Diskussionsforum in Berlin über die Macht der Bilder 

Bilderflut und "Inszenierungssucht": Die Medienrevolution braucht Inhalte

Berlin (lk). Die Gesellschaft lebt von Bildern, aber sie darf ihrer Faszination nicht kritiklos erliegen. Beim Forum Reformation, zu dem die Landesvertretung Rheinland-Pfalz beim Bund und die Evangelische Kirche der Pfalz in Berlin unter dem Motto „Die Macht der Medien“ eingeladen hatten, waren sich die Teilnehmer einig, dass es gerade im Zeitalter der digitalen Bilderflut neue ethische Maßstäbe braucht. Wo liegen die Grenzen für die Freiheit von Bildern oder Karikaturen? Bis wohin reicht die Pressefreiheit? Zu diesen Fragen diskutierten der Fernsehjournalist und langjährige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Malu Dreyer, der Chefredakteur des politischen Magazins „Cicero“, Christoph Schwennicke, sowie der pfälzische Kirchenpräsident und Vorsitzende der Union Evangelischer Kirchen (UEK), Christian Schad.

Jesus, dargestellt als „Freak“, Bismarck, karikiert mit einem Hering an Stelle des Schnauzbartes – dass „ein Bild mehr sagt als tausend Worte“ machte Schwennicke anhand verschiedener „Cicero“-Titelbilder deutlich. Bilder können entlarven, sie können aber auch verletzen. Medien setzen sie bewusst so ein, dass beim Betrachter im Sekundenbruchteil ein Reflex ausgelöst wird, erklärte Schwennicke.

Die Inszenierung von Menschen mit Hilfe der Bilder sei ein wichtiges und legitimes Mittel, um komplexe Sachverhalte darzustellen. Gleichwohl sei die digitale Bilderflut „kaum mehr einzudämmen“, so Schwennicke. Unter diesem „enormen Druck“, der extremen Beschleunigung der Massenkommunikation und der „Inszenierungssucht“ gerieten ethische Grundsätze und Standards zusehends in Gefahr, wegzubrechen. „Diesen Wandel müssen wir verantwortungsvoll gestalten.“

Für Ministerpräsidentin Malu Dreyer zeigt sich durch die Flut der Bilder in journalistischen und sozialen Medien die Notwendigkeit der seriösen Einordnung. Dazu müsse der Qualitätsjournalismus gestärkt werden, der eine wichtige Säule der Demokratie sei. Die Bilderinflation könne zwar nicht verhindert, jedoch müssten Rahmenbedingungen gesetzt bzw. berücksichtigt werden, wie zum Beispiel die Persönlichkeits- und Datenschutzrechte.

Dass Bilder auch positiv wirkten, zeige das Beispiel der Flüchtlingsthematik. Hier hätten die Bilder von Flüchtlingen, die an den Grenzen Europas strandeten, die Fotos von Personen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen seien, die Menschen in unserem Lande sensibilisiert und eine große Hilfsbereitschaft ausgelöst. In diesem Sinne sei es „auch gut, wenn Bilder provozieren“.

Für Nikolaus Brender besteht der Auftrag der Journalisten gerade darin, Bilder, die zu Propagandazwecken gesendet würden, zu entzaubern. So hätten die Medien die Aufgabe, zu erklären, welcher Geist hinter den schrecklichen „Botschaften“ der Terrororganisation IS stünden. Schon die Bilder vom 11. September 2001 hätten gezeigt, wie sich solche Organisationen der Macht der Bilder für ihre Propagandazwecke bedienten. Die Qualitätsmedien müssten sich fragen „warum uns große Teile der Gesellschaft nicht mehr verstehen und viele junge Leute die sozialen Medien aufsuchen, um sich zu informieren“. Es gäbe keine gemeinsame Lesart mehr, was ein Bild bedeute. Hier hätten die journalistischen Medien eine „integrative Leistung“ zu vollbringen, um die Gesellschaft zusammenzuhalten.

Für Kirchenpräsident Christian Schad zeigt die gegenwärtige Debatte um religiöse Karikaturen einmal mehr, dass im Zusammenwachsen der Religionen und Kulturen Toleranz gefordert ist. Eine offene, plurale Gesellschaft müsse Kritik und Provokation in Wort und Bild zwar aushalten. Gleichwohl sei die Wahrung des religiösen Friedens integraler Teil des öffentlichen Friedens. „Satire soll zum Dialog anregen, aber sie darf nicht alles.“ Wer verächtlich mache, was anderen heilig sei, der störe den religiösen und damit auch den öffentlichen Frieden, meinte Schad mit Blick auf den sogenannten Blasphemie-Paragrafen. Die Zeiten der Verbote seien indes vorbei, wohl aber könne man ein Ethos aktiver Toleranz mit Hilfe von Bildung und konkreten Begegnungen unter Verschiedenen fördern.

Aufgabe von Kirchen und Religionsgemeinschaften sei es daher, zu wechselseitigem Respekt zu befähigen – im Religionsunterricht an den Schulen und an den theologischen Fakultäten der Universitäten. Religion sei keine Privatsache, sondern brauche den öffentlichen Diskurs. „Es geht um Authentizität“, sagte der Kirchenpräsident, „die Medienrevolution braucht Inhalte.“ Daher müsse „schon in der Kita zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Medien auf der Grundlage der unantastbaren Menschenwürde erzogen werden“, so Schad.

Im Schwerpunktjahr „Bild und Bibel“ der Reformationsdekade erinnert die Evangelische Kirche daran, dass auch die Reformation ihre Wirkkraft mit Hilfe starker Kommunikationsmedien entfaltet hat, erklärte Harald Asel vom Rundfunk Berlin-Brandenburg, der das Forum moderierte. Die Reihe „Forum Reformation“ der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin und der Evangelischen Kirche der Pfalz soll nach Auskunft von Staatssekretärin Jacqueline Kraege im kommenden Jahr fortgesetzt werden.