Die schwindende Relevanz christlichen Glaubens und die Auflösung kirchlicher Bindungen wirken sich auch auf die Einstellungen in der Gesellschaft zum Umgang mit Sterbenden und Toten aus. Ein Referentenentwurf zur Novellierung des rheinland-pfälzischen Bestattungsgesetzes will dem Rechnung tragen. Menschen sollen die Asche ihrer verstorbenen Angehörigen im Fluss verstreuen, sie als diamantenes Schmuckstück tragen oder die Urne zu Hause ins Regal stellen können.
Das Bistum Speyer zeigt sich konsterniert und bemängelt den „Bruch mit der bislang sensiblen Bestattungskultur in Rheinland-Pfalz“. Kritisiert wird auch, dass die Kirchenvertreter*innen beim Entwurf für ein neues Bestattungsgesetz außen vor geblieben sind. Diese Kritik teilen die evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz. In einer Stellungnahme von Kirchenrat Wolfgang Schumacher in Mainz, der die evangelischen Kirchen und die diakonischen Werke des Bundeslandes vertritt, wird zwar begrüßt, dass die Mainzer Landesregierung den veränderten kulturellen und gesellschaftlichen Realitäten Rechnung tragen wolle. Doch zugleich laufe der Gesetzesentwurf Gefahr, wesentliche Teile des Bestattungs- und Friedhofswesens als elementare Daseinsvorsorge auszuhebeln.
„Die Würde Einzelner endet nicht mit dem Tod“, heißt es in der Stellungnahme der evangelischen Kirchen. Obendrein seien allgemein zugängliche Orte „auch trauerpsychologisch von gut begründbarem Wert“. Ausdrücklich gewarnt wird auch vor der Kommerzialisierung des Bestattungswesens durch privatwirtschaftliche Gewinnabsichten, sollte der Umgang mit Verstorbenen mehr und mehr in das individuelle Belieben von Angehörigen gestellt werden. Dies sei „mit würdevoller Praxis der Totenfürsorge nicht vereinbar“, schreibt Kirchenrat Schumacher. Zudem verwehre die private Aufbewahrung von Urnen anderen Personen unter Umständen die Möglichkeit, ihre Trauer an einem dafür zur Verfügung stehenden und vom Alltagserleben abgesonderten Ort zu verarbeiten.
Erwartet wird, dass der gesellschaftliche Wandel – das Einäschern in Flüssen oder Wäldern sowie die Aufbewahrung von Urnen im eigenen Zuhause – mittel- und langfristig die Aufgabe von Friedhofsflächen begünstigt. Dagegen beanspruchen die evangelischen Kirchen ein uneingeschränktes Recht auf den Erhalt ihrer Friedhöfe. Ausdrücklich begrüßt wird unterdessen die Absicht der rheinland-pfälzischen Landesregierung, die Sargpflicht aufzuheben und stattdessen auch Tuchbestattungen zu ermöglichen, wie es etwa im islamischen Ritus üblich ist. Gleichwohl äußert der Vertreter der evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz den Eindruck, der Referentenentwurf verwechsle Moderne mit Zeitgeist. Zur Würde von Menschen gehöre stattdessen auch die Sicherstellung der Totenruhe.
Ferner wird der Verdacht artikuliert, „dass es aus Kostengründen zu einer Klassifizierung von Abschieden“ komme. Vor diesem Hintergrund drängt der Kirchenbeauftragte darauf, das Erfahrungswissen kirchlicher Vertreter*innen in den politischen Prozess einzubeziehen.
Aus Sicht von Pfarrerin Diemut Meyer, Leiterin des Segensbüros „Blessed Pfalz“ der pfälzischen Landeskirche, ist die Debatte vor dem Horizont einer zunehmenden Entfremdung von Themen wie Sterben und Tod zu sehen. Sei der Opa früher im Kreis der Familie gestorben, rücke der Umgang mit diesen Themen im Bewusstsein vieler inzwischen „weit weg“. „Dass der Tod zum Leben dazugehört“, werde mehr und mehr verdrängt. Die Verlagerung von Trauer und Bestattung aus dem öffentlichen Raum ins Private leiste dieser Entwicklung Vorschub.
Eine würdevolle Bestattung sei aus christlicher Sicht ein „Werk der Barmherzigkeit“, so Meyer. Pfarrerinnen und Pfarrer könnten bei Bestattungen unter Umständen mehr Menschen mit der christlichen Botschaft ansprechen als in Gottesdiensten. Friedhöfe seien nicht selten Orte der Verkündigung. Aufgabe des Segensbüros sei es, gerade Menschen zu erreichen, denen die Institution Kirche fremder werde. Auch Jutta Fang, die als Pfarrerin zur Dienstleistung im Dekanat Bad Dürkheim-Grünstadt tätig ist, plädiert für eine stärkere Berücksichtigung der Rolle der Kirchen in der Frage des angemessenen Umgangs mit Verstorbenen. Als Seelsorgerin, die regelmäßig auf Friedhöfe geht, um Trauernden Gespräche anzubieten, weiß sie um die Bedeutung solcher Orte, an denen man eines Toten gedenken und sich an ihn erinnern kann. Räume des Gedenkens an die Verstorbenen seien unverzichtbare Elemente menschlicher Kultur.
Jutta Fang kennt auch das Beispiel einer älteren Frau, deren Freundin in einem Friedwald bestattet wurde – ein Ort, der für die ältere Dame nicht ohne weiteres erreichbar war. Und sie weiß um eine Familie, die sich gegen den Wunsch der verstorbenen Angehörigen dafür entschieden hatte, diese auf einem Friedhof zu bestatten, um sich an einem Grab versammeln zu können. Nicht selten wünschten sich Menschen selbst eine anonyme Bestattung, um Angehörigen Kosten und Aufwand zu ersparen.
Jutta Fang fände es obendrein wichtig, auf Friedhöfen Gedenkstätten für „heimatlos“ bestattete Menschen einzurichten. Friedhöfe seien nicht nur Bestattungsstätten, sondern auch „Spazierorte“, an denen Besucher Momente der Besinnung nutzten, Namen und Jahreszahlen auf Grabsteinen entzifferten und selbst Verstorbenen, die sie persönlich gar nicht kennten, damit ein gewisses Gedenken bereiteten.
Von Uwe Rauschelbach
Dieser Artikel ist zuerst im Evangelischen Gemeindeblatt für die Pfalz erschienen.