Buß- und Bettag 

Buß- und Bettag: Kein Schönreden von Schuld

Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst

Speyer (lk) Evangelische Christinnen und Christen in Deutschland begingen am Mittwoch, den 17. November den „Buß- und Bettag“ als einen Tag der Besinnung und Neuorientierung im Leben. Auch in der Pfalz fanden zahlreiche gottesdienstliche Feiern statt. Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst rief in einem Gottesdienst in Hassel dazu auf, persönliche Schuld und gesellschaftliches Unrecht nicht zu verdrängen. Sie benannte aktuelle Herausforderungen wie Antisemitismus, Gewalt und Missbrauch.

In ihrer Predigt ging Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst auf die diesjährige Leitfrage „Alles wieder gut?!“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Buß- und Bettag ein: „Alles wieder gut? Kaum ein Mensch kann diese Frage vollmundig mit ‚Ja‘ beantworten. Und unsere Welt als Ganze kann es auch nicht. Weil sie im Laufe ihrer Geschichte doch auch Schaden genommen hat. Noch immer nimmt.“ Kriege, menschengemachter Klimawandel, Katastrophen, Menschenfeindlichkeit oder Gewalt hinterließen Spuren – in den einzelnen Menschen sowie im kollektiven Gedächtnis.

Mit Blick auf das Gedenkjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ betonte Wüst die besondere Verantwortung Deutschlands angesichts des Genozids am jüdischen Volk. Der wachsende Antisemitismus fordere uns auf, „jetzt und hier, klar und deutlich dafür Sorge zu tragen, dass unsere jüdischen Geschwister sicher und unbehelligt in diesem Land, das auch ihre Heimat ist, leben können.“ Längst sei nicht alles wieder gut, betonte sie, und besser werde es nur, wenn nichts verdrängt werde. „Wir wissen längst, dass die Zeit nicht alle Wunden heilt und dass sich Realitäten nicht ändern, wenn man den Kopf in den Sand steckt oder zur Seite schaut.“

Auch Ereignisse wie die Anschläge vom 11. September 2001, der Krieg in Afghanistan oder die Fälle sexualisierter Gewalt in Kirchen machten deutlich, dass es Erfahrungen und Erlebnisse gebe, die nicht entschuldbar seien. „Da gibt es nur Vergebung. Und die können wir uns nicht selbst geben. Aber wir können wenigstens in klarer Haltung und in klaren Worten zu unserem Versagen stehen. Und Verantwortung übernehmen“, bekannte die Kirchenpräsidentin.

Der Buß- und Bettag gebe Gelegenheit, stellvertretend für alle Tage im Jahr innezuhalten, eigene Schuld zu erkennen und um Vergebung zu bitten: „Gott hat sich bis in den Tod hinein verschenkt, damit wir das begreifen: Kein Wegreden von Blessuren, kein Schönreden von Hässlichkeiten, kein Wegducken vor all dem, was nicht gut ist. Alles gut wird erst am Ende der Zeit. Aber besser werden kann es. Mit Gottes Hilfe.“


Hintergrund:
Der protestantische Buß- und Bettag, erstmals 1532 in Straßburg offiziell eingeführt, wurde 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung in allen Bundesländern außer in Sachsen als gesetzlicher Feiertag ersatzlos gestrichen. Der Bußtag hat seinen festen Platz im kirchlichen Festkalender jedoch nicht verloren. Viele Gemeinden laden meist am frühen Abend zu Andachten ein, um so auch Berufstätigen die Teilnahme zu ermöglichen. Die hohe Resonanz auf dieses Angebot belegt, dass der Bußtag im Leben vieler Menschen nach wie vor tief verwurzelt ist.