Mit einem Religionslehrertag ist in Frankenthal der 50. Geburtstag des Amts für Religionsunterricht in der pfälzischen Landeskirche begangen worden. Diskutiert wurde dabei etwa, wie Lehrkräfte ihren persönlichen Glauben im Unterricht einbringen.
Frankenthal (lk). In ihrer Begrüßung vor den rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern betonte Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst, wie wichtig es sei, in den im Religionsunterricht behandelten Texten Bezüge zum eigenen Leben herzustellen. Der Unterricht dürfe keine reine Religionskunde sein, sondern müsse als Fach gesehen werden, das „Hirn, Herz und Seele“ anspreche. Hier, wo Platz sei für das „große Credo christlichen Glaubens“, würden „Menschen als Persönlichkeiten wahrgenommen, nicht nur als zukünftige Arbeitnehmer“. Wüst positionierte sich entschieden gegen die Behauptung, „Religionsunterricht sei eine Kaderschmiede für Christen im Niedergang“. Es gehe vielmehr darum zu zeigen, dass die Welt nicht aus Verlierern und Gewinnern bestehe, sondern aus Menschen mit ihrer innewohnenden Würde. „Wer Religionsunterricht aus den Schulen verbannt, schüttet das Kind mit dem Bade aus“, sagte Wüst.
Oberkirchenrat Claus Müller würdigte das Amt für Religionsunterricht als großartiges Netzwerk, das Menschen mit Leben füllten, die „für den Religionsunterricht brennen“. Die größte Herausforderung für die Zukunft sei, nicht zu erstarren und beweglich zu bleiben – auch mit Blick auf zurückgehende personelle und finanzielle Ressourcen.
Thomas Niederberger, Leiter des Amts für Religionsunterrichts, zeigte zwei Möglichkeiten für die Zukunft auf. Neben einer Konzentration von Beratungsangeboten auf digitalen Plattformen seien Kooperationen möglich. Ein Beispiel sei das Bildungszentrum für Religionslehrer in St Ingbert, das gerade in Kooperation mit der Evangelischen Kirche im Rheinland entsteht. Damit werde Kirche auch deutlicher erkennbar nach außen, sagte Niederberger am Rande der Veranstaltung.
Ulf Pasedach, Vorgänger Niederbergers in dessen Amt, blickte zurück auf die beschwerlichen Anfangstage der Religionspädagogischen Zentren und zeigte sich am Ende mit Blick auf den Priorisierungsprozess der Landeskirche nachdenklich: „Ich frage mich, wie wir den gesamtgesellschaftlichen Auftrag wahrnehmen wollen, wenn solche Sparmaßnahmen im Gespräch sind.“
Im Hauptvortrag weitete Karlo Meyer, Professor für Religionspädagogik an der Universität des Saarlands, den Blick auf Religionsunterricht in Europa. Hier biete sich ein „vielfach desaströses Bild“. Zuletzt sei in Luxemburg Religionsunterricht abgeschafft worden, in Nordeuropa und der Schweiz sei er zu einer Art Sachkundeunterricht verkommen. In Deutschland gebe es mit dem christlichen Religionsunterricht in Niedersachsen und dem konfessionell-kooperativen Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz und im Saarland vielversprechende regionale Ideen und eine gute konfessionelle Basis.
Dennoch, so Meyer, sehe er mit zunehmender Säkularisierung die Gefahr einer reinen Informationsweitergabe ohne Positionierung in Distanz, ein „Sammelsurium an Weltanschauungen“ unter einer „Ideologie der Neutralität unter Verzicht auf ausgetragene Kontroversen“. Auch stoffliche Überfrachtung mahnte er an. Meyer skizzierte eine Art Lehrplan für den Religionsunterricht der Zukunft. Ziel müsse sein, das eigenständige Denken und Handeln junger Menschen in Sachen Religion zu entwickeln, sagte der evangelische Theologe. Helfen könne hier ein klares Standing als eigenständiges Fach, der Aufbau einer inneren Haltung, kreative Methoden wie etwa Videos sowie die Weitung des Handlungsraums über die Schule hinaus.
In der anschließenden Diskussionsrunde tauschten sich Karlo Meyer, Mike Thiesling, Schulleiter des Max Planck Gymnasiums Ludwigshafen und Sprecher der Schuldirektoren, Silke Schick, bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Neustadt zuständig für Grundschulen, Schülerin Fiona Rosenbaum und Mechthild Lukas, Fachleiterin für Religionslehrer an Realschulen plus sowie Lehrerin an der Integrierten Gesamtschule Ludwigshafen-Edigheim, über Herausforderungen aus. Schick lobte den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht. Dieser sei eine Lösung bei immer kleinere werdenden Schülergruppen: „Wir stellen vermehrt den Elternwunsch nach Ethik fest.“´
Karlo Meyer empfahl Lehrerinnen und Lehrern, den eigenen Glauben ins Gespräch zu bringen, Schülerinnen und Schüler jedoch damit nicht zu „überwältigen“. Deutlich sprach er sich aber gegen eine „neutrale Distanz“ zum Lehrfach im Unterricht aus. Religionslehrerin Lukas erklärte, Gebete im Unterricht seien für sie lediglich als Gegenstand der Reflexion möglich. „Ein Gebet zu erzwingen, darf nicht sein.“ Silke Schick betonte, dass bei Religionslehrern – nicht anders als bei anderen Schulfächern – Authentizität und eine Begeisterung für das Fach entscheidend sei. Dies schließe den Glauben selbstverständlich ein. Allerdings sollte der Lehrer kritische Äußerungen zulassen und offen für andere Meinungen sein: Ansichten, denen auch Schülerin Rosenbaum zustimmte.
Info: Als Festschrift hat Pfarrer und Autor Michael Landgraf das Büchlein „Evangelischer Religionsunterricht in der Pfalz“ verfasst. Es würdigt zwei weitere Jubiläen: 500 Jahre Evangelische Bildungsarbeit und 200 Jahre Religionsunterricht in der Landeskirche.
So sahen die Reformatoren in der Bildung einen Pfeiler des evangelischen Christentums. Luther forderte 1524 die Ratsherren deutscher Städte auf, deutsche Schulen zu gründen. Starke Verantwortung kam katholischen und evangelischen Christen vor 200 Jahren in der damals bayrischen Pfalz bei der Neugestaltung von Schule zu. Der Staat sah damals Religionsunterricht als „Kirche in der Schule“. Landgraf schlägt den Bogen bis hin zur didaktischen Wende ab 1960 und gibt Ausblicke in die Zukunft des Religionsunterrichts.
Michael Landgraf: Evangelischer Religionsunterricht in der Pfalz. Neustadt, 2024. 24 Seiten, 5 Euro. ISBN 978-3-9825306-5-9