Bewahrung der Schöpfung 

Delegierte: "Wir müssen das Lassen lernen"

Neustadt/Weinstraße (ack). „Wir müssen das Lassen lernen“: Wie ein roter Faden zog sich diese Einsicht durch die Delegiertenversammlung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, Region Südwest, im Kloster Neustadt. In einem Studienteil befassten sich die rund 30 Vertreterinnen und Vertreter aus den 13 Mitgliedskirchen mit biblischen und systematischen Grundlagen des christlichen Auftrags zur Bewahrung der Schöpfung. Beim Austausch zum Thema Missbrauch und Gewalt betonten die Delegierten die gemeinsame Verantwortung aller Kirchen.

Den biblischen Schöpfungsberichten zufolge habe der Mensch „keine schrankenlose Lizenz zur Ausbeutung der Schöpfung“, sagte Jörg Barthel. Für den Professor für Biblische Theologie an der Theologischen Hochschule Reutlingen zielt die Heilige Schrift vielmehr auf eine „Ethik des Lassens“, die dazu aufruft, „neu zu lernen, wo wir nicht alles rausholen müssen“. Dabei sei der für die Bibel zentrale „Zusammenhang von Bewahrung der Schöpfung und sozialer Gerechtigkeit“ zu beachten. Weiter sagte Barthel, dass seit dem Sündenfall in der Welt die ursprüngliche Balance zwischen dem „erhaltenen Bewahren“ und einem „umgestaltenden Bebauen“ gestört sei: „Wo das Bebauen zu entfesselter Arbeit wird und der Mensch nicht mehr Hüter seines Bruders sein will, dort wird der Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung verfehlt.“

Die globale Krise als Zeichen einer spirituellen Krise

„Wir sind in eine neue Epoche der Erdgeschichte eingetreten“, so Klaus Heidel von der „Werkstatt Ökonomie“ in Heidelberg. Er wies darauf hin, dass im so genannten Anthropozän der Mensch zum „dominierenden Faktor des Erdsystems“ geworden ist. Angesichts gravierender Verletzungen planetarischer Grenzen habe Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“ zu einer „kulturellen Revolution“ bzw. „großen Transformation“ aufgerufen. Diese müsse umfassend und weltweit gestaltet werden und zugleich „die Ökologie und die soziale Frage zusammendenken“. Dabei ist für Heidel „die globale Krise Zeichen einer spirituellen Krise in Folge einer Selbstüberschätzung des Menschen“. Heidel warb für eine neue Bescheidenheit, „die sich mit genug zufriedengibt und die mit denen teilt, die in Not sind“.

Die Aufgabe der Kirche besteht für Heidel darin, die Menschen zum „Loben und Staunen“ zu animieren, damit sie „in den Dingen eine göttliche Botschaft erkennen“ und so aufhören, „bloße Konsumenten und Ausbeuter“ zu sein. Dazu bedürfe es einer „ökologischen und transformativen Spiritualität, die sich in einem prophetischen und kontemplativen Lebensstil zeigt“. Konkret warb Heidel dafür, Kirchengemeinden in „Lernorte und Reallabore für eine alternative Praxis“ umzugestalten bzw. neu zu gründen. Am Ende der sich anschließenden Diskussion erklärten die Delegierten und ihre Stellvertreter, dass sie das Anliegen der Aktion „Fridays for future“, mit der Schüler für mehr Klimaschutz streiken, teilen und unterstützen.

Missbrauch in der Kirche als „ökumenischer Testfall“

Beim Thema sexueller Missbrauch und dem damit verbundenen Vertrauensverlust der Kirchen wies ein Delegierter der Evangelischen Kirche des Rheinlands auf die „Verantwortung aller Kirchen“ hin, „dass solche Fälle nicht mehr passieren“. Das Thema Missbrauch sei ein „ökumenischer Testfall, bei dem wir uns wehren müssen, wenn sich eine Konfession auf Kosten anderer profilieren will“. Weil die Kirchen in der Öffentlichkeit als „Haftungsgemeinschaft“ wahrgenommen würden, seien vielmehr „koordinierte und konzertierte Aktionen“ notwendig. Ein Vertreter der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ergänzte: „Bei Gewalt und Missbrauch ist das Wesen der Kirche als Ort der Liebe Gottes selbst betroffen.“