Psychische Erkrankungen haben bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren zugenommen. Mit dem Kurs „Seelen stärken“ will die Evangelische Jugend der Pfalz deshalb Haupt- und Ehrenamtliche sensibilisieren.
Bad Dürkheim (lk). Auf dem Schwerpunkttag Jugend der pfälzischen Landessynode stellen heute Workshops die Lebensrealität junger Menschen in den Mittelpunkt. Neben außerschulischer Jugendarbeit und sozialem Lernen auf Freizeiten geht es auch hier um die Auswirkungen gesellschaftlicher und politischer Krisen auf junge Menschen.
Michael Borger, Referent für Freizeiten und Globales Lernen im Landesjugendpfarramt der Evangelischen Kirche der Pfalz, hat schon etliche Kinder- und Jugendfreizeiten mitgestaltet. Über die Jahre hat er erlebt, dass psychische Erkrankungen ein „Riesenthema“ geworden sind.
Das deckt sich mit aktuellen Erhebungen von Krankenkassen wie dem DAK-Gesundheitsreport, die seit dem Beginn der Corona-Pandemie einen Anstieg verzeichnen beziehungsweise eine Stabilisierung auf hohem Niveau. Zuletzt vermeldete die Studie „Jugend in Deutschland 2024“, dass psychische Belastungen in den zurückliegenden drei Jahren trotz des Abflauens der Corona-Pandemie weiter angestiegen und so hoch wie nie seien. „Wir reden hier von rund 20 Prozent Kindern und Jugendlichen“, sagt Borger. Je nachdem, ob nur diagnostizierte Fälle oder Wartelisten von Therapeutinnen und Therapeuten mit einberechnet würden, fielen sie höher oder niedriger aus.
Kinder und Jugendliche stärken, damit sie psychisch widerstandsfähiger werden, resilienter, sei schon immer Bestandteil der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit gewesen, sagt Borger. Deren Pfund seien echte Begegnungen und Freundschaften, die bei Freizeiten entstehen und Halt geben können. „Es gibt so viele Krisen, alles macht Angst; wir wollen, dass Jugendliche damit besser klarkommen.“ Das heißt jedoch nicht, dass psychische Erkrankungen mit sich selbst ausgefochten werden müssen. „Wir wollen Kinder und Jugendliche nicht zu kleinen Therapeutinnen machen“, sagt Borger. An diesem Punkt setzt der neue Kurs an, der im Herbst 2023 erstmals stattgefunden hat.
Er schult Haupt- und Ehrenamtliche in Methoden der Wahrnehmung, zur Gesprächsführung, macht die Gegenüber sensibel, wenn Kinder und Jugendliche diese Probleme einbringen. „Es geht darum, Warnzeichen zu erkennen, nicht um eine Diagnose, ob das jetzt eine Depression ist oder eine Angststörung“, sagt Borger. Der Kurs will Fehler vermeiden helfen, etwa wenn Probleme vorschnell abgetan würden mit einem „Das wird schon wieder“ oder auch zu tief in den Gesprächspartner gedrungen werde. „Dann ist der Moment verstrichen.“ Auch professionelle Hilfe an die Hand zu geben, etwa die Kontaktdaten der Telefonseelsorge oder die „Nummer gegen Kummer“, gehöre dazu.
Für den Aufbau des Kurses hatte Borger sich über das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim zu Mental Health First Aid (MHFA) schlau gemacht. Diese Erste-Hilfe-Kurse für psychische Gesundheit sind auf Betriebe ausgelegt. Vor allem große Firmen motivierten Mitarbeiter, diese zu besuchen. „Letztlich geht es hier um die Produktivität eines Unternehmens“, sagt Borger nüchtern. „Jugendarbeit ist noch mal was anderes, das war mir schnell klar.“ Die Landeskirche selbst habe MHFA-Kurse nicht implementiert.
Bewusst sei jeder Kurs begrenzt auf 18 Teilnehmer. Schließlich öffneten sich die Personen, wenn das Thema Raum bekomme, berichteten von Freunden, der Familie oder eigenen Erfahrungen. Dazu können auch Suizidandrohungen gehören. Mit dem Kurs will Borger psychische Erkrankungen auch ein Stück aus der Tabu-Ecke herausholen. „Viele trauen sich nicht darüber zu sprechen“, sagt Borger, der sich selbst nach einem Suizid fragte, ob er Warnzeichen hätte erkennen können. „Das Wort Psychiatrie ist immer noch ein Stigma.“ Dabei seien viele psychische Gesundheitsprobleme heilbar.
Borger und seine Mitstreiter würden das Konzept, das beim Schwerpunkttag Jugend auf der Landessynode präsentiert wird, gern mit anderen teilen. Dafür waren sie schon in Kontakt mit der Arbeitsgemeinschaft Evangelische Jugend auf Bundesebene, dem Deutschen Bundesjugendring und dem Brüsseler Studio der Evangelischen Kirche in Deutschland. Um daraus ein bundesweites Projekt zu machen, müsste aber die Finanzierung geklärt sein. „Daran arbeiten wir.“ Ziel sei, dass diese Kurse so normal werden wie Erste-Hilfe-Kurse, sagt Borger. „Ich weiß, das ist ambitioniert, aber richtig, weil wir diese Problematik haben – und ich glaube nicht, dass es besser wird.“
Die nächsten Kurse „Seelen stärken“ finden statt am 17. und 19. Januar für Ehrenamtliche und am 20. und 21. Januar für hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Martin-Butzer-Haus Bad Dürkheim. Sobald die Anmeldung freigeschaltet ist, informiert die Evangelische Jugend der Pfalz.