Speyer (lk). Tränen und Applaus zum Abschluss: Mit einem großen Dankeschön für ihr Wirken in der Synode und der Landeskirche verabschiedete Synodalpräsident Hermann Lorenz Dezernentin Karin Kessel, die am Samstag zum letzten Mal als Oberkirchenrätin an einer Synodaltagung teilnahm. Sie sei für ihn über all die Jahre hinweg ein "Quell der Weisheit" gewesen und nie eine Antwort schuldig geblieben. "Ich kann nur sagen: Phänomenal", sagte Lorenz.
Mit ihrer Herbsttagung im Technik Museum Speyer hat die 13. Landessynode der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) den Zukunfts- und Beteiligungsprozess #kirche.mutig.machen in eine neue Phase geführt: Die Synodalen gaben die großen Gesetzesentwürfe zur Strukturreform in die Beteiligung, wählten eine neue weltliche Oberkirchenrätin, berieten den Klimaschutzbericht 2024 und beschlossen die Erklärung „Kirche und Extremismus.
Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst hatte zum Auftakt daran erinnert, dass sich kirchliches Leben nicht auf die Ortsgemeinden beschränke, sondern auch in Bildung, Diakonie, Seelsorge, Medienarbeit und an den Schnittstellen zu Politik und Gesellschaft stattfinde: „Wir sind Kirche in den Gemeinden, aber wir sind nicht nur Kirche in den Gemeinden.“ Die emotional geführten Debatten über die Zukunft der Kirche wertete sie als Ausdruck ernsthafter Sorge und Verbundenheit:
„Das ist gute protestantische Kultur.“
Strukturreformen: Entwürfe auf den Weg gebracht, Beteiligung gestartet
Im Zentrum der Tagung standen vier große Gesetzesvorhaben im Rahmen des Zukunftsprozesses #kirche.mutig.machen. Die Synode nahm die Entwürfe jeweils entgegen und beschloss, das vor einer endgültigen Entscheidung vorgeschriebene Beteiligungsverfahren einzuleiten.
- Änderung der Kirchenverfassung:
Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Kirchenverfassung werden die Leitungs- und Verantwortungsstrukturen der Landeskirche grundlegend neu gefasst. Künftig sollen nur noch die Landeskirche und die neu zugeschnittenen Kirchenbezirke („Bezirkskirchengemeinden“) Körperschaften des öffentlichen Rechts sein – mit voller staatlicher Rechtsfähigkeit und eigener Haushaltsführung. Die heutigen Kirchengemeinden werden zu Ortskirchengemeinden als Körperschaften kirchlichen Rechts: Sie behalten Namen, Profil, Leitungsgremium und ein eigenes Budget, werden aber von vielen Verwaltungs-, Finanz- und Rechtsaufgaben entlastet, die künftig auf Bezirksebene gebündelt werden. - Kirchenbezirksreform:
Mit dem Entwurf eines Kirchenbezirksreformgesetzes (KiBRG) sollen die bisher 15 Kirchenbezirke zum 1. Januar 2029 zu vier großen Kirchenbezirken zusammengeführt werden. Ziel ist es, Leitungsverantwortung und Verwaltung in größeren Räumen zu bündeln, Doppelstrukturen abzubauen und Kräfte für Seelsorge, Bildung, Diakonie und missionarische Arbeit zu gewinnen. Die künftigen Bezirke mit jeweils rund 75.000 Gemeindegliedern sollen als starke regionale Ebenen Gemeinden und Regioteams unterstützen. - Gemeinsame Kirchenverwaltung:
Der Entwurf eines Kirchenverwaltungsgesetzes (KiVwaG) sieht vor, Verwaltungsaufgaben von Landeskirche, des Diakonischen Werks, der gesamtkirchlichen Arbeit und eines Teils der Verwaltungsämter zusammenzuführen. Sie wird als rechtlich unselbstständige Einrichtung der Landeskirche geführt. Ein Anschluss- und Benutzungszwang für zentrale Verwaltungsleistungen – insbesondere Finanz- und Personalverwaltung – soll Standards sichern, Doppelarbeiten vermeiden und Ehren- wie Hauptamtliche vor Ort entlasten. Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben kann die gemeinsame Kirchenverwaltung bis zu vier Regionalstellen einrichten. - Gemeinsamer Kita-Träger:
Das Kirchliche Kitaträgergesetz (KitaTrG) schafft einen gemeinsamen kirchlichen Träger für alle protestantischen Kindertageseinrichtungen im Gebiet der Landeskirche. Der neue Träger ist als rechtlich unselbstständige Einrichtung mit eigener kaufmännischer Haushaltsführung organisiert; sein Vermögen wird als Sondervermögen gesondert bilanziert. Er übernimmt schrittweise die Trägerschaft der bislang von Kirchengemeinden oder Verbünden geführten Kitas und nimmt künftig alle Aufgaben der Betriebs- und Gebäudeträgerschaft sowie der Verwaltung wahr.
Oberkirchenrätin Bettina Wilhelm ordnete die Strukturvorhaben in den größeren Zusammenhang des Zukunftsprozesses ein:
„Es geht im gesamten Prozess um eine Umverteilung von Verantwortung, damit wir auch zukünftig bei den dann noch vorhandenen Finanzmitteln und mit den dann noch zur Verfügung stehenden Personen im Haupt- und Ehrenamt noch Kirche sein können.“
Mit den Beschlüssen beginnt nun die Beteiligungsphase: Die Entwürfe werden den Presbyterien, Bezirkssynoden sowie den Interessenvertretungen der Beschäftigten zugeleitet. Sie können Stellungnahmen, Bedenken und Änderungsvorschläge einbringen. Auf dieser Grundlage sollen die Gesetzesentwürfe überarbeitet und in späteren Tagungen – voraussichtlich bis Frühjahr 2027 – zur endgültigen Beschlussfassung vorgelegt werden.
Wahl: Juliane Danz wird weltliche Oberkirchenrätin
Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung war die Wahl einer neuen weltlichen Oberkirchenrätin als Nachfolgerin von Oberkirchenrätin Karin Kessel, die in den Ruhestand geht. Die Synodalen wählten Juliane Danz (Weisenheim am Sand) in den Landeskirchenrat. Sie übernimmt das Dezernat für Finanzen, Verwaltung und Bauen.
Danz ist 38 Jahre alt, Diplom-Finanzwirtin mit einem Master of Laws und Steuerberaterexamen. Seit 2018 arbeitet sie bei der Stadt Mannheim im Fachbereich Finanzen, seit 2021 verantwortet sie dort die Abteilung Stadtkasse und Steuern. Die Evangelische Kirche der Pfalz sei für sie „meine Landeskirche“, betont die künftige Dezernentin. Nach beruflichen Stationen im Finanzbereich verschiedener öffentlicher Verwaltungen reizt es sie, „über Stadtgrenzen hinaus landes(kirchen)weit zu wirken und meine Kirche – im Bereich Finanzen und Bauen – professionell, mutig und mit Herz durch den anstehenden Transformationsprozess zu navigieren.“
Klimaschutzbericht 2024: deutlich weniger Emissionen, aber weiter große Aufgaben
Mit dem Klimaschutzbericht 2024 – Auffälligkeiten, Erfolge und Perspektiven zog die Synode Bilanz der bisherigen Klimaschutzbemühungen. Für rund 1.250 kirchlich genutzte Gebäude weist der Bericht für 2024 CO₂-Emissionen von 10.500 Tonnen und einen Gesamtenergieverbrauch von 43 Millionen Kilowattstunden aus – das entspricht dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von rund 2.400 Haushalten. Gegenüber 2021 sind Gesamtenergieverbrauch und Treibhausgasemissionen um fast 20 Prozent, die Emissionen nach einer Auswertung der Umweltbeauftragten um 19,5 Prozent, zurückgegangen.
Oberkirchenrat Markus Jäckle machte in seiner Einführung die globale Dimension deutlich: „Klimaschutz ist keine optionale Zusatzaufgabe, sondern eine Überlebensfrage – global und ganz konkret.“ Als Industrienation trage Deutschland eine besondere Verantwortung; zugleich seien von den Folgen der Klimakrise oft Menschen im globalen Süden besonders betroffen. „Wir haben alle nur diese eine Erde. Kein Ersatzplanet, keine ‚zweite Chance‘ an einem anderen Ort. Was wir dieser Erde antun, tun wir uns selbst und unseren Kindern an.“
Gleichzeitig betonte Jäckle die Fortschritte in der Pfalz: Beim Klimaschutz sei die Evangelische Kirche der Pfalz „bereits auf einem guten Weg“. Viele Maßnahmen – von der Modernisierung von Heizungen über Dämmung und Fenstererneuerung bis zum Ausbau der Photovoltaik – zeigten Wirkung.
„Klimaschutz ist kein Modethema, sondern Teil unseres Auftrags.“
„Bewahrung der Schöpfung ist gelebte Nächstenliebe – gegenüber den Menschen heute und den kommenden Generationen.“
Besonderer Schwerpunkt bleibt der Bereich der Kindertagesstätten: Über 40 Prozent der Gesamtemissionen entfallen auf deren Betrieb; dort sind die Emissionen seit 2021 weniger stark gesunken als in anderen Gebäudekategorien. Im Zusammenspiel mit dem geplanten gemeinsamen Kita-Träger sollen hier künftig verstärkt Energiemanagement, Gebäudetechnik und Heizungsumstellungen vorangetrieben werden.
Erklärung „Kirche und Extremismus“: klare Haltung, seelsorgliche Offenheit
Mit der Erklärung „Kirche und Extremismus“ hat die Synode ein deutliches Zeichen gegen extremistische und populistische Strömungen gesetzt und Gemeinden im Umgang mit rechtsextremen Positionen gestärkt – insbesondere mit Blick auf die anstehenden Presbyteriumswahlen.
„Ein wachsender Teil der Bevölkerung lässt sich von extremistischen oder populistischen Bewegungen ansprechen“, sagte Oberkirchenrat Markus Jäckle bei der Einführung.
„Das fortschreitende Erstarken extremistischer Strömungen und Parteien ist besorgniserregend."
Dies erfordere sowohl eine klare Positionierung seitens der Landeskirche als auch eine Handreichung für die Gemeinden im Umgang damit.
Die Erklärung betont, dass jede Person von Gott gewollt und zu achten ist und dass Christinnen und Christen für eine offene, demokratische und rechtsstaatliche Gesellschaft einzustehen haben. Extremistische Haltungen, die diese Grundwerte missachten, werden klar abgelehnt; eine ehren- oder hauptamtliche Mitarbeit in der Landeskirche ist nach der Erklärung nicht möglich für Menschen, die öffentlich durch Wort oder Tat den christlichen Werten oder den Grundsätzen der kirchlichen Ordnung widersprechen.
Trotz der deutlichen Grenzziehung unterstreicht die Erklärung die seelsorgliche Verantwortung der Kirche: Alle bleiben in Gottesdiensten und Gesprächen willkommen; die Kirche entzieht sich nicht dem Dialog mit Menschen, „die für extremistische Ideologien empfänglich, aber gesprächsbereit sind“. Ein Instrument dafür ist die Initiative „#Verständigungsorte“ der EKD, die auch in der pfälzischen Landeskirche etabliert werden soll. Sie soll Räume für ehrlichen Dialog schaffen – zum Reden und Zuhören, zum Entspannen verhärteter Fronten, um den Blick zu weiten und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
Ergänzend zur Erklärung erhielt die Synode den Entwurf einer Arbeitshilfe „zum kirchlichen Umgang mit Rechtsextremismus am Beispiel der AfD“ zur Information. Sie vergleicht zentrale Aussagen der AfD mit christlichen Grundüberzeugungen, macht Widersprüche sichtbar und gibt Gemeinden praktische Hinweise für einen respektvollen, aber klaren Umgang mit rechtsextremen Positionen.
Ausblick: Beteiligung, Workshops, weitere Synodaltagungen
Mit der Herbsttagung 2025 ist im Zukunftsprozess #kirche.mutig.machen ein weiterer wichtiger Schritt getan: Die großen Strukturvorhaben – Verfassungsänderung, Kirchenbezirksreform, gemeinsame Kirchenverwaltung und gemeinsamer Kita-Träger – sind als Entwürfe formuliert und im Gesetzgebungsverfahren angekommen.
Im nächsten Schritt werden Presbyterien, Bezirkssynoden sowie Interessenvertretungen der Beschäftigten beteiligt. Das Projektbüro von #kirche.mutig.machen wird 2026 zahlreiche Workshops und Informationsveranstaltungen für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende anbieten, um über die Entwürfe zu informieren, Rückmeldungen aufzunehmen und gemeinsam an zukünftigen Formen der Zusammenarbeit zu arbeiten. Die endgültigen Beschlüsse über die Strukturgesetze werden in den kommenden Jahren vorbereitet und voraussichtlich bis zur Frühjahrssynode 2027 getroffen.
Die 13. Landessynode ist von 2021 bis 2026 gewählt. Sie ist die kirchliche Volksvertretung der Evangelischen Kirche der Pfalz und trifft grundlegende Entscheidungen in geistlichen, rechtlichen und finanziellen Fragen der Landeskirche.
Die 11. Tagung der Landessynode wird vom 10. bis 13. Juni 2026 stattfinden.

