Die Evangelische Kirche der Pfalz will Menschen in schwierigen Lebenslagen mit einem neuen Seelsorgekonzept besser unterstützen. Ein entsprechendes Konzept berät die Landessynode auf ihrer Frühjahrstagung in Bad Dürkheim.
Mit dem von einer Projektgruppe erarbeiteten Papier wolle die Landeskirche Leitlinien für die Seelsorge setzen und unabhängig von möglichen Stellenkürzungen im Zuge des Reformprozesses der Landeskirche Qualitätsstandards entwickeln, sagte der Bildungs- und Seelsorgedezernent, Oberkirchenrat Claus Müller. Über die Seelsorge könnten auch Menschen an die Kirche „andocken“, die bisher mit ihr keinen Kontakt gehabt oder diesen eingestellt hätten, sagte Müller.
8 WG-Zimmer für Studierende
Ein Beispiel ist die Evangelische Studierendengemeinde (ESG) Landau als eine von neun ESG auf dem Gebiet der pfälzischen Landeskirche. Anja Lebkücher, fast 10 Jahre lang Pfarrerin der ESG Landau, erlebt das in den Seelsorgegesprächen, die sie spontan oder nach Anmeldung in ihrem Büro in der ESG-Gemeinde führt, wo acht Studierende jeweils auf Zeit wohnen. Gespräche führt sie aber auch am Rande der zahlreichen ESG-Veranstaltungen -von Wanderungen über Plätzchenbacken, Trommelbau, Handlettering oder Gottesdienste mit anschließendem Abendessen.
Die Themen seien vielfältig, sagt Lebkücher. Sie reichten von Prüfungsangst, Konflikten in der Herkunftsfamilie, Zweifeln am begonnenen Studium über Einsamkeit, eine psychische Erkrankung, dem Gefühl der Überforderung, den psychischen Umgang mit körperlichem Leiden bis hin zu Suizidgedanken oder nicht erfüllten Lebensträumen.
Seelsorge wirkt Einsamkeit entgegen
Überhaupt sei Seelsorge im weiteren Sinn – „was der Seele gut tut“, sagt Lebkücher. Die ESG-Veranstaltungen seien Möglichkeiten, andere Studierende zu treffen, Freundschaften zu schließen oder den Abend nicht allein verbringen zu müssen. „So wirken wir Einsamkeit entgegen, und meine Hoffnung und Erfahrung ist auch, dass bei diesen Begegnungen in der ESG ein guter Geist spürbar ist, etwas vom Geist Gottes“, sagt Lebkücher.
Studierende gestalten Programm mit
Das Semesterprogramm gestalten jeweils drei bis vier Studierende zusammen mit der ESG-Pfarrerin. „Oft müssen wir eine Warteliste führen, weil wir gar nicht genug Plätze für alle Interessierten haben.“ Gut angenommen werden etwa die Führung durch das unterirdische Landau, aber auch die ökumenischen Taizégottesdienste einmal pro Semester mit der Katholischen Hochschulgemeinde. Ein Schnupperabend zur Gebärdensprache mit der Gehörlosenseelsorgerin der pfälzischen Landeskirche, Josephine Lew, musste sogar wiederholt werden wegen des großen Andrangs und in einen Hörsaal der Universität verlegt werden. Und nicht zuletzt werden zusammen mit den anderen ESG in der Nähe in Ludwigshafen, Speyer und Germersheim Aktivitäten gestemmt.
Saxofon und Cajon statt Orgelmusik
„Als ESG-Pfarrerinnen und -Pfarrer erreichen wir eine Zielgruppe, die der Kirche sonst verloren zu gehen droht“, sagt Lebkücher, nämlich „junge Erwachsene zu dem Zeitpunkt, wo sie die Schule, ihr Elternhaus und ihren Heimatort verlassen.“ Dass bei diesem Übergang der Bezug zu Glaube und Kirche nicht verlorengehe, sondern sich weiterentwickeln könne, sei der Kern ihrer Arbeit, betont die 49-Jährige.
Bewusst finden die von jeweils rund zehn Studierenden mitgestalteten Gottesdienste an einem Abend unter der Woche statt, um diese Zielgruppe zu erreichen. Doch nicht nur das. „Wir singen nur neuere Lieder, die von Studierenden auf Klavier, Saxofon oder Cajon begleitet werden“, sagt Lebkücher. „Nie auf der Orgel.“
Hilfe für angehende Lehrerinnen und Lehrer
Eine Besonderheit des Seelsorgeauftrags von Studierendenpfarrerinnen und -pfarrern sei, dass nach etwa jeweils sieben Jahren alle Studierenden, die in Kontakt mit der ESG stünden, „ausgetauscht“ seien, bemerkt Lebkücher. „Weil sie ihr Studium beendet oder die Unistadt verlassen haben.“ Zwar habe dieser Wechsel auch positive Seiten: „Das haben wir schon immer so gemacht“, sei nie zu hören. Auf der anderen Seite sei kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit mit Blick auf die Erstsemester nötig. „Wer anfängt zu studieren, kennt dieses kirchliche Angebot ja erst mal gar nicht.“
In Landau kommt auf die ESG-Pfarrerin noch eine weitere Aufgabe zu, weil dort Theologie für das Lehramt an Förderschulen, Grundschulen, Realschulen und Gymnasien studiert werden kann. Lebkücher hilft den zukünftigen Religionslehrerinnen und -lehrer mit speziellen Angeboten, bietet etwa Kurse zu Biblischen Erzählfiguren an. „Durch ihr Theologiestudium setzen sich diese jungen Menschen bewusst mit dem eigenen Glauben auseinander“, sagt Lebkücher. Und das hat mitunter Folgen: „Immer mal wieder treten bei mir in der ESG Studierende in die Kirche ein oder lassen sich von mir taufen, weil sie evangelische Religionslehrerinnen und -lehrer werden wollen.“