Der evangelische Stadtkirchenbezirk Pforzheim stellt sich auch mit Blick auf weniger Pfarrerinnen und Pfarrer neu auf. Welche Möglichkeiten das Modell bietet, haben sich Teilnehmer einer Erkundungsfahrt der pfälzischen Landeskirche vor Ort angeschaut.
Der Rückgang an Kirchenmitgliedern und Personal ist auch in der Evangelischen Landeskirche in Baden spürbar. Im Stadtkirchenbezirk Pforzheim sind bereits vor acht Jahren die Kirchengemeinden von 16 zu 9 fusioniert. Doch das reicht immer noch nicht. Bis 2036 wird die Anzahl der Pfarrstellen in der Stadt von jetzt 17,5 Stellen auf 11,5 schrumpfen, die der Gemeindemitglieder von rund 31 000 auf dann 18 000.
Längerer Dialogprozess
Deshalb begann der Kirchenbezirk 2020, sich erneut Gedanken zu machen. In einem längeren Dialogprozess mit ökumenischen Partnern, mit 20- bis 30-Jährigen, Menschen im Sozialraum, gesellschaftlichen Akteuren und politischen Vertretern fragte der Kirchenbezirk: „Welche Kirche brauchen die Menschen in Pforzheim 2032?“ Eine zweite Frage richtete sich an haupt- und ehrenamtlich Engagierte: Wofür bin ich eigentlich einmal angetreten, und wie verstehen wir unseren Auftrag?
Parallel wurden zwei Modelle entwickelt: zum einen eine Fusion auf fünf Gemeinden, zum andern ein neues Konzept, das alle Gemeinden aufhebt und die evangelische Kirche in Pforzheim nach fünf Themenschwerpunkten organisiert. Im November 2023 votierte die Synode mit 80-prozentiger Zustimmung für das neue Konzept. Informiert darüber haben sich zuletzt 30 Teilnehmende einer Reise, die Steffen Schramm, Leiter des Instituts für kirchliche Fortbildung der pfälzischen Landeskirche, organisiert hatte.
Stadtkirchenbezirk wird eine Gemeinde
Der ganze Stadtkirchenbezirk mit seinen ländlichen Gemeinden im Umfeld wird künftig eine Gemeinde sein, die einzelnen Parochien und Presbyterien fallen weg. Stattdessen gibt es fünf Themenbereiche für unterschiedliche „Anspruchsgruppen“: Sie heißen etwa „Ins Leben wachsen“ für Kinder und Menschen, die zu ihnen gehören, „Glauben vertiefen“ oder „Leben feiern“. Kasualien und Gebäudeverwaltung werden zentral organisiert.
Aktuell werden einzelnen Bereichen Personal und Gebäude zugeteilt. Bis Herbst 2025 sollen neue Leitungs- und Verwaltungsstrukturen stehen, es beginnt die Umsetzung.
Das alles schaffe neue Bedingungen und Möglichkeiten für kirchliches Handeln, sagt Schramm. Nun seien rückläufige Mitgliederzahlen in den Gemeinden kein Anlass mehr zu immer neuen Strukturreformen.
Die Themenschwerpunkte bürdeten es auch nicht mehr einzelnen Pfarrpersonen und Presbyterien auf, zu entscheiden, was weggelassen wird. Die Neugewichtung hat Folgen. Etwa im Schwerpunkt „Ins Leben wachsen“, wo ein Kirchengebäude umgebaut wird: In der Kinderkathedrale muss nicht alles möglich sein, sie ist auf die Bedürfnisse von Kindern ausgerichtet.
Mehr Kontaktflächen
Durch die Themenschwerpunkte werde Kirche in der Öffentlichkeit ganz anders wahrgenommen. Die Kontaktflächen nach außen erhöhen sich und ermöglichen eine bessere Zusammenarbeit, zum Beispiel mit Kindertagesstätten und Schulen. „Vernetzung ist unser Lebenselixier“ und „Die Zeit der Ellbogen ist vorbei“, habe eine Mitarbeiterin im Diakoniepunkt Altstadt geäußert, der zum Themenschwerpunkt „Herausforderungen angehen“ gehören wird. Im Schwerpunkt „Glauben vertiefen“, der sich an die Kerngemeinde richte, seien zukünftig 20 Prozent der Ressourcen statt bisher 60 Prozent vorgesehen. In Workshops entsteht ein Gottesdienstkonzept für das ganze Dekanat.
Kasualien im Monatsdienst
Kasualien machen die Pfarrer selbstverständlich weiter, nun eben zentral in einem Monatsdienst. Und das wiederum sei gar keine ganz neue Idee, sagt Schramm. Schließlich ähnele es dem Amtswochenmodell, das in der Pfalz früher üblich war. Das Pforzheimer Modell in Gänze 1:1 auf die Pfalz zu übertragen, sei wiederum nicht möglich, so Schramm. „Das war ein gemeinsamer Lernprozess in Pforzheim.“ Das Modell mache aber Mut, eigene Prozesse zu wagen.
Florian Riesterer