Das Thema Armut greift die Ausstellung „­Genug …?“ auf, die nach ihrer Premiere auf dem Kirchentag durch die Pfalz tourt. In Kaiserslautern haben Konfirmandinnen und Konfirmanden neue Einblicke gewonnen.

Von Florian Riesterer

KAISERSLAUTERN. „Suche Arbeit und eine Wohnung!“ steht auf der riesigen Fahne, die von der Empore in der Kaiserslauterer Unionskirche hängt. „Habe zwei Kinder zu versorgen und hohe Schulden“ auf einer weiteren. Pappschilder von Menschen, die betteln müssen, um zu überleben, hat der Künstler Albrecht Wild auf Fahnen der jeweiligen Herkunftsländer verewigt. Jetzt sind sie Teil der Ausstellung „Genug …?“.

Links hinter dem Eingang der Kirche emp­fangen Besucher*innen zwei lebensgroße Figuren eine obdachlose Person im Schlafsack und eine Person, die ihr Hab und Gut im Einkaufswagen transportiert. Neben dem Altar steht ein Kälte-Iglu. Mit diesen isolierten Mini-Schlafkabinen hat die Tagesbegegnungsstätte Lichtblick in Neustadt gute Erfahrungen gemacht.

„Aktuelle Jugendstudien haben gezeigt, dass das Thema Armut Jugendliche umtreibt“, sagt Katharina Willig-Rohrbacher. „Sie machen sich Sorgen, wie sie später ihr Leben finanzieren.“ Die Referentin für Konfirmandinnen- und Konfirmandenarbeit im Landesjugendpfarramt der Evangelischen Kirche der Pfalz hat deshalb die Ausstellung mit Grundsatzreferent Alexander Kurz und weiteren Personen zusammengestellt. Sie knüpft an die Jahreskampagne „Anpacken!“ der Evan­gelischen Jugend der Pfalz an, die Kinder- und Jugendarmut in den Fokus nimmt.

Willig-Rohrbacher und Kurz bieten an, Konfirmandinnen und Kon­firmanden das Thema näherzu­bringen. Pfarrer Tilman Grabinski macht davon Gebrauch. 22 Jugendliche der Kooperationsregion Kaiserslautern haben dafür kleine Gruppen gebildet.

Alexander Kurz betrachtet mit fünf Jugendlichen die „Bettelfahnen“ und den inszenierten Obdachlosenschlafplatz. Was könnten Gründe sein, weshalb Menschen ohne festen Wohnsitz leben? Und wie begegnen ihnen die Jugendlichen, was fühlen sie, will er wissen. Krankheit oder Arbeitslosigkeit zählen die Konfirmand*innen auf. Aber auch eine möglicherweise selbst gewählte Freiheit nennen sie.

„Ich frage mich, wie es der Person wohl geht, wenn sie niemanden hat“, sagt ein Jugendlicher, „ich empfinde Mitleid“, ein anderer. „Ich schäme mich, dass es mir so gut geht und ihm nicht“, zeigt ein weiterer Kommentar, wie die Ausstellungsexponate zum Nachdenken über die eigene Situation anregen. Ansprechen würde von den Jugendlichen die Obdachlosen niemand, Geld geben vielleicht schon, lautet das Fazit eines Stellungsspiels.

„Ich könnte mir nicht vorstellen, auf der Straße zu leben“, sagt Luis, nachdem er das Kälte-Iglu ausprobiert hat. Sie habe Platzangst empfunden, sagt die zwölfjährige Mara zu dem Er­lebnis in der mobilen Übernachtungsunterkunft für Obdachlose. „Besonders wenn ich mir jetzt noch vorstellen müsste, Gepäck mit hi­neinzunehmen.“

An einer weiteren Station vor der Kirche stehen große bunte Plastikbausteine. „Fernsehen“, „Kleidung“ oder „Miete“ stehen auf der Vorderseite. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden bauen sich im wahrsten Wortsinn ihren eigenen Alltag in einer Mauer zusammen. Anschließend rechnen sie zusammen, was auf der Rückseite der Bausteine an monatlichen Kosten der einzelnen Bausteine verzeichnet ist. Rund 2400 Euro steht am Ende auf den Taschenrechnern der Smartphones. Pfarrer Grabinski stellt diese Zahl den 600 Euro Bürgergeld gegenüber und erklärt die staatliche Leistung. „Viel zu wenig“, lautet das ­Fazit der 13-jährigen Lea. „Mir ist nochmal klar geworden, wie viel Geld es braucht, um zu leben“, sagt Klara. Ihr begegne häufig Armut in der Stadt, sie treffe auch Bettler. Nicht immer sei es leicht, mit diesen Situationen umzugehen, sagt die 13-Jährige.

„Wir waren überrascht, wie wahrnehmungsstark die Jugendlichen waren“, zieht Willig-Rohrbacher, die mit den Jugendlichen an „ihrer“ Station über die Seligpreisungen in der Bergpredigt sprach, ein Fazit. „Die Bibelarbeit war sicher am schwersten.“ Dennoch sei sie begeistert, wie viel die Jugendlichen zu sagen hatten. „Sie haben aus ­ihrer Kindheit erzählt, aus ihrem Alltag.“ Der niederschwellige Zugang habe sich bewährt. „Über 90 Prozent waren dankbar, dass wir das Thema aufgegriffen haben.“ Die Rückmeldungen zeigten: Armut ist in Kaiserslautern ein Thema.

Aktuelle Ausstellungstermine und Kontakt unter www.konfi-zeit-pfalz.de.

Dieser Artikel ist zuerst im Evangelischen Gemeindeblatt für die Pfalz erschienen.

Armut als Thema in der Konfirmand*innen-Arbeit: Die Ausstellung „­Genug …?“ Foto: lk/Riesterer