Von Lore Dohrenbusch
Die 51-Jährige betreute rund 500 Bordgäste auf der zehntägigen Nordseereise von Bremerhaven über Amsterdam, London, Edinburgh, Kristiansund und Sylt zurück nach Bremerhaven. Dass das Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland sie für die Schiffsreise ausgesucht hat, freut sie ganz besonders. „Ich bin keine Pfarrerin. Aber als Prädikantin, die zudem seit 14 Jahren als Notfallseelsorgerin aktiv ist, konnte ich offenbar in Hannover überzeugen“, sagt Schraß.
Als Geschenk empfindet sie, dass sie Dienst auf der „MS Deutschland“, dem früheren „ZDF-Traumschiff“ tun durfte, das im deutschen Fernsehen seit 1981 ein Millionenpublikum fand und den anhaltenden Kreuzfahrt-Boom auslöste. „Beim Einlaufen in den Heimathafen ertönt die Traumschiff-Fernsehmelodie an Bord immer noch“, berichtet sie lächelnd. Leider sei das Schiff, das trotz seiner Luxusausstattung inzwischen in die Jahre gekommen und das kleinste Schiff sei, nur noch bis Ende 2026 in Dienst. Als Kreuzfahrt-Veranstalter gehöre Phönix-Reisen zu den wenigen Anbietern, die bei der EKD noch Bordseelsorger*innen anforderten. Die AIDA-Schiffe etwa hätten keine mehr dabei, weil es nicht gewünscht werde. Und TUI Cruises nehme Pfarrer*innen nur noch auf Festtagsreisen über Weihnachten und Ostern mit.
Die Passagiere auf der MS Deutschland seien überwiegend im gesetzteren Alter gewesen. Erfreulich habe sie gefunden, dass so viele von ihnen an den Gottesdiensten und Andachten teilgenommen hätten. „Es waren jedes Mal um die 40 und interessanterweise gab es immer wieder spontan Ehrenamtliche, die Fürbitten übernehmen wollten oder als Kirchendiener*in einsprangen und Liedblätter verteilten“, schildert Schraß die Gottesdienste in einem Saal des Kreuzfahrtschiffs. Der Bordmusiker habe dann am Flügel begleitet. Andachten habe sie je nach Wetter an Deck gestaltet.
Die Gottesdienste hätten zu Reisebeginn und zum Abschluss stattgefunden. „An Landtagen, wenn die Passagiere Ausflüge in europäische Metropolen gemacht haben, habe ich zwei Mal jeweils um 19 Uhr einen halbstündigen Abendsegen angeboten. An Seetagen, wenn wir zur nächsten Hauptstadt unterwegs waren, habe ich jeweils um 9.15 Uhr eine Morgenandacht gestaltet.“, so Schraß.
Als Besonderheit habe sie das partnerschaftliche Miteinander an Bord wahrgenommen. „Alle Passagiere bekommen dort einen gleich guten Service, egal ob sie Zimmerklasse vier oder eins angehören. „Ich habe noch nie zuvor ein so freundliches, zugewandtes Personal erlebt, das alle derart verwöhnt hat“, sagt die Pfälzerin. Ebenso habe sie stets ein Ohr für die Passagiere gehabt, „auch wenn ich an Deck im Liegestuhl saß und mich sonnte. Bei solchen Gelegenheiten ebenso wie bei gemeinsamen Mahlzeiten oder nach Andachten hätten sich seelsorgerliche Gespräche ergeben. Themen seien oft Krankheit, Tod und der Verlust geliebter Menschen gewesen. Nicht bei allen Gesprächen habe sie sichtbar helfen können, „manches muss man zuhörend einfach mit aushalten und kann nur dadurch behilflich sein“, sagt die Seelsorgerin. Eine fröhliche Kindtaufe habe sich ergeben, als Verwandte ein Crewmitglied besucht hätten.
Ihr theoretisches und praktisches Rüstzeug hat sie nicht nur durch ihre Ausbildungen als Prädikantin und Notfallseelsorgerin mitbekommen, sondern auch durch ihre guten Kontakte zu der passionierten Pfälzer Pfarrerin und langjährigen Bordseelsorgerin Iris Schmitt. Diese habe ihr einige gute Tipps geben können, versichert Schraß.
„Auf keiner Reise zuvor habe ich so viel Gepäck mitgenommen wie bei dieser ersten als Bordseelsorgerin, ich bin mit rund 30 Kilogramm in Bremerhaven per Zug angereist. Das halbe Büro inklusive Laptop war dabei“, sagt Schraß, die auch als Sekretärin im Dekanat An Alsenz und Lauter in Otterbach arbeitet. Für die Bordseelsorge hat sie einen Teil ihres Jahresurlaubs geopfert, denn die Arbeit ist grundsätzlich ehrenamtlich. Dafür übernahm die Reederei ihre Unterbringung und Verpflegung.
In zwei Jahren möchte sie erneut als Seelsorgerin auf einem Kreuzfahrtschiff dabei sein. „Dann darf die Reise mal etwas länger sein – und vielleicht auf einem Schiff Richtung Süden“, hat sie sich vorgenommen.
Dieser Artikel ist zuerst im Evangelischen Gemeindeblatt für die Pfalz erschienen.