Männer sind alle gleich. Weil sie alle gleich verschieden sind. Genau wie die Angebote, die Kirche für Männer macht: Schwitzhütten und Särge bauen oder quicklebendig mit den Kindern toben. Die Angebote sind so vielfältig wie die Geschlechterrollen.
Genau vor vierzig Jahren hat Herbert Grönemeyer zum ersten Mal gesungen: "Wann ist ein Mann ein Mann?" Als der deutsche Musiker im Jahr 1984 in seinem wohl bekanntesten Lied die Frage stellt, liefert er die Antwort gleich mit. Oder besser gesagt: Die Antworten. Das sind zunächst die klassisch männlichen Stereotypen wie "in den Arm nehmen", "Geborgenheit geben", "heimlich weinen", "einen Herzinfarkt bekommen", "Muskeln haben", und "furchtbar stark sein". Aber dann ist auch die Rede davon, dass Männer "außen hart und innen ganz weich" sind, "viel Zärtlichkeit" brauchen und zudem "so verletzlich" sind.
Langer Songtext, kurzer Sinn: Manches klingt bereits etwas überholt. Inzwischen weinen manche Männer öffentlich oder "bestechen" eher durch Elternzeit und Work-Life-Balance statt durch "Geld und ihre Lässigkeit", wie Grönemeyer singt. Aber er hat bereits vor vierzig Jahren gewusst, dass es zur Männerfrage keine eindeutigen Antworten gibt. In diesen Zeiten, da Geschlechterrollen und selbst die Geschlechterzuhörigkeiten aufgelöst werden, klingt sein Lied sehr aktuell.
Die Männer brauchen sichere Räume.
Auch der Männerreferent der Evangelischen Kirche der Pfalz, Gerd Humbert, ist sich seit vielen Jahren bewusst, dass die Geschlechter und ihre vermeintlichen Rollen sehr vielfältig sind. Seit über 15 Jahren entwickelt Humbert die kirchliche Männerarbeit. Die Angebote sollen Raum bieten, so sein zu können, wie man(n) eben ist oder sich gerade fühlt: stark, souverän, glücklich oder sorgenvoll, ängstlich und schwach. "Männergruppen bieten sichere Räume in einer unsicheren Welt. Räume, die im Alltag nicht immer erreichbar sind."
Für den gebürtigen Kleinkarlbacher ist die Männerarbeit dabei richtungsweisend für die Evangelische Kirche. In Gottesdiensten sähe er immer weniger Männer und auch die Prognosen sagen, dass künftig immer mehr Männer der Kirche den Rücken zukehren werden. Das wird auch Auswirkungen auf die Kirchensteuereinnahmen haben. Für Humbert ist deshalb klar: Es ist "höchste Zeit, die erfolgreichen Angebote für Männer auszuweiten."
Die Kirchen brauchen die Männer.
Die Angebote bewegen sich zwischen Handwerkskursen und Gesprächskreisen. Es sind zum Beispiel Vater-Kind-Wochenenden im Pfälzer Wald, Kurse wie die zum Bau von Schwitzhütten oder Särgen. Das Sargschreinern klingt makaber, lädt aber neben dem Handwerkeln zur Beschäftigung mit Leben und Tod ein. Daneben gibt es - das häufigste und erfolgreichste Format – die eher klassischen Männergruppen. Humbert leitet aktuell sieben Gruppen mit jeweils 12 bis 14 Teilnehmern. Vier Männergruppen treffen sich vor Ort und drei per Videokonferenz. Was alle Gruppen eint: Sie sind ausgebucht und die Gespräche drehen sich im Wesentlichen um drei Themenbereiche. Es geht um Gesundheit, den Bereich Beruf, Familie, Alltag und um Beziehungen – zu Partnerinnen und Partnern sowie zu den Kindern. Gerd Humbert legt bei allen Angeboten großen Wert darauf, Räume zu öffnen, in denen "ein Mensch sein kann, wie er ist, mit all dem, was dazu gehört - Positivem wie Negativem - und in denen andere Männer diesen Zustand wertschätzen".
Menschen sind mehr als männlich oder weiblich.
In einer Welt des Leistungsdrucks und der dauernden Selbstoptimierung ist für Humbert klar: Männer brauchen solche Wertschätzung und den Freiraum, sich auszutauschen. "Gerade da, wo sich Rollenbilder wandeln, wo in Regenbogen- oder Patchworkfamilien viele Modelle gelebt werden und wo Genderfragen auftauchen, die individuell unterschiedlich beantwortet werden können", sagt Humbert. Er war ehemals Gleichstellungsbeauftragter der Evangelischen Kirche der Pfalz und weiß seitdem, es gibt "verschiedene Männlichkeiten und verschiedene Weiblichkeiten". Es geht ihm darum, dass alle Menschen ihre Fähigkeiten entfalten können, egal ob diese als männlich oder weiblich gelten, egal ob jemand Mann, Frau oder nichtbinär ist.
Wenn alle ihre Fähigkeiten einbringen und Geschlechterrollen nicht mehr die Hauptrolle spielen, lassen sich gesellschaftliche Herausforderungen besser lösen. Davon ist der Männerbeauftragte Humbert überzeugt und möchte künftig auch gemischt-geschlechtliche Veranstaltungen anbieten. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Ganz ähnlich wie Herbert Grönemeyers "Männer"-Lied von 1984.
Informationen im Männernetz Pfalz
Dejan Vilov, Rundfunkpfarrer