische Juden deportiert wurden.

Kurzfilm dokumentiert Erlebnisse in Gurs

Der Kurz- und Dokumentarfilm „1319 km – Gurs“ arbeitet die Geschichte der Deportation auf. Damit dokumentiert die Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt das Schicksal der Deportierten. Die Evangelische Kirche der Pfalz hat die Produktion des Videos gefördert. Es wird auch in NS-Gedenkstätten außerhalb der Pfalz gezeigt.

Hintergrund: Am Abend des 22. Oktober 1940 suchten Mitglieder der NSDAP jüdische Familien in Neustadt auf. Sie teilten mit, dass diese eine Stunde Zeit hätten, um einen Koffer für ihre „Umsiedlung“ zu packen. Mehr als 6.500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland wurden auf Betreiben des badischen Gauleiters Robert Wagner und seines pfälzischen Kollegen Josef Bürckel in das französische Internierungslager Gurs deportiert. Die ältesten waren 87 und 88 Jahre alt, die jüngsten der 63 Kinder nur wenige Monate. Für viele war das Lager nur eine Zwischenstation in die Vernichtungs- und Todeslager des Ostens, wie Auschwitz, Majdanek oder Treblinka. Diese erste groß angelegte Deportation der Juden war das Ende der jüdischen Gemeinden in der Pfalz. Über die katastrophalen Zustände und die mangelhafte Verpflegung in Gurs liegen erschütternde Augenzeugenberichte wie die von Margot Wicki-Schwarzschild vor. Die damals Neunjährige erinnert sich an den Tag der Deportation und die Zeit in Gurs. Sie stammt aus Kaiserslautern und lebt heute in der Schweiz.

Literatur:
Roland Paul: Pfälzer Juden und ihre Deportation nach Gurs. Schicksale zwischen 1940 und 1945. Biographische Dokumentation, Kaiserslautern 2017.