Schwerpunktthema der Landessynode 

Die Reformation als gesamteuropäischer Aufbruch

Hielt den Festvortrag am Schwerpunkttag der Landessynode: Bischof Michael Bünker, Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen Europas. Foto: lk/Landry

Speyer (lk). In Zeiten des Umbruchs und tiefgreifender Veränderungen Autoritäten hinterfragen, aus der Angstgebundenheit ausbrechen, dem eigenen Gewissen vertrauen und Verantwortung übernehmen: Für Bischof Michael Bünker von der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses (A.B.) in Österreich machen die Erkenntnisse, die eine moderne Gesellschaft aus der Reformation ziehen kann, „Mut zur Veränderung“. Der Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen Europas (GEKE) hielt am Schwerpunkttag der Synode den Festvortrag zur „Gegenwartsbedeutung der Reformation“. Mit Blick auf das Reformationsjubiläum warnte der Gast aus Wien vor einer „Mythen- und Legendenbildung“. Luther sei ein unbeabsichtigter Wegbereiter der Moderne gewesen.

„Wenn wir auf die Auswirkungen der Reformation blicken, ist zu unterscheiden, welche Folgen der Reformation von dieser gewollt waren und welche nicht, welche sich direkt ergeben haben und welche höchstens indirekt, manchmal auch auf Umwegen, zur Wirkung gelangt sind“, sagte Bünker. Durch die Reformation seien Entwicklungen in Gang gesetzt geworden, die letztendlich zur modernen Welt westlicher Prägung geführt hätten. Die Rechtfertigungsbotschaft: „allein aus Gnade“ als Kern der Reformation und Luthers Schrift von der Freiheit eines Christenmenschen hatten nach Bünkers Worten gleichwohl unmittelbare Auswirkungen auf das Verständnis von Kirche und Gesellschaft. Auch heute stelle sich die Frage nach der Identität und Würde des Menschen. „Menschen geraten zunehmend unter Druck, sich selbst ständig rechtfertigen zu müssen.“

Der „Protestantismuseffekt“ der Reformation habe eine positive Wirkung auf das zivilgesellschaftliche Engagement der Menschen gehabt, sagte Bünker. Die Reformation sei vor allem eine Bildungsrevolution und Impulsgeberin für den Sozialstaat gewesen. Als erstes Territorium weltweit habe bereits 1592 das Herzogtum Pfalz Zweibrücken unter seinem calvinistischen Herzog Johann I. die allgemeine Schulpflicht eingeführt, erinnerte Bünker. Als weitere Errungenschaften des reformatorischen Prinzips der grundlegenden Freiheit nannte der Bischof Religionsfreiheit, Menschenrechte und Demokratie. Für die Kirchen sei der Schutz der Minderheiten ein unverzichtbarer Baustein demokratischer Gesellschaften.

„Die“ Reformation habe es nicht gegeben und Luther sei nicht „modern“ gewesen, so Bünkers Fazit. Vielmehr müsse man von einem gesamteuropäischen Aufbruch sprechen, der sich je nach politischem, kulturellem und sozialem Kontext unterschiedlich gestaltet habe. „Von einer falschen Heroisierung einzelner Reformatoren, in erster Linie Martin Luthers, kann uns die Einsicht bewahren, dass viele Anliegen der Reformation bereits lange vor dem 16. Jahrhundert formuliert waren.“

„Dieses Reformationsjubiläum ist aus dem Schatten vergangener Jubiläen herausgetreten, die national verengt oder konfessionell abgrenzend begangen wurden“, hob Kirchenpräsident Christian Schad in seiner Einführung in das Schwerpunktthema hervor. „Wir feiern ein Christusfest in ökumenischer Weite, europäisch und international.“ Die Evangelische Kirche der Pfalz habe von Anfang an darauf gedrungen, statt von der „Lutherdekade“ von der „Reformationsdekade“ zu sprechen. „Als konsens-unierte Landeskirche haben wir darüber hinaus reformierte und lutherische Traditionen vereint. Die Union war ein ganz entscheidender Schritt für die inner-evangelische Ökumene“, sagte Schad.

Hinweis: Die Synode der Evangelischen Kirche der Pfalz tagt vom 10. bis 13. Mai 2017 im Mutterhaus der Diakonissen Speyer-Mannheim, Hilgardstraße 26, in Speyer. Die öffentlichen Sitzungen beginnen am Freitag und Samstag, 12. und 13. Mai, jeweils um 9 Uhr.