Diskussionsveranstaltung der Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz und der Evangelischen Akademie 

Europa muss näher zu den Menschen

Diskussionsrunde mit Robert Schnatz, Christoph Picker, Heike Raab und Fritz Lienhard (von links). Foto: lk

Kaiserslautern (zirp/lk). In Deutschland und anderen europäischen Ländern erstarken angesichts der Krisen in Politik und Wirtschaft EU- und europakritische Bewegungen und Parteien. Wie der Glaube an ein gemeinsames und gefestigtes Europa dennoch wieder an Kraft gewinnen kann, diskutierten Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Theologie bei der Veranstaltung „Die europäische Idee: Götterfunken oder Sternenstaub?“ in Kaiserslautern. Die Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP) und die Evangelische Akademie der Pfalz hatten im Zuge des Themenjahres „Reformation und die Eine Welt“ gemeinsam dazu eingeladen. Europa habe nicht nur ein Stimmungsproblem, „hier geht es um konkrete Sachfragen“, sagte Christoph Picker, Direktor der Evangelischen Akademie der Pfalz. 

Die aktuell dominierenden Themen in Europa seien nach wie vor der Brexit, die Flüchtlingspolitik und die finanzielle Situation. Rheinland-Pfalz profitiere von offenen Grenzen, und die europäische Idee gehöre selbstverständlich zum Alltag. Dies zeigten vielfältige Projekte, in denen länderübergreifend zusammengearbeitet und -gelebt werde. Darauf wies Staatssekretärin Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes beim Bund und für Europa, hin. „Die europäische Einigung wird zu oft auf die staatliche Ebene begrenzt. Dabei ist sie in den Regionen wie bei uns mit der Oberrhein-Region und in der Großregion schon gelebter Alltag. Wir respektieren uns als eigenständige Partner und sehen uns doch als Gemeinschaft.“ Die europäischen Herausforderungen ließen sich nur gemeinsam lösen. „Als Europäerinnen und Europäer dürfen wir die Debatte über die Zukunft Europas nicht ihren Feinden überlassen“, forderte Raab. 

Fritz Lienhard, Professor für Praktische Theologie an der Universität Heidelberg, betonte den Beitrag, den Christen für Europa angesichts von Nationalismus, Flüchtlings- und Identitätsfragen leisten könnten. „Das Christentum bietet eine Identität an, die Solidarität und Menschlichkeit ermöglicht, und ist geprägt von einem Gott, der alle Menschen liebt“, sagte Lienhard. Nächstenliebe bedeute aber nicht, die Konfrontation mit Problemen und Differenzen zu meiden, sondern anzunehmen. Das Gespräch unter den Nationen und Religionen diene Europa dann, wenn die einzelnen Partner bereit seien, das Eigene zu relativieren und die Meinung des anderen zu respektieren, so der Theologe. Dabei habe „der Streit mit dem anderen und der Vorwurf an den anderen“ ebenso seine Berechtigung, wie der „Einwand und Zweifel gegenüber den eigenen Traditionen“, sagte er. 

Lienhard führte aus, dass der Austausch in Europa auf lokaler und regionaler Ebene beginnen müsse, damit die Bevölkerung tatsächlich daran Anteil haben könne. „Die Nöte und Empfindungen der Menschen sind subjektiv. Wir müssen sie ernst nehmen“, mahnte er angesichts der starken Protestbewegungen. Alle drei Diskutanten waren sich darin einig, dass Europa oftmals zu abstrakt und schwer zu vermitteln sei. „Es spricht eher den Verstand als das Herz an. Europa muss wieder näher an den Menschen kommen“, resümierte Raab. Dass sich Europa auch wirtschaftlich lohne, bestätigte Robert Schnatz, Vorstandsmitglied der Gebrüder Pfeiffer SE. Für das global agierende Unternehmen seien offene Grenzen und ein friedliches Miteinander unabdingbare Voraussetzungen seines Exporterfolgs.  

„Europa – das ist, wie auch die heute geführte Diskussion gezeigt hat, ein Wechselspiel aus Philosophie und Pragmatismus. Wir sollten uns wieder mehr vor Augen halten, dass Europa sowohl Friedens- als auch Wohlstandsversprechen war. Die Menschen haben mit der europäischen Einigung Lebensqualität und Freiheit gewonnen“, unterstrich Heike Arend, Geschäftsführerin der ZIRP.