Vikarin Jasmin Mannschatz will zum theologischen Diskurs mit Blick auf queere Menschen befähigen.
Speyer. Der 17. Mai ist seit 2005 internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit. An diesem Tag hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1990 Homosexualität aus der Liste der psychischen Krankheiten gestrichen. Transsexualität entfernte sie am 19. Juni 2018 aus diesem Katalog.
Jasmin Mannschatz, Vikarin in Rodalben, hat sich dem Thema in ihrer Examensarbeit theologisch wie auch biologisch genähert. Die 29-Jährige nahm sich die "Transidentität im Horizont der christlichen Schöpfungstheologie" vor. Für ihre interdisziplinäre Untersuchung wurde sie mit dem Hanna-Jursch-Nachwuchspreis 2019/2020 der Evangelischen Kirche in Deutschland ausgezeichnet.
Anlass für Mannschatz' wissenschaftliche Arbeit sei ein transfeindliche Erlebnis im nahen Bekanntenkreis gewesen. Auf ein Coming-out sei mit folgenden Worten reagiert worden: "Schön für dich; aber weißt du, Gott macht keine Fehler!", sagt Jasmin Mannschatz. Diese Aussage habe sie "getriggert" für ihre Abschlussarbeit, auch weil "da eine große Forschungslücke im deutschen Raum besteht".
In Talkrunden würden Expertinnen und Experten mit selektiven Informationen nicht per se falsche, aber unvollständige Bilder mit Blick auf das biologische Geschlecht produzieren. Oft gingen Leute von ihrem Weltbild aus und ließen das weg, was nicht in die Argumentation passe – auch mit Blick auf Aussagen der Bibel.
Offizielles Bekenntnis der Kirche vermisst
Jasmin Mannschatz will befähigen zum theologischen Diskurs. In der Bibel stünden schließlich zwei unterschiedliche Schöpfungsberichte gleichberechtigt nebeneinander, erklärt sie. Das heiße übersetzt doch schon, dass es keine eindeutige Lesart gibt auch mit Blick auf ein biologisch determiniertes Geschlecht.
Von der evangelischen Kirche wünscht sie sich "klarere Kante" zu dem Thema. "Wenige evangelikale Stimmen seien oft lauter als die tolerante Mehrheit", sagt Jasmin Mannschatz. Dabei habe die Kirche die Chance und die gesellschaftliche Verantwortung, sich mehr einzusetzen. Vor allem Vernetzung brauche es, schließlich gebe es gute Leuchtturmprojekte wie queere Gottesdienste oder queere Stammtische.
Mehr gendersensible Sprache
Was sie vermisse, sei ein offizielles Bekenntnis der Kirche, sich aktiv einzusetzen für diese Gruppe. Mannschatz plädiert für mehr gendersensible Sprache im Gottesdienst, in Fürbitten, Gebeten oder der persönlichen Ansprache der Besucher.
Ein Umdenken finde bereits statt. So werde versucht, die eingeschlechtorientierte Dimension von Gott aufzubrechen. "Schließlich gibt es einen unglaublichen Schatz an biblischen Metaphern und Gottesbildern. Es muss nicht immer Herr Zebaoth oder der Vater sein."
Mannschatz will mit falschem Selbstverständnis aufräumen. Sie bezeichnet sich daher als cis. Darunter sind Frauen und Männer subsummiert, die sich mit dem Geschlecht analog zu ihren primären Geschlechtsorganen identifizieren – unabhängig davon, zu welchem Geschlecht sie sich hingezogen fühlen. Menschen und das biologische Geschlecht definierten sich nicht ausschließlich über ihre primären Geschlechtsorgane, dafür wolle sie sensibilisieren.
Ein zu ihrem Namen ergänztes "she/her" in der E-Mail-Signatur solle beispielsweise klarmachen, dass sich nicht jede Person mit Frauenname zwangsläufig auch als Frau fühle oder als solche angesprochen werden möchte. Durch diese Praxis können Menschen ein versehentliches misgendern, das für viele nicht binäre, queere oder Transmenschen sehr verletzend sein kann, vermeiden. Auf diese Weise werde eine Selbstverständlichkeit aufgebrochen, die von cis-Personen als allgemeingültige Norm vorausgesetzt werde.
Toleranz allein ist zu wenig
Mehr Sensibilität generell, wenn auch nicht unbedingt in der Sprache, wünscht sich auch Peter Förster. Der 74-jährige Ludwigshafener war 32 Jahre mit einer Frau verheiratet, bevor er sich als homosexuell outete.
Trotz aller Toleranz gerade in der pfälzischen Landeskirche beobachte er in der Gesellschaft immer noch, wie außergewöhnlich oder irritierend seine Homosexualität für andere sei. "Die heterosexuelle Familie mit Kind ist die Norm und dann doch ein Stückchen wertvoller", dieses Gefühl habe er immer wieder. Und in manchen Situationen verzichteten sein Partner und er aus Sorge vor Eskalation besser darauf, sich an den Händen zu nehmen, schildert er eine Begegnung jüngst in Mannheim mit einer Gruppe junger Männer.
"Toleranz ist zu wenig – Wir wollen nicht nur erduldet werden", heißt so auch das Sachbuch, das Förster jüngst veröffentlicht hat. Dabei ist ihm die Bibel immer wieder Richtschnur. "Nehmt einander an, wie euch Christus angenommen hat", zitiert er einen Vers, der für ihn im Zentrum steht. Förster, früher in evangelikalen Freikirchen unterwegs und damals mit seiner Homosexualität hadernd, will anderen Mut machen, ihren Weg als Christin oder Christ zu gehen – etwa im Hauskreis der Regionalgruppe Rheinland-Pfalz und Saarland der queeren christlichen Initiative "Zwischenraum". (flor)
● Peter Förster: "Toleranz ist zu wenig", Verlag Tredition, 2023. 62 Seiten, 11,90 Euro. ISBN 978-3-34785-108-5
Ihnen gefällt dieser Artikel und Sie möchten gern mehr davon lesen? Dann abonnieren Sie den Evangelischen Kirchenboten! Es gibt ihn auch als digitale Ausgabe.