Eine Pfarrerin und zwei Pfarrer aus Brasilien haben sich aufgemacht, um in der Pfalz zu wirken. Seit Frühjahr weht dank Leandro Hofstätter, Elisabeht Utech-Kieckhoefel und Ilmar Kieckhoefel in zwei Kirchengemeinden und Kirchenbezirken ein südamerikanischer Wind.
Warum wagt man mit über 50 Jahren freiwillig den Neustart in einem anderen Land, einen Ozean entfernt von der Heimat? "Es ging uns gut in Brasilien", blickt der 54-jährige Ilmar Kieckhoefel zurück. Aber den Traum, in Deutschland zu leben und zu arbeiten, verfolgten er, seine 56 Jahre alte Frau Elisabeht und der 53-jährige Leandro Hofstätter schon eine ganze Weile.
Die Verbindung zu Deutschland, zur Sprache und Kultur wurde ihnen in die Wiege gelegt. Schon ihre Nachnamen verraten, dass sie mit Deutschland verbunden sind: Die Vorfahren der drei wanderten im 19. Jahrhundert nach Brasilien aus, Hofstätters Familie stammt sogar aus dem westpfälzischen Gries. Deutsche gründeten in Südbrasilien Städte, pflegten ihre Sprache und Kultur – dort, wo Leandro Hofstätter, Elisabeht Utech-Kieckhoefel und Ilmar Kieckhoefel später aufwuchsen und lebten. Die deutschen Auswanderer brachten auch ihren evangelischen Glauben mit nach Südbrasilien, der bis heute sehr lebendig ist. Kieckhoefels betreuten lange Zeit eine deutschsprachige Gemeinde in Südbrasilien.
Sehnsucht nach Deutschland
Zuvor hatten beide ein Jahr in Marburg studiert und seitdem enge Kontakte nach Deutschland gepflegt. Damals wünschten sie sich, eines Tages zurückzukommen und hier zu arbeiten. "Aber es hat nie geklappt im Laufe der Zeit", bedauert Ilmar Kieckhoefel. Ähnlich ging es Leandro Hofstätter, der vor rund 20 Jahren in Bremen promovierte. Er unterrichtete 18 Jahre lang an der Hochschule im brasilianischen Joinville Ethik und Rechtsphilosophie und war ehrenamtlich als Gemeindepfarrer tätig. Aber das reichte ihm nicht, er wollte mehr Gemeindearbeit leisten – am liebsten in der Pfalz.
Unabhängig voneinander fragten das Ehepaar und Hofstätter bei der Evangelischen Kirche der Pfalz an. Die Kieckhoefels und Hofstätter kannten sich, erfuhren aber erst durch Oberkirchenrätin Marianne Wagner gegenseitig von der Bewerbung nach Deutschland.
Bürokratische Hürden kosten Nerven
Die Corona-Pandemie bescherte den Umzugsplänen eine Zwangspause, aber dann fiel die Entscheidung der Landeskirche sehr schnell. Alle waren sich einig, hüben und drüben des Ozeans. Papiere waren vorhanden, deutsche Sprachkenntnisse ohnehin. Bevor es über den Atlantik gehen konnte, lauerte eine weitere Hürde: die deutsche Botschaft im brasilianischen Porto Alegre. Die Erlebnisse machen das Ehepaar Kieckhoefel, Leaondro Hofstätter und Oberkirchenrätin Marianne Wagner noch immer fassungslos. Vor allem bei Hofstätter gestaltete sich die Visumvergabe eklatant schwierig, so dass sich sein Einstieg verzögerte. "Das fanden wir verstörend, denn sie haben die Qualifikation, die wir brauchen", sagt Wagner, die für das Pfarrpersonal zuständig ist.
Herzliche Aufnahme, starke Unterstützung
Wir sind nicht willkommen in Deutschland: Unter diesem Eindruck reisten zunächst die Kieckhoefels am Jahresbeginn und Leandro Hofstätter im April an. Dieser Eindruck hat sich gewandelt. Von ihren Gemeinden wurden die Zugezogenen herzlich begrüßt.
Die Kieckhoefels kamen nur mit sechs Koffern an - und fanden sich in einem komplett eingerichteten Pfarrhaus wieder. Das rührt das Paar noch immer. "Die Gemeinde konnte uns nicht besser aufnehmen, wir können uns nie genug dafür bedanken", sagt Ilmar Kieckhoefel. Von einer "unglaublich herzlichen Aufnahme" und starken Unterstützung spricht auch Leandro Hofstätter. "Es war eine sehr tolle Erfahrung, meine Familie und ich sind sehr glücklich." Auch mit der Bürokratie sind die drei versöhnt, denn sie erleben die Behörden in Deutschland als hilfsbereit.
Viele Pfarrstellen sind unbesetzt, so konnten die Neuankömmlinge wählen. Die Kieckhoefels entschieden sich für Kirkel-Neuhäusel im Saarland, unter anderem wegen der Nähe zum Bahnhof. Leandro Hofstätter freut sich über seinen Einsatzort, die Gemeinde Dansenberg und Hohenecken: „Es gibt auch viele Möglichkeiten für meine Frau und meinen Sohn.“ Die Orte sind Stadtteile von Kaiserslautern. So hat sein zehnjähriger Sohn einen kurzen Weg zu einer weiterführenden Schule, seine Frau möchte als Physiotherapeutin arbeiten. Beide siedeln im Dezember in die Pfalz über. Daneben hat das Paar einen 20 Jahre alten Sohn, der eigene Wege geht. Die Kieckhoefels haben zwei Töchter, von denen eine in Deutschland studiert.
Gottesdienst mit Applaus, Sitzung mit Lied
In Brasilien spiele Religion eine ganz andere Rolle als hier, erklärt Ilmar Kieckhoefel. Die Evangelische Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien wurde zwar von Auswanderern begründet, entwickelte sich aber auf ihre Weise weiter. "Die Liturgie ist ein bisschen anders", sagt Leandro Hofstätter und Ilmar Kieckhoefel erklärt: "Man hat mehr Freiheiten, es ist nicht so formell." Die Ansprachen sind lebendiger, nach einem Lied darf gerne applaudiert werden, es wird sich umarmt. Das bringen die drei Neuzugänge nun in die deutschen Kirchen. "In der pfälzischen Landeskirche können wir so etwas machen", freut sich Hofstätter. Er und Elisabeht Utech-Kieckhoefel greifen gerne mal zur Gitarre, was bei den Gemeinden sehr gut ankommt.
Nicht nur die Gottesdienste sind in Brasilien lebendiger, sie sind auch besser besucht. "Protestanten gehören zur Minderheit in Brasilien, aber so leere Kirchen wie hier gibt es dort nicht", meint Ilmar Kieckhoefel. Er gesteht, sich noch nicht an leere Gotteshäuser gewöhnt zu haben. Immerhin scheint die brasilianische Art anzukommen. "Die Gemeinde sagt, es kommen mehr Menschen in den Gottesdienst, aber für uns sind es immer noch wenig."
Nicht so formell: So leben die Christinnen und Christen in Brasilien auch die Spiritualität im Alltag. Sie beten bei viel mehr Gelegenheiten, unter anderem vor dem Essen. Dienstliche Sitzungen ohne Andacht, Gebet oder ein Lied? Das wunderte Leandro Hofstätter hier. Er wollte daran festhalten und hat dies bei Treffen in seiner Gemeinde geändert. Den "neuen" Brauch pflegen nun seine Kolleginnen und Kollegen in der Kooperationszone bei ihren Besprechungen. Ilmar Kieckhoefel wünscht sich noch mehr Offenheit für den Wind aus Südamerika – und mehr Mut zur Veränderung: "Sonst kann man schwer etwas Neues aufbauen."