Kirche und Bildung 

Die Landeskirche geht in die Bildungsoffensive

Digitalisierung im Bereich Bildung: Lernen vor dem Bildschirm. Foto: Pixabay

Früh übt sich, wer ein Meister werden will: Unterricht in einer Grundschule. Foto: Pixabay

Nicht nur zum Weltalphabetisierungstag am 8. September und zum Schulbeginn nach den Sommerferien: Das Thema Bildung ist dauerhaft aktuell. Die Landeskirche hat eine Bildungsoffensive gestartet.

Wer im Internet Nachrichten zum Begriff "Bildung" sucht, bekommt seitenweise Treffer, die nicht älter sind als 24 Stunden. Lehrermangel, Bildungslücken, Bildungsgerechtigkeit … Das und mehr wird quasi stündlich diskutiert. Auch für die evangelische Kirche steht das Thema ganz oben auf der Agenda. Schließlich war die Reformation auch eine Bildungsbewegung.

Die Erfindung des Buchdrucks, die Übersetzung der Bibel ins Deutsche durch Martin Luther und das bildungspolitische Engagement seines Mitstreiters Philipp Melanchthon machten die biblische Botschaft allen Menschen zugänglich. "Bildung war von nun an kein Privileg des Adels mehr, auch das einfache Volk konnte in die Schule gehen und lesen lernen", erinnert Anja Diesel.

Kirche macht Schule

Diesel ist Leiterin des Erziehungswissenschaftlichen Fort- und Weiterbildungsinstitut der evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz (EFWI) in Landau. Die Einrichtung bietet im Auftrag des Landes Lehrenden aller Schularten Fortbildungen zu aktuellen Themen an. Heute, am 8. September 2023, feiert das EFWI 50 Jahre Jubiläum. Das Institut ist aber längst nicht die einzige Bildungseinrichtung der Pfälzischen Landeskirche. Angebote beispielsweise der Evangelischen Akademie, der Arbeitsstelle Bildung und Gesellschaft oder des Landesjugendpfarramts richten sich an Menschen jeden Alters.

Auch in den Schulen ist die Kirche präsent. Einige Pfarrerinnen und Pfarrer unterrichten hauptberuflich an staatlichen Gymnasien oder Berufsschulen Religion. "Nicht zu vergessen die Kolleginnen und Kollegen im Gemeindepfarramt, die vier Wochenstunden an Grundschulen unterrichten", sagt Oberkirchenrat Claus Müller. Er ist zuständig für Bildungsfragen im Landeskirchenrat und hat gerade federführend eine Bildungsoffensive gestartet: "Wir wollen die Infrastruktur der Landeskirche im Bereich Bildung fit für die Zukunft machen."

Bildung braucht Digitalisierung

Als erstes Stichwort nennt Müller eines, das derzeit oft zu hören ist: Digitalisierung. Die Bildungsoffensive sieht vor, dass mehr Angebote digital und asynchron angeboten werden. Menschen sollen etwa einen Vortrag nicht nur online hören oder sehen können, sondern genau dann, wenn sie Zeit dafür haben. Auch die Rolle der Lehrenden sieht Claus Müller im Wandel. "Sie sind nicht mehr so sehr diejenigen, die eine Sache erklären, Erklärungen sind ja genügend im Internet zu finden." Stattdessen ginge es stärker darum, online-Angebote auszuwählen, zu empfehlen und Dinge in die Praxis einzuordnen.

Menschen brauchen Werte

Gefragt sei weniger Sachwissen als vielmehr Orientierung. Eben darin sieht Claus Müller den entscheidenden Beitrag der Kirchen für die Bildung in der Gesellschaft: "Menschen brauchen Wurzeln und Flügel", zitiert der Oberkirchenrat Johann Wolfgang von Goethe, "den Menschen ihre Wurzeln wieder näherzubringen, halte ich für sehr wichtig". Besonders in den andauernden Krisenzeiten kann eine gute Erdung helfen.

Krise ist dabei freilich ein Stichwort, mit dem auch die Landeskirche umgehen muss. Ähnlich den Einnahmen aus der Kirchensteuer sinken auch die Zahlen künftiger Pfarrerinnen und Pfarrer. "Wir werden nicht alle Gestellungsverträge für die Pfarrstellen an Gymnasien und Berufsschulen halten können", stellt Claus Müller nüchtern fest, "weil wir das Personal in den Gemeinden brauchen." Völlig zurückziehen aus diesem Bereich werde man sich aber auf keinen Fall. Solch intensiven Kontakt zu Kindern und Jugendlichen wie in den Schulen habe die Landeskirche sonst nirgends.

Reli-Unterricht wird ökumenisch?

Die Zukunft des Religionsunterrichts bleibt ohnehin spannend. Die Evangelische Kirche der Pfalz und das Bistum Speyer starten mit dem neuen Schuljahr an ausgewählten Schulen den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht (KoKoRU) - ein Modellprojekt, das bereits in anderen Bundesländern erprobt wird. Dabei werden evangelische und katholische Schülerinnen und Schüler nicht nach Konfessionen getrennt, sondern gemeinsam "in Reli" unterrichtet. "Wir brauchen diese neue Form des Religionsunterrichts", sagt Thomas Niederberger, der das landeskirchliche Amt für Religionsunterricht leitet. Bei allen Herausforderungen, die damit verbunden sind, scheint der interkonfessionelle Unterricht –auch im Dialog mit weiteren Religionen - zeitgemäß und zukunftsträchtig.

Bildung ist Reformation

Gemeinsame Wurzeln finden, Werte vermitteln, gute und gerechtere Bildung für alle ermöglichen: Das sind ehrgeizige und langfristige Ziele kirchlicher Bildungsarbeit. Sie will angepackt und gut vernetzt sein. Die Bildungsoffensive der Landeskirche – von Kita, Schule, Erwachsenenbildung bis Seniorenarbeit - hat gerade erst begonnen. "Wir denken jetzt erstmal bis 2030. Dann werden wir sehen, wo wir stehen, Pläne und Ziele gegebenenfalls anpassen und weitermachen", meint Oberkirchenrat Claus Müller gelassen. Bildung ist demnach nichts anderes als dauerhafte Reformation. 


Autor: Dejan Vilov