Evangelische Kirche der Pfalz bekräftigt Menschenwürde, Demokratie und klare Absage an extremistische Haltungen

Speyer (lk). Mit der Erklärung „Kirche und Extremismus“ hat die Landessynode der Evangelischen Kirche der Pfalz am Samstag ein deutliches Zeichen gegen extremistische und populistische Strömungen gesetzt. Zugleich stärkt sie Gemeinden und kirchliche Einrichtungen im Umgang mit rechtsextremen Positionen - insbesondere mit Blick auf die Presbyteriumswahlen im kommenden Jahr.

„Ein wachsender Teil der Bevölkerung lässt sich von extremistischen oder populistischen Bewegungen ansprechen“, sagte Oberkirchenrat Markus Jäckle bei der Einführung in das Thema. „Das fortschreitende Erstarken extremistischer Strömungen und Parteien ist besorgniserregend. Dies erfordert sowohl eine klare Positionierung seitens der Landeskirche als auch eine Handreichung für die Gemeinden im Umgang damit.“

Christliche Grundwerte als Maßstab

Die Erklärung stellt die theologische Grundlage der Positionierung heraus. „Als evangelische Christinnen und Christen wissen wir uns den christlichen Grundwerten und dem christlichen Menschenbild verpflichtet“, betonte Jäckle. Grundlage sei die Überzeugung, „dass diese Welt und jedes Leben in ihr, von Gott in seiner Schöpfung gewollt und damit zu achten und zu schützen ist“, besonders der Mensch „als Gottes Ebenbild auf Erden“.

 „Unsere christlichen Grundwerte und das Menschenbild beruhen auf der Menschenfreundlichkeit Gottes, die in Jesus Christus offenbar geworden ist“, so Jäckle weiter. Aus dem Evangelium vom Reich Gottes, dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe und der Botschaft von Frieden und Gerechtigkeit erwachse die klare Verpflichtung, „für die unbedingte Geltung der Würde aller Menschen und für eine offene, demokratische, freie und rechtsstaatliche Gesellschaft“ einzustehen. Die Achtung von Menschenwürde und Menschenrechten, Vielfalt, Toleranz, Gerechtigkeit, Nächstenliebe, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie seien „unverhandelbare Wertmaßstäbe“.

Aus diesem Fundament zieht die Erklärung eine klare Konsequenz: „Aus diesem Grund sind alle extremistischen Haltungen, Standpunkte und Positionen, die diese Grundwerte in Frage stellen, missachten und mit Füßen treten, abzulehnen.“ Daraus folge, „dass eine ehren- oder hauptamtliche Mitarbeit in der Landeskirche nicht möglich ist für diejenigen, die sich öffentlich durch Wort oder Tat den christlichen Werten und dem Auftrag der Kirche oder den Grundsätzen ihrer Ordnung widersprechen“.

Historische Verantwortung und „Nie wieder“

Die Erklärung begründet die klare Abgrenzung vom Extremismus auch mit der eigenen Geschichte. Jäckle erinnerte an die Zeit des Nationalsozialismus, „wie schnell waren damals Landeskirche und die meisten ihrer Mitglieder gleichgeschaltet, wie viele waren begeisterte Anhänger von Partei und einem faschistischen Staat und wie wenige stellten sich dem entgegen“. Der Titel der 2016 veröffentlichten Studie zur pfälzischen Kirchengeschichte in dieser Zeit - „Protestanten ohne Protest“ - sei mahnend. „Auch darum sind wir verpflichtet, heute entsprechend Verantwortung zu übernehmen und alles zu tun, dass so etwas ‚nie wieder‘ geschieht.“

Klar in der Haltung, offen im Gespräch

Trotz der deutlichen Grenzen betont die Erklärung die seelsorgliche Verantwortung der Kirche: „Es gehört aber auch zu unserer Verantwortung im Sinne unserer Werte und theologischen Fundamentes, dass weiterhin alle in Gottesdiensten, Angeboten und zum Gespräch willkommen sind.“ Die Kirche bleibe „seelsorglich auch denen verbunden, die sich von unseren Werten entfremden“ und entziehe sich nicht dem Dialog mit Menschen, „die für extremistische Ideologien empfänglich aber gesprächsbereit sind“.

Ein Instrument dafür ist die bereits angelaufene Initiative „#VerständigungOrte“ der EKD, die auch in der pfälzischen Landeskirche etabliert werden soll: Sie soll Räume für ehrlichen Dialog schaffen – „zum Reden und Zuhören, zum Entspannen verhärteter Fronten, um den Blick zu weiten. Für mehr Verständnis und gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Arbeitshilfe zum Umgang mit Rechtsextremismus am Beispiel der AfD

Ergänzend zur Erklärung erhielt die Landessynode den Entwurf einer Arbeitshilfe für Kirchengemeinden „zum kirchlichen Umgang mit Rechtsextremismus am Beispiel der AfD“ zur Information.

Die Vorlage knüpft an eine Broschüre der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck an, die feststellt: „Rechtsextremismus ist in Deutschland und in Europa zu einer massiven Bedrohung von Demokratie und Menschenwürde geworden.“

Die Arbeitshilfe erläutert, wie sich Positionen von extremen und populistischen Vereinigungen wie der AfD zum christlichen Glauben verhalten, vergleicht programmatische Aussagen mit Grundüberzeugungen des christlichen Glaubens und macht Widersprüche sichtbar. Sie dient als Orientierung und Argumentationshilfe - insbesondere im Hinblick auf die anstehenden Presbyteriumswahlen - und ermutigt Gemeinden, sich „im respektvollen Gespräch aktiv gegen Rechtsextremismus einzusetzen“ und zugleich Räume für Auseinandersetzung und Verständigung zu schaffen.

Die pfälzische Erklärung „Kirche und Extremismus“, die der Synode zum Beschluss vorlag, ist an die Erklärung der Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck angelehnt und formuliert eine klare Absage an Ausgrenzung und menschenverachtende Haltungen: „Wer Menschen aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung oder anderen Merkmalen abwertet und benachteiligt, widerspricht der Nächstenliebe als einem Kern christlicher Ethik.“

Die Erstellung der pfälzischen Erklärung haben Dekan Arne Dembek und Gregor Rehm, Friedensbeauftragter der Landeskirche, übernommen; Rehm fasste das Zusammenspiel von Erklärung und Arbeitshilfe so zusammen: Es gehe um „Orientierung, die nicht belehrt. Klarheit, die nicht ausgrenzt. Und Verantwortung, die aus dem Glauben erwächst – nicht aus Aktionismus, sondern aus dem Mut zur Unterscheidung.“

Erklärung der Landessynode der Evangelischen Kirche der Pfalz:

 

,,Prüft alles und behaltet das Gute" (1. Thessalonicher 5,21}

Als Christinnen und Christen sind wir besorgt über das Erstarken von Faschismus, Rassismus und Antisemitismus sowie das Wachsen extremistischer Parteien jeglicher Art in unserem Land. Darum erklären wir:

Als Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche} stehen wir ein für die unantastbare Würde jedes Menschen. Sie ist ein Geschenk Gottes, das allen Menschen gegeben ist. Unser Eintreten für Vielfalt, Toleranz und demokratische Werte liegt darin begründet.

Wir verbinden unsere Offenheit für Vielfalt mit einer klaren Absage an Ausgrenzung und menschenverachtende Haltungen:

Wer Menschen aufgrund von Herkunft, Geschlecht, sexueller Identität, Religion, Behinderung oder anderen Merkmalen abwertet und benachteiligt, widerspricht der Nächstenliebe als einem Kern christlicher Ethik.

Wir sind besorgt um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und werden daher noch intensiver das Gespräch mit denen suchen, die sich nicht mehr von den demokratischen Parteien und Institutionen vertreten fühlen.

Wir sind davon überzeugt, dass berufliche und ehrenamtliche Mitarbeit in der Evangelischen Kirche der Pfalz für diejenigen nicht möglich ist, die öffentlich durch Wort oder Tat den christlichen Werten und dem Auftrag der Kirche oder den Grundsätzen ihrer Ordnung widersprechen.

 

Hintergrund: Landessynode und Zukunftsprozess #kirche.mutig.machen

Die Landessynode ist das oberste beschlussfassende Gremium der Evangelischen Kirche der Pfalz. Die 13. Landessynode tagt von 2021 bis 2026 und entscheidet unter anderem über Haushalt, Gesetze und grundlegende Weichenstellungen der Landeskirche.

Mit dem Zukunfts- und Beteiligungsprozess #kirche.mutig.machen setzt die Evangelische Kirche der Pfalz derzeit eine umfassende Struktur- und Prioritätenreform um. Im Mittelpunkt stehen der Auftrag, geistliches Leben vor Ort zu ermöglichen, Ehren- und Hauptamtliche zu entlasten sowie kirchliche Ressourcen auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen Kirche für Menschen besonders spürbar wird. Die Erklärung „Kirche und Extremismus“ ist Teil dieses Prozesses, der Kirche in einer demokratischen Gesellschaft klar zu positionieren und Gemeinden in herausfordernden gesellschaftlichen Debatten zu stärken.

 

Oberkirchenrat Markus Jäckle bei der Einbringung der Erklärung "Kirche und Extremismus". Foto: lk/Krümpelmann