Hausandacht 

Aufstehen – Auferstehen

Pfarrer Tim Kaufmann. Foto: lk/edk.

„Aufstehen! Aufstehen! Aufstehen!“ Sicher haben sie diesen Ruf schon oft gehört. Er verheißt nichts Gutes. Die Nacht ist vorbei, Ende mit dem warmen kuscheligen Bett und raus in die kalte Welt. Aufstehen. Vielleicht wieder einmal mit dem falschen Fuß. Auf jeden Fall schlaftrunken taumelnd Richtung Bad wanken.

Die Nacht ist vorbei, der Tag hat uns wieder. Auch die beiden Marias sind früh aufgestanden. Sie wollen zum Grab. Sie haben nicht gut geschlafen in dieser Nacht, schließlich wurde ihr bester Freund ermordet. Die Ereignisse der vergangenen Tage schwirrten ihnen durch den Kopf, also wenn man schon nicht gut schlafen kann, warum dann nicht raus zum Grab?

Sie gehen los. Auch Jesus war an diesem Morgen früh aufgestanden. Er hatte die Tücher ordentlich zusammengelegt, hatte die Liege verlassen und war hinausgegangen. Doch für ihn war nicht nur die Nacht vorbei. Für ihn beginnt ein neuer Abschnitt. Er war nicht nur aufgestanden, er war auferstanden von den Toten. Drei Tage war er im Grab gewesen, nun war er wieder da! Die Wunden in seinen Händen und Füßen und in seiner Seite erinnerten noch an das was geschehen war, aber sie schmerzten nicht mehr. Alles war neu geworden.

Er dachte an seine Freunde, würden sie es verstehen? Er hatte es ihnen so oft zu erklären versucht, die Sache mit dem Sohn Gottes sein, mit der Rückkehr zum Vater, mit dem Sieg über den Tod, aber hatten sie es verstanden? Die Frauen erreichen das Grab. Der Stein ist weggerollt. Wer war das? Was war geschehen? Hatten sie die Leiche gestohlen? Hatten sie nicht nur ihn gequält sondern nun noch seinen Leichnam geschändet?

„Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat; und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt.“

Die Stimme des Engels reißt sie aus ihren Gedanken! Das die Engel einen auch immer so erschrecken müssen. Wenn sie weniger überraschend auftauchen würden, könnten sie sich dieses „Fürchtet euch nicht“ sparen. Aber man erschreckt halt immer, wenn so ein Bote Gottes plötzlich leuchtend und glänzend vor einem sitzt. „Er ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er gesagt hat!“ So war das also gemeint.

Wir verlassen die Jüngerinnen und kehren zurück in unsere Zeit. Wie sind Sie heute Morgen aufgestanden? Munter und frisch oder auch eher mühsam und schlaftrunken? Vielleicht sogar mit dem falschen Fuß? Jetzt sind wir auf jeden Fall wach und der Tag nimmt seinen Lauf. Leider immer noch im Lockdown, immer noch mit Corona und immer noch ohne Perspektive. Viele hätten sich in diesen Tagen eine Auferstehung gewünscht. Nicht die von Jesus an die man vielleicht gar nicht so richtig glauben mag, sondern eine Auferstehung der Gastronomie, der Kultur, des Reisens und des Konsums. Eine langsame Rückkehr zum „Normalzustand“ mit Tests und Impfungen, aber wieder mit mehr Leben und mehr Lebensqualität.

Endlich wieder raus, nicht nur zum Spaziergang sondern ins Kaffee, in den Biergarten, auf die Hütte. Ein Getränk an der frischen Luft ohne Maske, aber mit Freunden. Doch das alles kommt noch nicht. Wir müssen noch drinbleiben. Der Abstand bleibt, die Zahlen steigen, die Türen schließen sich statt sich weiter zu öffnen. Beim Nachdenken kommt mir ein Lied in den Kopf. „Komm wach auf, ich zähl bis 10, das Leben will ein’n ausgeb’n und das will ich seh’n, lass uns endlich raus geh’n das Radio aufdreh’n, das wird unser Tag, Baby, wenn wir aufsteh‘n“, singt die Berliner Band SEEED im Refrain des Songs „Aufstehn“.

Meine Gedanken kreisen um diesen Tag. Wie wird er sein, der Tag, an dem wir aufstehen und die Pandemie ist vorbei? Wenn das Leben wieder einen ausgibt ohne Abstand und Maske? Wird das unser Tag? Als das Lied geschrieben wurde, war an Pandemie noch nicht zu denken. Da ging es um den Start in einen normalen Tag, aus dem man das Beste rausholen wollte. Jetzt warten wir auf den Tag, an dem das Leben wieder einen ausgibt. Wo die Ausgabe von Masken, Schnelltest und Impfterminen wieder einem normalen Alltag weicht.

Wie muss es da erst sein, wenn nicht nur „das Leben einen ausgeben will“, wie es im Lied heißt, oder die Pandemie endet, sondern Gott selbst das Leben ausgibt und zwar ewig? Wenn es nicht nur um einen Tag, sondern um die ganze Ewigkeit geht?

Das wäre doch ein Grund aufzustehen. Nicht nur aus dem Bett am Morgen, sondern auch ein Grund aufzustehen gegen Ungerechtigkeit, Leid und Elend. Gott hat uns einen Auftrag gegeben. Wir sollen von der Hoffnung berichten, die stärker ist als der Tod. Wir sollen von der Freude erzählen, die Gott uns schenkt. Auch nach dem Lockdown und nach der Pandemie wird es noch Leid, Schmerz und Not, Krankheit, Ungerechtigkeit und Mangel geben, aber wir sind nicht allein. Gott geht mit uns durch Leben und Tod. Er ist schon ein Stück vorgelaufen und kennt den Weg über den Tod hinaus.

Er begleitet uns auf allen Wegen und hält uns das Ziel vor Augen. Wir wissen, das ist nicht das Ende. Wir wissen Leid und Tod haben nicht das letzte Wort. Es wird vielleicht nicht alles gut, aber es geht gut aus. Es findet alles sein Ziel bei Gott. Ist das nicht ein Grund aufzustehen und zu bezeugen: der Herr ist auferstanden! Halleluja? Ich glaube schon!

AMEN

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