Geschlechtergerechtigkeit 

Ziel ist vollständige Gleichstellung

Interviewrunde: Die frühere Leiterin des Martin-Butzer-Hauses, Ulrike Nickel, Pfarrerin Belinda Spitz-Jöst, Dekanin Waltraud Zimmermann-Geisert, Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum und Gemeindepädagogin Annette Heinemeyer (v.li.). Foto: view

Gottesdienst mit Oberkirchenrätin Marianne Wagner, Pfarrerin Belinda Spitz-Jöst, Dekanin Dorothee Wüst und Kirchenpräsident Christian Schad (vorne von links). Foto: view

Kaiserslautern (lk). Vieles ist erreicht, aber der Weg ist noch nicht zu Ende: Bei der Jubiläumsfeier „60 Jahre Frauenordination und 50 Jahre Gleichstellung im Amt“, zu der die Gleichstellungsstelle der Evangelischen Kirche der Pfalz am Samstag nach Kaiserslautern eingeladen hatte, waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig, dass ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis im Pfarrberuf und in kirchlichen Leitungsgremien noch nicht erreicht sei. „Eine am Geschlecht orientierte Hierarchie unter Christinnen und Christen kann es nicht geben, genauso wenig wie eine an Nationalität oder gesellschaftlicher Stellung ausgerichtete Vorrangstellung der Einen vor der Anderen“, sagte Oberkirchenrätin Marianne Wagner.

Der Blick auf Kirchen in anderen Ländern zeige ein ungleiches Bild. Während  in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Boliviens 2008 die ersten Pfarrerinnen ordiniert worden seien, habe die Lutherische Kirche Lettlands 2016 Frauen das Ordinationsrecht wieder entzogen, erklärte Wagner. Wichtig sei, mit den betroffenen Kirchen im Austausch zu bleiben und „von unserer Seite auch Frauen in leitenden geistlichen Ämtern bei den theologischen Gesprächen zu beteiligen“, sagte Wagner. Jungen Kolleginnen in der pfälzischen Landeskirche machte die erste geistliche Oberkirchenrätin Mut, nach Wegen zu suchen, wie sie ihrer Berufung gerecht werden könnten, Zeuginnen für Jesus Christus zu sein und nicht zu verzagen „angesichts der Herausforderungen, die das Pfarramt mit sich bringt“.

„Rechtliche Regelungen sind das eine, innere Zustimmung und äußere Anerkennung das andere“, sagte Kirchenpräsident Christian Schad in seinem Grußwort. So habe es noch bis in die späten 1990er Jahre gedauert, bis in den pfälzischen Kirchengemeinden die gleiche Akzeptanz von Frauen und Männern im Pfarrdienst erreicht worden sei. Dass das kirchliche Leben in allen seinen Dimensionen Frauen und Männern offen stehe, sei auch im ökumenischen Kontext von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Was bei der pfälzischen Landeskirche seit 60 Jahren gelte, sei andernorts noch nicht oder schon nicht mehr möglich, sagte Schad . „Auch darum hat es einen ganz besonderen Wert, über die Frauenordination in unserer Landeskirche, die andernorts leider keine Selbstverständlichkeit ist, nachzudenken“, so Schad. Er äußerte die Hoffnung, „dass Kirche schließlich doch zu einem geschlechtergerechten Ort für Frauen und Männer werden kann“.

Bei der Jubiläumsveranstaltung erinnerte der Kirchenpräsident an die Pfarrerinnen der ersten Generation, wie Irmgard Gauer, Elisabeth Schmidt, Irmgard Frank und Renate Hust. Diese ersten Theologinnen seien zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt gewesen: Ihre Bezahlung war schlechter als die ihrer männlichen Kollegen, sie mussten zölibatär leben, das heißt, „entweder unverheiratet als Pfarrerin oder verheiratet als Ehefrau und Mutter, aber ohne die Möglichkeit, ihren Beruf auszuüben“. 1968 kam es zur endgültigen rechtlichen Gleichstellung und damit zu einem einheitlichen Pfarrdienstgesetz für Frauen und Männer. In einer von der landeskirchlichen Gleichstellungsbeauftragten, Pfarrerin Belinda Spitz-Jöst, moderierten Talk- und Interviewrunde unter dem Motto „Weibsbilder in der Männerkirche“ waren unterschiedliche Facetten des Pfarrerin- und Frau-Seins Thema. Verantwortliche der  Frauenarbeit, des Theologinnenkonvents und der Pfarrvertretung, eine Berufsanfängerin, Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum, und eine erfahrene Pfarrerin, Dekanin Waltraud Zimmermann-Geisert, standen Rede und Antwort, sprachen über Erlebtes und über das, was sie sich wünschen.

Mit der Etablierung der Gleichstellungsarbeit in den Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) habe sich „viel bewegt“, sagte Pfarrerin Spitz-Jöst. Eine umfassende Geschlechtergerechtigkeit, beispielsweise durch eine ausgewogene Besetzung von Führungs- und Leitungspostionen, sei indes noch nicht erreicht. „Wirklich zufrieden können wir erst sein, wenn nicht nur zahlenmäßig ein Gleichstand erreicht ist, sondern die Gleichstellung der Geschlechter so selbstverständlich ist, dass das Geschlecht tatsächlich nicht mehr erwähnenswert ist, sondern allein die Fähigkeit einer Amtsperson.“ Gleichstellungsarbeit heiße nicht Gleichmacherei. Vielmehr sei es „die Vielfalt der Schöpfung, die zum Gewinn für das Miteinander und die Freiheit des Menschen werden kann“, so Spitz-Jöst. Musikalisch umrahmte das Duo „Zwei-Teiler“ die Gesprächsrunde.

Hintergrund: Die Evangelische Kirche der Pfalz hatte mit dem am 1. Juli 1958 verabschiedeten „Gesetz über die Dienst- und Besoldungsverhältnisse der Theologinnen der Pfälzischen Landeskirche“ als eine der ersten Landeskirchen in Deutschland Frauen den Zugang zum vollen Pfarramt und zur Ordination ermöglicht. Mit dem von der Landessynode am 13. November 1968 beschlossenen „Gesetz über den Dienst der Theologin in der Pfälzischen Landeskirche“ wurden die Pfarrerinnen ihren männlichen Kollegen vollends rechtlich gleichgestellt.