Am 25. Januar 2024 veröffentlichte der Forschungsverbund ForuM (Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland) eine breit angelegte unabhängige Studie zum Thema sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche.
Was ist die ForuM-Studie?
ForuM ist ein unabhängiges Forschungsprojekt. Es umfasst ein Metaprojekt sowie mehrere Teilprojekte:
- Das Metaprojekt koordiniert den Verbund und die Zusammenführung der Ergebnisse.
- Teilprojekt A untersucht aus einer historischen Perspektive den kirchlichen und öffentlichen Umgang mit sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche.
- Teilprojekt B untersucht die bisherige Praxis der Aufarbeitung von (sexualisierter) Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie.
- Teilprojekt C erforscht die Erfahrungen und Sichtweisen von Menschen, die sexualisierte Gewalt in evangelischen Kontexten erlitten haben.
- Teilprojekt D erforscht die Perspektive Betroffener auf Strukturen der evangelischen Kirche und deren Nutzung durch Täter*innen.
- Teilprojekt E ermittelt Kennzahlen zur Häufigkeit und Merkmale des institutionellen Umgangs mit sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche.
Beteiligte Institutionen sind die Hochschule Hannover, die Universität Münster, die Bergische Universität Wuppertal, die Freie Universität Berlin, das Institut für Praxisforschung und Projektberatung München, das Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf, das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim sowie die Universität Heidelberg. Ein Verbundbeirat begleitet das Forschungsprojekt. Er besteht aus externen Wissenschaftler*innen, Betroffenen von sexualisierter Gewalt und kirchlichen Beauftragten. Das Forschungsprojekt wurde von der evangelischen Kirche mit ihren 20 Landeskirchen initiiert und ist auf drei Jahre angelegt. Die Kosten belaufen sich auf ca. 3,6 Millionen Euro. Alle 20 Landeskirchen beteiligen sich an der Finanzierung.
Wo finde ich mehr Informationen zur ForuM-Studie?
Nähere Informationen zu Struktur und Aufgabenstellung der ForuM-Studie finden sich hier. Ab dem 25. Januar 2024 kann die Studie auf der Website des Forschungsverbunds abgerufen werden.
Wie viele Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt gibt es in der Evangelischen Kirche der Pfalz und ihrer Diakonie?
Wir verstehen unter dem Begriff „sexualisierte Gewalt“ nicht alleine Straftaten, sondern alle Verfehlungen in diesem Bereich, beginnend bei Grenzverletzungen über sexuelle Übergriffe bis hin zu strafrechtlich relevanten Formen. Und wir zählen auch nicht nur Fälle, bei denen eine Tat nachgewiesen werden konnte, sondern alle Verdachtsfälle, mit denen wir uns beschäftigt haben.
Nach heutigem Stand haben wir uns mit 49 Verdachtsfällen (bezogen auf Täter*innen) sexualisierter Gewalt seit 1947 innerhalb der Evangelischen Kirche der Pfalz und ihrer Diakonie beschäftigt. Darin abgebildet ist die ganze Bandbreite von übergriffigem und/oder distanzlosem Verhalten bis zur Straftat. Von diesen 49 Verdachtsfällen haben sich 22 Fälle bestätigt. Sieben dieser Fälle bezogen sich auf Pfarrer. neun Fälle auf Erzieher*innen bzw. pädagogisches Personal. Zwei Fälle sind in der Kirchenmusik verortet, ein Fall betrifft einen Kirchendiener und in drei Fällen ging es um ehrenamtliche Mitarbeitende.
19 Fälle erfüllten einen Straftatbestand. Verurteilungen gab es in sechs Fällen. Nicht alle 19 strafrechtlich relevanten Fälle führten zu einem Urteil, weil der oder die Täter*in unbekannt bzw. verstorben war oder der Fall verjährt war. In den vier verbleibenden Fällen unter den Pfarrern machte die damalige Strafgesetzgebung eine Verurteilung nicht möglich. Auch wenn die uns bekannten Fälle nicht strafrechtlich verfolgt werden konnten, so wurden dennoch disziplinarrechtliche, dienstrechtliche oder arbeitsrechtliche Maßnahmen eingeleitet. Drei Fälle sind nach heutigem Datum (17. Januar 2024) und Stand der Untersuchungen noch nicht abgeschlossen.
An den ForuM-Forschungsverbund hat die Evangelische Kirche der Pfalz 27 Fälle gemeldet. Diese Zahl unterscheidet sich von den oben genannten Zahlen, weil die ForuM-Studie nur bestimmte Fälle in ihrer Untersuchung berücksichtigt hat. Außerdem sind die Verdachtsfälle nicht aufgeführt, die nach dem Stichtag der Studie (31. Dezember 2020) bekannt wurden.
Wie ist die Evangelische Kirche der Pfalz mit der Durchsicht von Akten umgegangen?
Die Forschenden von ForuM haben grundsätzlich von keiner Landeskirche Akten erhalten – weder Personal- noch Disziplinarakten. Das Screening fand jeweils vor Ort statt durch extra eingestelltes Personal. In unserem Fall hat ein Kriminalkommissar a. D. diese Arbeit übernommen. Die ForuM-Forscher*innen hätten jederzeit vor Ort diese Arbeit begleiten, ergänzen oder übernehmen können. In der Pfalz wurde davon kein Gebrauch gemacht. Alle von uns in Teilschritt 1 durch das ForuM-Team angefragten Akten wurden durchgesehen und bei Verdachtsfällen oder bestätigten Fällen entsprechende Fragebögen ausgefüllt. Alle vollständig, unbeanstandet und pünktlich. Zusätzliche Akten-Screenings wurden von uns nicht erfragt. In Ergänzung zu den angefragten Akten wurden bei uns weitere Akten - insgesamt 368 - durchgesehen.
Wie geht die Evangelischer Kirche der Pfalz mit dem Thema sexualisiert Gewalt um?
Grundsätzlich hat unsere Landessynode die Gewaltschutzrichtlinie der EKD im November 2019 in einem eigenen „Gesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt" beschlossen, das damit für den gesamten Bereich der Evangelischen Kirche der Pfalz und dem Diakonischen Werk/Pfalz mit all seinen Trägern gilt. Damit sind auch verbindliche Weichen zu Intervention und Prävention gestellt:
- In regelmäßigen Abständen werden alle hauptamtlich Beschäftigten der Landeskirche, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, zum Thema sexualisierte Gewalt geschult.
- Unsere Kindertagesstätten haben Schutzkonzepte und sexualpädagogische Konzepte entwickelt und eingeführt. Die Mitarbeitenden durchlaufen regelmäßig Schulungen.
- Alle Beschäftigten der Landeskirche, alle unsere Presbyter*innen und Ehrenamtlichen müssen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen.
- Im Bereich der evangelischen Jugendarbeit wurden Schutzkonzepte und eine Praxishilfe gegen sexualisierte Gewalt erarbeitet.
Seit 2010 gibt es in der Evangelischen Kirche der Pfalz eine <link begleitung-und-hilfe missbrauch-melden _blank für fälle sexualisierter>Ansprechperson für Fälle sexualisierter Gewalt. Ansprechperson für Betroffene oder die Meldung von Verdachtsfällen ist Ivonne Achtermann (Telefon: 06232/667-153, E-Mail: ivonne.achtermann@evkirchepfalz.de).
Seit 2019 gibt es die „Unabhängige Kommission“, an die sich betroffene Personen in ihrem Anspruch auf Anerkennung erlittenen Unrechtes wenden können. Sie besteht aus der Juristin Anja Schraut, der Therapeutin Ilse Seifert und dem Psychologen Karl Züfle und unterliegt keinen kirchlichen Weisungen.
An wen kann ich mich bei einem Fall sexualisierter Gewalt wenden?
<link begleitung-und-hilfe missbrauch-melden _blank für fälle sexualisierter>Ansprechperson für Fälle sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche der Pfalz und ihrer Diakonie ist Ivonne Achtermann (Telefon: 06232/667-153, E-Mail: ivonne.achtermann@evkirchepfalz.de).
Wenn Sie nicht mit einer Mitarbeiterin der Landeskirche sprechen möchten, können Sie sich auch an die „Unabhängige Kommission“ wenden. Sie besteht aus der Juristin Anja Schraut, der Therapeutin Ilse Seifert und dem Psychologen Karl Züfle und unterliegt keinen kirchlichen Weisungen.
Weitere Informationen und alle Meldestellen finden Sie <link begleitung-und-hilfe missbrauch-melden informationen und>hier.