Enge Partnerschaft in herausfordernden Zeiten - Landesregierung und Evangelische Kirchen tauschen sich über aktuelle Themen und zentrale Aufgaben aus.

Mainz. Die rheinland-pfälzische Landesregierung ist zu ihrem regelmäßigen Austausch mit den Leitungen der Evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz zusammengetroffen. Im Fokus des Gesprächs am Montagabend standen dabei sowohl die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen als auch die Veränderungsprozesse in den Evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz. Dabei würdigte Ministerpräsident Alexander Schweitzer die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Land, die er seit seinem Amtsantritt intensiv fortgeführt habe. „Die Evangelischen Kirchen sind wichtige Partnerinnen des Landes. Die regelmäßigen Begegnungen bieten Gelegenheit, die kirchlichen Perspektiven auf gesellschaftliche Entwicklungen noch genauer kennenzulernen und über gute Wege für die Zukunft zu sprechen. Gerade in Zeiten multipler Krisen ist dieser offene und konstruktive Austausch von unschätzbarem Wert“, so der Ministerpräsident.

Im Mittelpunkt des Treffens standen insbesondere aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen wie Migration und Integration, die Stärkung der freiheitlichen Demokratie und die Rolle der Kirchen als wichtige Akteure in Rheinland-Pfalz. Beide Seiten unterstrichen die Bedeutung der gemeinsamen gesellschaftlichen Verantwortung. Gerade im Bereich von Migration und Integration leisten die Evangelischen Kirchen mit ihren Diakonien einen wichtigen Beitrag – von der Migrationsberatung bis hin zu Projekten zur interkulturellen Öffnung und zur Stärkung einer Willkommens- und Anerkennungskultur. Das Ministerratsgespräch bot die Gelegenheit, diese Themen offen und vertraulich zu erörtern.

Integrationsministerin Katharina Binz sagte: „Die Integration von Geflüchteten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur gelingt, wenn alle Akteurinnen und Akteure zusammenarbeiten – vom Land über die Kommunen bis hin zu den Kirchen und der Zivilgesellschaft. Dabei ist die Diakonie der evangelischen Kirchen eine wichtige Säule. Sie unterstützt Migrantinnen und Migranten bei den unterschiedlichen Herausforderungen ihres alltäglichen Lebens und leistet einen wichtigen Beitrag, damit Zugewanderte gut in unserer Gesellschaft ankommen. Die vielfältigen Angebote der Diakonie tragen zudem dazu bei, Brücken zu bauen sowie Solidarität, Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung in der Gesellschaft zu fördern.“

„Eine starke Wirtschaft braucht ein starkes Fundament in der Gesellschaft. Deshalb ist mir der Dialog mit den Kirchen so wichtig: Sie geben Halt, fördern den Zusammenhalt und sind für viele Menschen – gerade auch für eingewanderte Fachkräfte – ein wichtiger Ankerpunkt in einem neuen Lebensumfeld. Wirtschaftlicher Erfolg entsteht in Unternehmen und auf Märkten, aber er lebt vom gesellschaftlichen Frieden und vom Miteinander. Diesen Rahmen gemeinsam zu stärken, ist unser gemeinsames Ziel“, erklärte Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt.

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), Thorsten Latzel, hob die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips hervor. Indem der Staat viele seiner Aufgaben ganz unterschiedlichen Akteuren – nicht nur den Kirchen – übertrage, fördere er zugleich die Vielfalt von Angeboten. Freilich stießen die freien Träger an ihre finanziellen Grenzen. So müssten die Kirchen ihren Eigenbeitrag durch den Rückgang der Kirchensteuermittel reduzieren und könnten staatliche Aufgaben nicht mehr in gewohnter Weise finanziell unterstützen. Kirche und Staat stünden in der Verantwortung, in ihrer Zusammenarbeit zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger das Prinzip der Subsidiarität zu pflegen und neuen Herausforderungen anzupassen.

Ein weiteres zentrales Thema war die Stärkung der freiheitlichen Demokratie. Die Evangelischen Kirchen verstehen sich als wichtige Stimme für gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen Hass und Ausgrenzung. Ministerpräsident Alexander Schweitzer würdigte dieses Engagement: „In einer Zeit, in der unsere Demokratie unter Druck steht, sind die Evangelischen Kirchen eine starke Kraft für Zusammenhalt, Respekt und gegenseitige Verantwortung. Sie sind vor Ort nah an den Menschen, leisten konkrete Hilfe und bringen die Sorgen und Perspektiven derer, die sich weniger Gehör verschaffen können, in die politischen und gesellschaftlichen Debatten ein. Dieses Engagement ist ein unverzichtbarer Beitrag für eine offene Gesellschaft, die sich den Aufgaben unserer Zeit stellt und diese mit Zuversicht angeht.“

Die Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Christiane Tietz, sieht in der Demokratie die beste Möglichkeit für eine gerechte Gesellschaft. Demokratie habe nicht nur etwas mit Mehrheiten zu tun, sondern auch mit Menschenwürde und Menschenrechten. „Wir möchten als Kirche auch ein Ort sein für die Gesellschaft insgesamt, um im Gespräch zu bleiben - um sich zuzuhören, um über Ängste und Sorgen zu sprechen, um Argumente auszutauschen“, erklärte Tietz und verwies auf die Initiative „Verständigungsorte“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Die Schwierigkeit dabei sei, „auf der einen Seite freundlich zugewandt zu bleiben und auf der anderen Seite zu sagen, dass bestimmte Positionen wie Rassismus, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit für uns nicht akzeptabel sind“.

Dorothee Wüst, Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz (EKP), sieht die gesellschaftlichen Kräfte in der Pflicht, die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und die Präventionsarbeit als gesamtgesellschaftliches Thema zu betrachten. „Dafür wäre ein wirklich gutes Aufarbeitungsgesetz des Bundes hilfreich: Ein gut durchdachtes, nicht verwässertes und alle Systeme in die Pflicht nehmendes Gesetz“, sagte Wüst.

Im Rahmen der kirchlichen Aufarbeitung haben sich nach Auskunft der Kirchenpräsidentin, die zugleich Sprecherin der kirchlichen Beauftragten im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in Evangelischer Kirche und Diakonie in Deutschland ist, die unabhängigen regionalen Aufarbeitungskommissionen gebildet. Diese untersuchten Fälle und Strukturen, bänden Betroffene ein und profitierten von Expertinnen und Experten, die u.a. durch die Bundesländer benannt worden seien.

Die Kirchenpräsidentin begrüßte den Pakt gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Freilich müssten auch gute Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, damit eine gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung gelinge.

Beide Seiten begrüßten den guten Austausch und betonten, in engem Austausch bleiben zu wollen. Auch künftig wolle man das direkte Gespräch suchen.

Flaggen vor dem Landeskirchenrat in Speyer. Foto: lk