Evangelische Heimstiftung 

Angenommen werden auf dem Bauernhof

Wenig Reize auf dem Bauernhof: Green-Care-Jugendhilfe. Foto: EVH.

Haßloch/Speyer (evh). Naturerfahrungen, die Begegnung mit Tieren oder das Mitleben auf einem Bauernhof können bei Kindern und Jugendlichen positive Veränderungen bewirken. Das ist die Idee der Green-Care-Jugendhilfe. Seit einem halben Jahr ist das Angebot in die ambulanten Hilfen für Kinder und Jugendliche im Jugendhof Haßloch integriert.

Für das neue Konzept hat der Jugendhof einen großen Teil der elf Mitarbeiter von einem anderen Träger übernommen, der insolvent gegangen ist. Hans-Jörg Bertsch, Einrichtungsleiter des Jugendhofs, sieht das neue Green-Care-Team als Gewinn. „Durch Green Care haben wir unser Gesamtangebot komplettiert. Es ergänzt unsere bisherigen ambulanten Angebote inklusive des Betreuten Wohnens. Außerdem eröffnet es uns zusätzliche Optionen, um von ambulanten zu teil- oder vollstationären Betreuungsformen überzuleiten.“ Nicht zuletzt passe der grüne Gedanke für Bertsch genau in die jetzige Zeit und die Kultur und Philosophie der neuen Mitarbeiter bereichere die Arbeit.

Hilfe zur Erziehung auch auf Türkisch und Polnisch

Zum einen unterstützt das Green-Care-Team Familien bei der Bewältigung von Erziehungsproblemen und familiären Krisen. Außerdem werden Kinder und Jugendliche betreut, die in Pflegefamilien auf Bauernhöfen leben. „Die ambulanten Hilfen zur Erziehung sind unser zahlenmäßiger Schwerpunkt, insbesondere sozialpädagogische Familienhilfen und Erziehungsbeistandschaft“, erklärt Green-Care-Leiterin Tanja Retzmann. Die Mitarbeiter gehen in die Familien und bieten dort auch Hilfe auf Türkisch und Polnisch an.

„Den Green-Care-Ansatz bauen wir je nach Situation in die Arbeit ein“, berichtet Retzmann. Zum Beispiel bringe eine Kollegin ihren Hund mit, nutze ihn als Türöffner für ein Gespräch, zeige einer Familie, was sie draußen mit den Kindern machen könne, ohne dass es viel koste. Die Teamleiterin plant, in Kooperationen mit dem Verein Solidarische Landwirtschaft in Neustadt und einem Lernbauernhof bei Landau, bald weitere Angebote in die Arbeit einbauen zu können: „Gerade der Kontakt zu Tieren oder das Mithelfen beim Ernten sind für die Kinder besondere Erfahrungen, die ihnen guttun.“

Reizarmes Leben auf dem Bauernhof

Außerdem betreut das Green-Care-Team derzeit sechs Kinder und Jugendliche, die in Pflegefamilien auf Bauernhöfen auch außerhalb der Pfalz und Saarpfalz leben. „Wir suchen noch weitere Pflegestellen“, sagt Retzmann. Besonders geeignet sind kleingewerbliche Betriebe, die auf eine nachhaltige Landwirtschaft abzielen. Auf den Bauernhöfen werden insbesondere Kinder und Jugendliche betreut, die der Alltag in einer Wohngruppe überfordert. „Gerade das bodenständige, reizarme Leben auf den Bauernhöfen entspannt die Kinder und macht sie anpassungsfähig“, so Retzmanns Erfahrung.

Durch die Mithilfe auf dem Hof könnten sich die jungen Menschen gleichzeitig einbringen und Selbstwirksamkeit erfahren. „Jeder immer entsprechend seiner Möglichkeiten“, betont Retzmann. „Die Pflegefamilien vermitteln den Kindern und Jugendlichen das Gefühl, angenommen zu sein. Ticks oder Hautfarbe interessieren die Tiere nicht.“

Das Green-Care-Team übernimmt die ambulante Betreuung und Begleitung der Jugendlichen und die Fachberatung der Pflegefamilien. Die Green-Care-Mitarbeiter fahren jeden Hof ein- oder zweimal wöchentlich an und verbringen mindestens acht Stunden pro Woche vor Ort. Die Arbeit vor Ort und die zum Teil langen Anfahrtswege bis nach Bayern oder Thüringen seien für das Green-Care-Team sehr herausfordernd, weiß Retzmann. Doch die Unterbringung, weit entfernt von der gewohnten Peer Group und in einem anderen Milieu, helfe den Kindern und Jugendlichen.