Chancen und Grenzen der digitalen Bildung
Landau (EAP/lk). Es war ein Experiment der Evangelischen Akademie der Pfalz und der katholischen Akademie Rhein-Neckar: Geht digitaler Diskurs? Bekommen wir eine Diskussion hin über eine Zoom-Videokonferenz unter dem Titel „Die Würde der Prüfung ist unantastbar – Wozu bilden wir?“. Das Fazit war positiv: 25 Beteiligte und Fachleute aus den pfälzischen Kirchen, aus Bildungspolitik, Wirtschaft, Kinderheilkunde, Schule, Journalismus, politischer Bildung und Hochschulpolitik waren Ende Juni an den Bildschirmen dabei.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer debattierten über Bildungsungerechtigkeit, Bildungsverweigerung und die Rolle von Schule während der Corona-Einschränkungen. Die Mehrheit stellte fest, dass die Corona-Krise der Bildungswelt einen Digitalisierungsschub verliehen habe. Auf der anderen Seite habe sie Bildungsungerechtigkeiten freigelegt: Die Gewinner seien die Begabten und Stillen sowie diejenigen, die digital gut aufgestellte Schulen besuchen, engagierte Lehrkräfte und ein unterstützendes familiäres Umfeld haben. Verlierer seien die Schwachen, diejenigen in beengten Wohnverhältnissen, mit beschränkter digitaler Ausstattung und digitaler Kompetenz sowie in instabilen Familienverhältnissen.
Die stärkste Einschränkung durch die Corona-Pandemie erlebten nach Einschätzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Familien, Frauen und Kleinkinder. „In den Schlachthöfen bricht Covid-19 aus. Geschlossen werden die Kindertagesstätten – medizinisch gegen jede Evidenz. Wie weit ist es her mit den Bekenntnissen zur herausragenden Bedeutung frühkindlicher Bildung?“, fragte der Kinderarzt Fred Konrad kritisch. Die Beteiligten sprachen sich dafür aus, Bildungsressourcen da aufzustocken, wo Menschen weniger Bildungschancen ergreifen. Konkret hieße das: kleinere Klassen, Beratung und mehr Lehrkräfte.
Bildung ist mehr als Schule
Bildung, die über außerschulische gemeinschaftliche oder persönliche Beziehungen entsteht, war – abgesehen vom Revival der Familie – von der Corona-Krise am stärksten beeinträchtigt. Die Bildungsdebatte und die Bildungsbemühungen konzentrieren sich zu einseitig auf den Bereich Schule, meinten die Beteiligten, die im außerschulischen Bereich arbeiten. „Ich befürchte, dass Schule und Jugendarbeit aneinander vorbeireden, weil sie oft von unterschiedlichen Bildungsansätzen ausgehen“, meinte Volker Steinberg, Referent für Jugendpolitik der Evangelischen Jugend der Pfalz und Vorsitzender des Landesjugendrings Rheinland-Pfalz.
„Wir müssen Bildungshandeln vernetzen, zum Beispiel in Veranstaltungen wie dieser“, sagte Dorothee Wüst, die für Bildung zuständige Oberkirchenrätin der Landeskirche. Die Kirchen könnten dabei einen Anfang machen. „Nicht durch komplizierte Apparate und Gremien, sondern indem sie unterschiedliche Bildungsbereiche miteinander ins Gespräch und freie Zusammenwirken bringen“.
Schülerinnen, Lehrer, Erzieherinnen, Familien und teilweise auch Beschäftigte in außerschulischen Bildungseinrichtungen fühlten sich unter erheblichem Druck. „Corona hat das beschleunigt. Wir sollten nicht noch atemloser werden“, meinte Tobias Zimmermann. Beispielhaft nannte er die Worte der Grundschullehrerin, die am ersten Unterrichtstag nach dem Lockdown nicht fragt, wie es den Kindern gehe und wie es während der Schule zu Hause war. Stattdessen übermittle sie den Schülern zuerst, dass die Klasse viel versäumt habe und nachholen müsse. Aus Sicht der Konferenzbeteiligten sollte schulische und außerschulische Bildung Ziele wie Berufsorientierung, Herzensbildung, Weltwissen, Emotionen oder den Ausgleich sozialer Ungleichheiten aufgreifen.
Digital ist anders, aber positiv
Wird Bildung digital, verschwinden Gestik, Mimik, die Nuancen, das „Dazwischen“ nach dem Klingeln oder in der Kaffeepause. Digitale Kommunikationskompetenzen, technischer Sachverstand und Hardware stehen nicht allen in gleichem Maß zur Verfügung. Digitales Homeschooling ist ein Notbehelf und noch keineswegs gleichzusetzen mit digitaler Bildung.
Bei der Digitalisierung der Kirche sieht es ähnlich aus: Sie befindet sich in der Testphase. Die Beteiligten an der Diskussion waren sich einig darüber, dass Digitalisierung keine Sparstrategie sei. Das sollte Entscheidungsträgern in kirchlichen und öffentlichen Haushalten klar sein. Manches gehe nicht, aber vieles funktioniere besser als erwartet.
„Wir tasten uns weiter vor in die digitale Welt“, resümierte Christoph Picker, Leiter der Evangelischen Akademie der Pfalz. Der erste positive Eindruck der Digitalkonferenz macht Mut für ein kontinuierliches Online-Format, bei dem Interessierte sich über Videokonferenz zu Themen austauschen können: „100 Minuten. Das digitale Diskussionsformat“ der Evangelischen Akademie der Pfalz.