Vor 75 Jahren gründete eine Kibbuzbewegung die Bildungsstätte Givat Haviva. Sie bemüht sich seit 1963 um den Dialog zwischen Israelis und Arabern, das zeigt eine Ausstellung in der Stiftskirche Neustadt. Die Situation in Nahost fordert die Institution heraus.

Vor 75 Jahren gründete eine Kibbuzbewegung die Bildungsstätte Givat Haviva. Sie bemüht sich seit 1963 um den Dialog zwischen Israelis und Arabern, das zeigt eine Ausstellung in der Stiftskirche Neustadt. Die Situation in Nahost fordert die Institution heraus.

Neustadt (lk). Der Konflikt zwischen Israel und Palästina ist ein Thema, das polarisiert. Das wird bei der Besichtigung der Ausstellung in der Stiftskirche Neustadt über die Initiative Givat Haviva deutlich, die sich für die Versöhnung zwischen Juden und Arabern starkmacht: "Wer ist an dem Thema schuld?", äußert sich erregt ein Besucher über die zerfahrene Situation.

Die Schuldfrage stellt die Ausstellung nicht. Sie lädt ein zum Perspektivwechsel, stellt gegenseitiges Verstehen in den Mittelpunkt. 1949 hatte eine Kibbuzbewegung die nach der jüdischen Widerstandskämpferin Haviva Reik benannte Bildungseinrichtung Givat Haviva gegründet. 1963 entstand das jüdisch-arabische Zentrum für den Frieden mit einem Bildungscampus, zu dem inzwischen auch eine internationale Schule gehört. Finanziert wird dies mithilfe des israelischen Bildungsministeriums, Zuschüssen deutscher Bundesländer und internationaler Freundeskreise, häufig aus jüdischen Communities heraus.

Miteinander statt nebeneinander

Im Mittelpunkt stehe das Konzept der "shared society", sagt Ruth Ratter. Die ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen ist seit sieben Jahren Vorsitzende des deutschen Freundeskreises, der sich starkmacht für die Friedensinitiative. Gemeindepartnerschaften beispielsweise führen jüdisch-israelische und palästinensisch-israelische Kommunen in unmittelbarer Nachbarschaft zusammen mit gemeinsamen Projekten, zum Beispiel einem Fußballplatz, sagt Ruth Ratter. Außerdem gibt es Hebräisch-Sprachkurse für Araber, um ihnen auf dem Arbeitsmarkt zu helfen.

Vorurteile widerlegen

In der Initiative "Kinder lehren Kinder" führen jüdische und palästinensische Klassen einen Dialog. Dies ist auch Thema des Projekts "Through Others’ Eyes", dessen Ergebnisse in der Stiftskirche zu sehen sind. Jüdische und arabische Jugendliche lernen sich bei dem Fotoprojekt kennen, besuchen sich gegenseitig in den Familien und bekommen Vorurteile widerlegt, etwa wenn die Jüdin im Ramadan entgegen aller Erwartung doch mit ihrem Essen bis zum Fastenbrechen wartet.

Eigentlich habe sie die 2013 entstandene Wanderausstellung überarbeiten wollen, sagt Ratter. Dann kam der 7. Oktober – "und das Thema war so aktuell wie nie." In Givat Haviva kamen verletzte und traumatisierte Menschen unter. Arabische Therapeuten kümmerten sich um jüdische Patienten.

Mehr Gewalt gegen Araber

Gleichzeitig steht die Versöhnungsarbeit vor Herausforderungen, berichtet Ratter. Laut einer aktuellen Studie steige vor allem die Gewalt gegen Araber in Israel massiv an, die achtmal mehr gefährdet seien als Juden. Die Polizei könne viele Täter nicht stellen, habe die jüdische Generaldirektorin Michal Sella bei einer Videoschalte jüngst erklärt. Programmdirektor Mohammad Darawshe, israelischer Araber, sagte, das Misstrauen der jüdischen gegenüber der arabischen Bevölkerung habe sich nahezu verdoppelt.

Hoffen auf Besserung

Gerade deshalb investiert Givat Haviva in vertrauensbildende Maßnahmen. Dialogzentren in fünf Städten sind geöffnet, der Unterricht jüdischer Lehrer in arabischen Schulen läuft weiter. Schwer werde es allerdings, für die internationale Schule Schüler aus dem Ausland zu gewinnen, sagt Ratter. Das habe auch Auswirkungen auf die Finanzierung. "Wir hoffen, dass sich die Situation bis zum Sommer verbessert", sagt sie – und betont, dass es dem Freundeskreis nicht nur um das Sammeln von Geldern gehe: "Wie die Menschen unter verschärften Bedingungen Konflikte lösen, davon können wir lernen in Deutschland."

Infoblock:

Die Ausstellung ist bis 12. Juni zu sehen, die Öffnungszeiten sind Montag bis Samstag, 11 bis 15 Uhr. Führungen finden dienstags am 7., 14., 21. und 28. Mai sowie am 4. und 11. Juni um 16 Uhr statt oder nach Absprache unter rratter@givat-haviva.net. In der Reihe "Gespräche am Abend" informiert Ruth Ratter am Dienstag, 7. Mai, 19.30 Uhr, in der Stiftskirche über die Entwicklung in Israel. Spenden an Givat Haviva Deutschland sind möglich unter IBAN DE39 5519 0000 0353 4510 16. Informationen gibt es unter www.givat-haviva.net.

 

 

 

In der Ausstellung in der Stiftskirche Neustadt: Ruth Ratter, Vorsitzende des Deutschen Freundeskreises von Givat Haviva. Foto: Marion Linzmeier-Mehn

In der Ausstellung in der Stiftskirche Neustadt: Ruth Ratter, Vorsitzende des Deutschen Freundeskreises von Givat Haviva. Foto: Marion Linzmeier-Mehn