Gedanken zum Reformationstag: Luthers Thesenanschlag hat viele Spuren hinterlassen 

Bildung als bleibendes Erbe der Reformation

Thomas Holtmann

Von Thomas Holtmann

Gab es ihn – oder gab es ihn nicht? Den Thesenanschlag an das Tor der Schlosskirche zu Wittenberg im Jahr 1517? Der Reformationstag erinnert an diesen zur Legende gewordenen Akt Martin Luthers. Mit seinen 95 Thesen wollte er auf Missstände innerhalb der Kirche aufmerksam machen, insbesondere den so genannten Ablasshandel, und zu Reformen in der Kirche anregen.

Die damit einsetzende reformatorische Bewegung hat viele bleibende Spuren in der Geschichte hinterlassen. Die konfessionelle Prägung der Regionen geht auf die Ereignisse im Laufe der Reformation zurück; manche Ausdrücke in der deutschen Sprache lassen sich nur auf dem Hintergrund von Luthers Bibelübersetzung verstehen. Geblieben ist auch ein anderes Erbe der Reformation, das an mancher Stelle heute ein wenig in Vergessenheit zu geraten scheint: Die Reformation war von Anfang an eine Bildungsbewegung.

Martin Luthers Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache machte es überhaupt erst möglich, dass die Menschen seiner Zeit sich selbst ein Bild über Inhalt und Aussagen der biblischen Schriften machen konnten. Um die Bibel selbst lesen zu können, bedurfte es einer elementaren Fähigkeit, nämlich des Lesens. Eine flächendeckende allgemeine Schulbildung gab es bis dahin jedoch nicht, sondern sie geht in hohem Maße auf den reformatorischen Einfluss zurück, indem die evangelischen Landesherren ein entsprechendes Schulwesen mit Bildung für Mädchen und Jungen etablierten. Heutige Schülerinnen und Schüler erleben oftmals vor allem den Aspekt der Schulpflicht, dass es sich bei der allgemeinen Schulbildung um ein elementares Recht handelt, das die Chance auf gesellschaftliche Teilhabe eröffnet, ist eine große Errungenschaft.

Evangelische Kirche setzt sich bis in die Gegenwart für Bildung in ganz verschiedenen Bereichen ein, das fängt bei der frühkindlichen Bildung in den Kindertagesstätten an, das setzt sich im Kindergottesdienst, im Schulunterricht, in der Konfirmandenarbeit bis in die Erwachsenenbildung hinein fort. Religiöse Bildung versteht sich dabei stets als Beitrag zur ganzheitlichen Bildung des Menschen.

Es ist ein bleibendes Erbe der Reformation, sich für Bildung einzusetzen. Auch und gerade in der heutigen Zeit ist Bildung ein ganz wesentlicher Beitrag dazu, gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, und dadurch gefährlichen Strömungen entgegen zu treten, allen voran dem Fundamentalismus und dem Extremismus. 

Hinweis: Thomas Holtmann ist seit März 2015 Dekan des Kirchenbezirks Homburg, zu dem auch Teile der Landkreise Kaiserslautern und Südwestpfalz gehören. Der 41-jährige Pfarrer war u.a. als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionspädagogik der Fachrichtung Evangelische Theologie der Universität des Saarlandes.