Hausandacht 

Als Musik noch richtig groß war

Pfarrerin Anja Behrens.

Pfarrerin Anja Behrens in ihrer Hausandacht:

„Mit dem Rad durch die Stadt, den Kopfhörer drin, der Walkman am Leiern, ich war am Singen ...“ schon die ersten Zeilen dieses Liedes versetzen mich zurück in die Zeit, „als Musik noch richtig groß war“ (so der Songtitel siehe Link).

Das Lied von Olli Schulz ist für mich selbst „groß“. Aber vor allem erinnert es mich daran, wie sich mit bestimmter Musik große Gefühle und konkrete Erinnerungen verbinden: Kinderkantorei in Nortorf in Norddeutschland. Wir singen ein Stück über Seeleute, tragen alle gelbe Ostfriesennerze und ich kann noch heute eines der Lieder singen: „Nun fahren wir nach Rio zum Zuckerhut, zum Zuckerhut, das ist der Berg von Rio, den kennt ein Seemann gut.“ Nicht gerade ein großer Text. Für mich damals aber verbunden mit dem großen Gefühl, in einem Kinderchor gemeinsam zu singen und erste Bühnenerfahrung zu schnuppern. Oder im Zeltlager der Pfadfinder St. Georg im Sommer im Schwarzwald. Das Lagerfeuer brennt, wir sitzen im großen Kreis und singen laut das Lied von Queen: „We will rock you“. Wir singen und klatschen rhythmisch und fühlen uns frei.

Es gibt noch mehr Erinnerungen, die sofort wieder da sind, wenn ich bestimmte Musik höre. Ich finde es großartig, dass es Musik gibt. Was für ein besonderes Geschenk für uns Menschen! Musik gibt Gefühlen Raum; sie tröstet, sie wühlt auf, sie beruhigt. Text und Musik verbinden sich und öffnen Räume in der Seele. Musik hält zusammen – manche Paare denken verklärt an ein gemeinsam erlebtes Konzert, manche Clique hat „ihr Lied“ und Fußballfans auch. Text und Musik verbinden sich zu einer besonderen Dichte – in jeder Geschmacksrichtung kommt das vor.

Von Schlager bis Punk, von Rap bis Klassik. „Wer singt, betet doppelt“: Dieser Ausspruch wird dem Kirchenlehrer Augustin aus dem 4. Jahrhundert zugeschrieben. Singend können wir etwas ausdrücken, was wir mit Worten so nicht formulieren könnten. Und beim Singen spüren wir die Resonanz in uns selbst. Ich erlebe das in verschiedener Weise. Wenn wir zu viert vor dem Essen singen: „Segne Vater diese Gaben“ und so unsere Gemeinschaft über uns selbst hinausreicht. Wenn die schlichten vierstimmigen Lieder aus der Kommunität in Taizé es in den Singenden ruhig werden lassen. „Nada te turbe - Nichts soll dich ängstigen“. Oder bei festlichen Abendmahlsgottesdiensten. Wenn die Gemeinde zusammen mit der Orgel laut in das Sanctus einstimmt: „Heilig, Herr Gott Zebaoth! Heilig, Herr, der Himmelsheere! Starker Helfer in der Not! Himmel, Erde, Luft und Meere sind erfüllt von deinem Ruhm; alles ist dein Eigentum.“ Da ist Kraft.

„Wer Lob singt, singt nicht nur, sondern liebt auch den, dem er singt“ – so lautet das überlieferte Zitat des Augustinus. All das fehlt in der Zeit der Pandemie den Gemeinden, die nicht singen dürfen. Und es fehlt allen, die gemeinsam erlebte Konzerte vermissen und Sehnsucht haben, sich wieder in lauter Musik zu verlieren, zu tanzen. Und vor allem auch gemeinsam zu singen, wie damals am Lagerfeuer oder heute alle zusammen im Sonntagsgottesdienst.

„Jetzt, wo Musik nicht mehr ganz so groß ist, aber immer noch so schön...“ singt Olli Schulz und richtet diese Zeilen an sein Kind: „Irgendwann wirst du groß sein und suchst deine Melodie ...“

Welche Musik gehört zu Ihrer Lebensmelodie? Lauschen Sie ihr nach - der Musik, die groß war und ist in Ihrem Leben. Und hören und singen Sie doch heute mal ein Stück aus Ihrer ganz persönlichen Playlist.